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Marian Wendt: Mit Extremismus spielt man nicht

Redebeitrag zur Prüfung des Verbots der "Antifa"

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute debattieren wir im Bundestag wieder einmal über den politischen Extremismus in Deutschland. Die Fraktion der AfD hat dazu einen Antrag vorgelegt. Dieser ist, wie von dieser Fraktion nicht anders zu erwarten, widersprüchlich und erfasst die Breite des Problems überhaupt nicht. Aber woher soll die inhaltliche Breite kommen, wenn ein Antrag nicht mal 24 Stunden vor dieser Debatte vorliegt?

(Zurufe von der AfD)

Zum Text. Bereits im ersten Absatz ihres Pamphlets möchte die AfD die vermeintlich größten Gefahren für unsere Gesellschaft benennen: den Linksextremismus, den islamistischen Terrorismus.

(Thomas Ehrhorn [AfD]: Jawohl! Richtig!)

Und noch was? – Genau. Das war’s. Sie vergisst interessanterweise, den Rechtsextremismus zu erwähnen – wie praktisch! –,

(Zurufe von der AfD)

aber das ist nicht verwunderlich, wenn man selber eine rechtsextremistische Partei ist.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Extremisten als Extremisten zu erkennen und zu benennen ist Kernaufgabe des Verfassungsschutzes.

Dies sagte vor einigen Tagen Jörg Müller, Leiter der Abteilung Verfassungsschutz in Brandenburg.

(Sylvia Lehmann [SPD]: Richtig!)

Neben seinen Kollegen in Thüringen hat nun er als Zweiter die AfD als Beobachtungsobjekt eingestuft und die Alternative für Deutschland damit klar als eine extremistische Partei benannt.

(Zurufe von der AfD)

Ich zitiere weiter:

Dem Landesverband sind extremistische Positionierungen von AfD-Mitgliedern zuzurechnen,

– und jetzt hören Sie gut zu –

die insbesondere die Menschenwürde und das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip verletzen.

(Sylvia Lehmann [SPD]: Genau so!)

Und es geht noch weiter:

Die Brandenburger AfD hat sich seit ihrer Gründung stetig radikalisiert und wird mittlerweile von Bestrebungen dominiert, die ganz eindeutig gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind.

(Jürgen Braun [AfD]: Sie lenken vom Thema ab, Herr Wendt! Zur Sache bitte!)

Er benennt Kalbitz als einen „erwiesenen Rechtsextremisten“.

Auch mir scheint es, dass Nazis wie Höcke, Kalbitz und Co nicht nur ein Flügel der AfD, sondern der ganze Vogel sind.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Martin Hess [AfD]: Der einzige Vogel ist am Rednerpult!)

Soll ich Ihnen nun, liebe Kollegen von der AfD, die Definition von Glaubwürdigkeit anhand Ihres Antrags einmal erläutern? – Gerne doch. Sie wollen einen „glaubwürdigen Kampf der Politik gegen gewalttätigen politischen Extremismus“ führen, sind aber selbst ein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes. Sie können aus meiner Sicht gar keinen Kampf gegen Extremisten führen, wenn Sie selber welche sind und vom Rechtstaat bekämpft werden müssen, und das werden wir mit aller Konsequenz tun.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass Ihnen dieser Umstand bewusst ist. Sie versuchen nun, mit Hinweis auf andere Extremisten von sich selbst abzulenken, vergessen aber dabei: Wer mit einem Finger auf andere zeigt, zeigt mit drei Fingern auf sich. Wie schändlich!

(Sylvia Lehmann [SPD]: Vier!)

– Wieso? Der Daumen zeigt ja nicht. – Anstatt sich aber kritisch mit dieser Tatsache auseinanderzusetzen, wollen Sie die öffentliche Debatte lieber auf das Problem des Linksextremismus verschieben. Das lassen wir Ihnen aber nicht durchgehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Jürgen Braun [AfD])

Weiter zum Text. Sie rufen dazu auf, den Rechtsstaat und die Demokratie schützen zu wollen. Aus meiner Sicht gehört es sich da, auf alle Arten von Extremismus einzugehen, um die ganze Problematik darzustellen, oder?

(Jürgen Braun [AfD]: Sie wählen Linksextremisten! Sie unterstützen Linksextremisten, Herr Wendt!)

Für die AfD ist das nicht nötig. Rechtsextremismus scheint für diese Partei ein nachrangiges Problem zu sein. Es wird einseitig auf die ganz gewiss bestehende Problematik des Linksextremismus und des Islamismus abgestellt. In Ihrem Text zum antiextremistischen Grundkonsens wird – halten Sie sich fest – genau zweimal von Rechtsextremismus gesprochen, nur zweimal in einem Antrag, der vermeintlich alle extremistischen Strömungen verurteilen soll. Wahnsinn!

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Es geht um die Antifa! Reden Sie doch mal zum Thema!)

Auch werden politisch motivierte Angriffe auf Politiker genannt.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Thema!)

Allerdings zeigen Sie nur diejenigen Taten auf, die ausschließlich einen linksextremistischen Bezug haben. Peinlich!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Die AfD war und ist bis heute nicht mutig genug, um beispielsweise den Mord an Walter Lübcke in irgendeiner Weise zu erwähnen und zu verurteilen. Schämen Sie sich!

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der AfD)

Wie soll ich Sie, eine Partei, die unsere freiheitliche demokratische Grundordnung offensichtlich unterminiert, ernst nehmen?

(Jürgen Braun [AfD]: Totale Unwahrheit, Herr Wendt! – Dr. Alice Weidel [AfD]: Die CDU/CSU unterstützt die Antifa! Das zeigen Sie gerade!)

Sie wollen extremistische Strömungen bekämpfen, tolerieren und unterstützen aber innerhalb der eigenen Reihen Rechtsextremisten. Wie geht das zusammen? Ich musste sogar laut lachen, als ich in Ihrem Antrag gelesen habe, dass Sie sich als Partei – Zitat – „in der Mitte der Gesellschaft“ sehen. Was für eine Heuchelei!

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Braun [AfD]: Sie wählen Linksextremisten, und Sie unterstützen Linksextremisten! Reden Sie doch einmal darüber! Darüber wollen Sie nicht reden!)

Werte Kollegen der AfD, ich lasse es nicht zu, dass Sie sich als die wahren Verfechter der Demokratie ausgeben; denn das sind Sie auf gar keinen Fall.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Ich lasse Ihr Spielchen einfach nicht zu; denn mit Extremismus spielt man nicht.

(Jürgen Braun [AfD]: Sie unterstützen die SED! Wie früher!)

Ich akzeptiere nicht, dass Sie mit Ihrer gefährlichen Rhetorik hier im Herzen unserer Demokratie, in diesem Hause, in diesem Deutschen Bundestag unseren Rechtsstaat bedrohen und ihn zum Narren machen wollen.

(Jürgen Braun [AfD]: Sie sind heute eine Blockpartei, Herr Wendt!)

Seien Sie lieber still, und machen Sie sich nicht noch lächerlicher.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Wir als Große Koalition bekämpfen die Antifa genauso hart wie islamistische Terroristen und natürlich auch die Gefahren von rechts.

(Lachen bei der AfD – Jürgen Braun [AfD]: Wo denn?)

Die AfD – das hat sich heute wieder einmal gezeigt – ist selber das Problem in unserem Land und kann daher nicht der Problemlöser sein.

(Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD])

Ihre Anträge lehnen meine Fraktion und ich deshalb konsequenterweise ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Ulli Nissen [SPD]: Wir auch! – Jürgen Braun [AfD]: Unglaubwürdig und heuchlerisch!)