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Josef Oster: Man kann nicht von einer einheitlichen Sicherheitslage sprechen

Verantwortung anerkennen – Gruppenverfahren zur Aufnahme afghanischer Ortskräfte einführen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In einer komplexen Welt gibt es leider nur selten einfache Lösungen. Der Antrag der Grünen ist aber genau das: der Versuch, ein komplexes Problem mit einer einfachen Antwort wegzuwischen.

In dem Land, das fast doppelt so groß ist wie Deutschland, kann man nicht von einer einheitlichen Sicherheitslage sprechen. Zwischen Kunduz im Norden und Kandahar im Süden, zwischen den westlichen Landesteilen an der iranischen Grenze und den Provinzen an der Grenze zu Pakistan im Osten bestehen gravierende Unterschiede in der Gefährdungssituation.

Es stimmt, dass die Taliban in einigen Gebieten ihren Einfluss wieder ausbauen, für Angst und Gewalt sorgen. Es stimmt aber auch, dass sich in anderen Regionen, auch durch die tatkräftige Unterstützung deutscher Soldatinnen und Soldaten und der Bundespolizei, stabile politische und wirtschaftliche Verhältnisse entwickelt haben.

Aber dieses Engagement wäre nicht auf fruchtbaren Boden gefallen, wenn nicht zahlreiche Afghaninnen und Afghanen die internationalen Kräfte im Kampf um Demokratie und Freiheit unterstützt hätten. Das afghanische Volk bemüht sich unter großem Einsatz, einen Schlussstrich unter das düstere Kapitel seiner Geschichte zu ziehen. Generationen haben nur Krieg und Terror erlebt, von der sowjetischen Besatzung über die terroristische Herrschaft der Taliban bis zum anschließenden internationalen Feldzug gegen die Islamisten. Sie haben deshalb den großen Wunsch, den Wiederaufbau ihres Landes tatkräftig zu unterstützen. Diese Opferbereitschaft kann man nicht genug bewundern und würdigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, wenn man Ihren Antrag weiterdenkt, wozu würde das dann führen? Meine Antwort: Man würde dem Land jegliche Zukunftsperspektiven rauben. Ortskräfte gehören oft zu den gut ausgebildeten Fachkräften des Landes und sind daher für die weitere Entwicklung Afghanistans unverzichtbar. Die Ausreise nach Deutschland erheblich zu erleichtern, hieße, das Land seiner zukünftigen Führungskräfte und Gestalter zu berauben. Es hieße, das zarte Pflänzlein Demokratie zu zerstören. Gerade in der derzeit sensiblen Situation braucht das Land seine klugen Köpfe.

Die Einführung eines pauschalen Gruppenverfahrens, wie es die Grünen fordern, geht also nicht nur an der tatsächlichen Gefährdungslage in Afghanistan vorbei, nein, es sendet auch das völlig falsche Signal an die afghanische Bevölkerung.

Ich möchte noch einmal ganz deutlich betonen, dass auch ich mich nicht gegen den Schutz von mutigen Afghaninnen und Afghanen sperre, die eine individuelle Bedrohung durch die Taliban erfahren. Selbstverständlich hat Deutschland hier die Verantwortung, im Sinne der Sicherheit dieser Menschen, die uns bei unserem Einsatz unterstützt haben, zu handeln. Und das tun wir bereits sehr erfolgreich.