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Michael Kuffer: "Die Mehrstaatigkeit derjenigen, die in Deutschland aufgewachsen sind, wird hingenommen"

Drittes Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (Drittes Staatsangehörigkeitsänderungsgesetz)

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Schon nach wenigen Minuten dieser Debatte wird deutlich, dass heute der typische Oppositionsansatz „Die Politik ist die Kunst des Demonstrativen“ mit dem Regierungsansatz „Politik ist die Kunst des Möglichen“ kollidieren wird.

Ja, das Thema Staatsbürgerschaft stand schon mehrfach im Zentrum schwieriger politischer Auseinandersetzungen und war schlussendlich Gegenstand mühsam errungener Kompromisse. Die Art und Weise, wie Sie, meine Damen und Herren von der AfD, Ihre generelle Abschätzigkeit gegenüber Kompromissen zur Schau stellen, ist befremdlich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich sage das ausdrücklich in Richtung Ihrer demokratischen Einstellung, die Sie damit offenbaren, und weniger in Bezug auf Ihre inhaltlichen Argumente, soweit Sie welche vorbringen. Zugegeben: Der Kompromiss ist manchmal nichts für schwache Nerven; aber er gehört zu den wichtigsten Lebensadern der Demokratie. Ihn zu suchen, gehört zu den Daseinsberechtigungen des Parlamentarismus.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren von der AfD, Herr Gauland, Sie legen immer so großen Wert darauf, dass Sie demokratisch gewählt sind. Ich würde Ihnen herzlich anempfehlen: Dann verhalten Sie sich auch demokratisch, dann funktioniert auch unsere Zusammenarbeit in diesem Parlament.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Wir verhalten uns immer demokratisch, Herr Abgeordneter! Wir repräsentieren 13 Prozent der Wahlbevölkerung, und Sie werden immer schwächer werden, wenn Sie so weitermachen!)

Die Art und Weise, wie Sie einzelne Kollegen mit Vergleichen und Begriffen belegen, zeigt, dass Sie permanent politische Gegnerschaft mit Feindschaft verwechseln.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Wir verwechseln überhaupt nichts!)

Ich frage mich wirklich: Was ist mit Ihnen los?

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Inhaltlichen. Die Staatsbürgerschaft ist – und das ist doch unbestritten – die intensivste Form der Bindung an einen Staat – deshalb ist dieses Thema nicht einfach zu lösen –, eine Bindung, die notwendigerweise mit einer besonderen Loyalität verbunden sein muss. Und natürlich ist es schwer vorstellbar, diese Loyalität zu teilen, ja, in Konfliktfragen sie zu spalten. Es bleibt richtig: Man kann nur einem Herren dienen, man kann sich nicht doppelt verheiraten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ach nee! Genau das sagen wir auch! – Stephan Thomae [FDP]: Staatsbürger als Untertan!)

– Zu dem, was Sie sagen, sage ich Ihnen gleich noch etwas.

Wir wissen, dass die doppelte Staatsbürgerschaft integrationshemmend sein kann.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD sowie des Abg. Marian Wendt [CDU/CSU])

Wir mussten erst kürzlich am Beispiel des Referendums in der Türkei erleben, dass die doppelte Staatsbürgerschaft ein Anreiz für ausländische Regierungen sein kann, in die inneren Angelegenheiten unseres Staates hineinzuregieren,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD – Zuruf von der AfD: Also doch!)

ja, wie über das Instrument einer zweiten, ausländischen Staatsbürgerschaft der Versuch unternommen worden ist, deutsche Staatsbürger aus dem Ausland in nicht hinnehmbarer Weise unter Druck zu setzen. Und deshalb sage ich Ihnen zunächst ganz klar Folgendes: Die doppelte Staatsbürgerschaft muss ein Ausnahmefall bleiben. Sie darf nicht zur Regel werden. Das ist für die Union im Übrigen völlig klar.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Völlig klar ist im Übrigen auch – manchmal nutzt ein Blick ins Gesetz –, dass die Optionspflicht nicht abgeschafft worden ist.

(Marian Wendt [CDU/CSU]: Richtig!)

Die Optionspflicht ist weiterhin der Grundsatz. Sie ist nur für die hier Aufgewachsenen eingeschränkt worden; ansonsten bleibt sie als Grundsatz in § 29 Absatz 1 StAG das zentrale Element des Staatsbürgerschaftsrechts.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ist es!)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, zum vollständigen Bild gehören auch einige Erfahrungen aus einem anderen Blickwinkel, zum Beispiel dass es bei integrationswilligen Betroffenen zu einer Entfremdung von Deutschland kommen kann, wenn eine so weitreichende Entscheidung zu früh aufgezwungen wird. Das kann nicht das Ziel einer vernünftigen Integrationspolitik sein. Mit Blick auf die wirtschaftspolitische Debatte von heute Morgen sage ich: Es kann auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel wirtschaftspolitisch nicht besonders klug sein, gut ausgebildete und gut integrierte Fachkräfte und Akademiker ohne Not in das Land ihrer Eltern zurückzutreiben, anstatt alles zu tun, um sie hier zu halten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Zu einem anderen Blickwinkel gehört zum Beispiel auch, dass die Durchsetzung der Optionspflicht mit unverhältnismäßig hohen Kosten und bürokratischem Aufwand verbunden ist, bei dem gleichzeitigen Umstand, dass etwa in der Hälfte der Fälle die Mehrstaatigkeit aus anderen Gründen akzeptiert werden muss, etwa weil die Aufgabe der ausländischen Staatsbürgerschaft unmöglich oder unzumutbar ist.

Um diese beiden Seiten der Medaille in einen Ausgleich zu bringen, tritt die CDU/CSU-Fraktion für den sogenannten Generationenschnitt ein. Das heißt, die Mehrstaatigkeit derjenigen, die in Deutschland aufgewachsen sind, wird hingenommen, während sich die darauffolgende dritte Generation für eine der beiden der Staatsbürgerschaften entscheiden muss. Mir scheint dieser Weg des Generationenschnitts auch angesichts der bei Staatsangehörigkeitsfragen naturgemäß sehr aufgeladenen politischen Gefechtslage kompromissfähig zu sein. In diesem Sinne bitte ich die anderen Fraktionen hier im Hause, diesen Weg zu unterstützen.

Einen letzten Satz zum Gesetzentwurf der AfD. Dieser Gesetzentwurf ist aus einem ganz einfachen Grund nicht zustimmungsfähig. Ich kann keinen Sinn darin erkennen, dass wir hier im Deutschen Bundestag als Legislative Gesetze beschließen, die anschließend die Judikative, sprich: das Bundesverfassungsgericht, einkassieren muss. So wie Sie den Gesetzentwurf angelegt haben, würde das Gesetz nämlich eindeutig zu einer Rückwirkung bei der Wiedereinführung der Optionspflicht für bestimmte Gruppen führen. Sie sollten wissen, dass ein solcher Ansatz verfassungswidrig ist. Das weiß man aber natürlich nur, wenn man

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sich mit der Sachlage beschäftigt! Sehr richtig!)

jenseits der großen Gesten hier am Rednerpult bereit ist, sich mit Fakten und Details zu beschäftigen. Dann würde man es auch schaffen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, dem vielleicht zugestimmt werden kann.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Dem würden Sie nie zustimmen!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)