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Katrin Staffler: "Kinder sind unser schützenwertestes Gut"

Rede zu 30 Jahre UN-Kinderrechtskonvention

Ja, Sie haben Recht! Sie haben Recht, wenn Sie in Ihrem Antrag schreiben, dass die UN-Kinderrechtskonvention das wichtigste internationale Menschrechtsinstrument für Kinder ist. 196 Staaten haben die Konvention unterschrieben, so viele wie keine andere. Das zeigt den besonderen Stellenwert der Konvention. Kinder sind unser schützenwertestes Gut und leider auch das schwächste Glied in unserer Gesell- schaft. Aber genau das hat auch die Bundesregierung erkannt, allen voran unser Bundesentwicklungsminister Gerd Müller. Achtung, Schutz und die Gewährleistung der Menschenrechte – und damit auch die der Kinder und Jugendlichen – sind Leitprinzipien der deutschen Entwicklungspolitik. Das, was Sie in Ihrem Antrag fordern, ist selbstverständlich und auch bereits Teil der deut- schen Entwicklungspolitik.

Dennoch bekommt man angesichts des Leids, welches uns tagtäglich über die Nachrichten erreicht, das Gefühl, dass wir viel mehr tun müssen, damit alle Kinder gut aufwachsen und später ein selbstbestimmtes Leben führen können. Denn jährlich sterben über 5 Millionen Kin- der unter fünf Jahren. Ein Kind, das heute in Syrien seinen neunten Geburtstag feiert, kennt nur Krieg. Jedes fünfte Kind auf dieser Welt lebt in einem Kriegs- oder Konfliktgebiet. Im Jemen brauchen 12 Millionen Kinder humanitäre Hilfe. 35 Millionen Kinder sind auf der Flucht.

Um den Kindern weltweit ein besseres Leben ermöglichen zu können, ist meiner Meinung nach Bildung die wichtigste Voraussetzung. Traurigerweise besuchen weltweit 260 Millionen Kinder keine Schule. Die Gründe da- für sind vielseitig: Entweder können sich die Eltern den Schulbesuch nicht leisten oder die Kinder leben in Kriegs- und Konfliktgebieten. Viel zu viele Kinder müssen stattdessen arbeiten – 150 Millionen Kinder weltweit. Viele davon unter ausbeuterischen Bedingungen. Sicher stimmen Sie mir zu, wenn ich der Ansicht bin, dass im 30. Jahr seit der Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention Kinderarbeit längst der Vergangenheit angehören sollte.

Und wir wissen alle hier, dass Kinderarbeit auch Teil unseres Lebens in Deutschland ist. Denken wir da an die Kakaoplantagen in Afrika oder die Koltanminen im Kongo. Ein Mittel, um die Kinder von diesem Leben zu be- freien, sind faire Lieferketten. Damit könnten wir den Kindern ein Leben ohne Hunger und Not ermöglichen, und dann wäre auch ein Schulbesuch eine echte Option. Wir sollten allerdings nicht ausschließlich darauf achten, ob Kinder zur Schule gehen können, sondern dürfen auch die Qualität des Unterrichts nicht außer Acht lassen. Der Schulbesuch ist die Voraussetzung, die Qualität des Un- terrichts der Schlüssel für eine bessere Zukunft.

Armut und Bildungsarmut sind eng miteinander verknüpft. Denn mangelnde Bildung ist eine der Hauptur- sachen für materielle Verarmung und Ursache für Kinder- arbeit. Ohne Bildung wird Armut häufig von einer Generation auf die nächste übertragen. Um dem entgegenzuwirken wurde im November 2015 der globale Aktionsrahmen „Bildung 2030“ verabschiedet. Er sieht unter anderem vor, dass alle Kinder und Jugendlichen Zugang zu mindestens einem Jahr kostenloser Vorschulbildung und zwölf Jahren kostenloser, öffentlich finanzierter, inklusiver und chancengerechter hochwertiger Grund- und Sekundarschulbildung erhalten. Die Schul- pflicht soll mindestens neun Jahre betragen.

Auch die „Education For All“-Bewegung hat wichtige Fortschritte erzielt: Die Zahl der Kinder, die keine Schule besuchten, hatte stark abgenommen. Mehr Kinder konnten nach der Grundschule auf eine weiterführende Schule wechseln. Und auch die Bildungschancen von Mädchen hatten sich in vielen Ländern verbessert.

Das lässt mich doch positiver in die Zukunft blicken und auch, dass unser Entwicklungsminister Gerd Müller und viele Verbraucher, Unternehmen und große Teile der Zivilgesellschaft das Problem Kinderarbeit erkannt haben und sich immer stärker mit der Frage auseinandersetzen, wo und unter welchen Bedingungen ihre Produkte hergestellt wurden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht wissen Sie es noch nicht, aber das Entwicklungsministerium macht den Kampf gegen Kinderarbeit in diesem Jahr zu ihrem Schwerpunkt. Zudem wurden die Mittel für Bildung seit 2013 mehr als verdoppelt. In Zukunft soll in Bildung ein Viertel des Entwicklungsetats fließen.

Und auch wir haben heute einen Antrag eingebracht, der das Ziel verfolgt, weltweit zum Schutz der Rechte von Kindern beizutragen. In diesem Antrag begrüßen wir die bisherigen Anstrengungen der Bundesregierung im Kampf gegen Kinderarbeit und Initiativen wie zum Bei- spiel den „Grünen Knopf“, die auf die Durchsetzung sozialer und ökologischer Mindeststandards in der Produktion und in Lieferketten hinwirken. Zudem fordert der Antrag die Bundesregierung zum weiteren Einsatz gegen Kinderarbeit auf, unter anderem über Aufklärungskampagnen, Siegel, gegebenenfalls gesetzliche Maßnahmen als Konsequenz der aktuell laufenden Überprüfung von Unternehmensstandards im Rahmen des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte, NAP, sowie über entsprechende Initiativen auf EU-Ebene.

Wie Sie also bemerken, gehen unsere Bemühungen und die des Bundesministers schon in die richtige Richtung. Wir dürfen jetzt aber nicht anhalten in unseren Bemühungen und müssen diese sogar noch intensivieren. Wir müssen in das Wohlergehen und die Grundversorgung der Kinder weltweit investieren und ihre Forderungen ernst nehmen. Wir müssen dafür sorgen, dass Kinder in die Zukunft schauen können und dabei eine bessere Welt, Chancen und auch Hoffnung sehen. Wenn wir das erreichen, dann haben wir die Welt zu einem besseren Ort gemacht.

Vielen Dank.