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Ingmar Jung: Wir wollen den echten rechtsmissbräuchlichen Abmahnungen einen Riegel vorschieben

Redebeitrag zur Stärkung des fairen Wettbewerbs

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin froh, dass wir heute hier die zweite und dritte Lesung zu diesem Gesetzentwurf noch haben.

Ich will, weil wir alle die ganze Zeit über „Abmahnmissbrauch“ sprechen – das war auch beim letzten Mal schon so –, vorweg eines klarstellen: Unser System im Lauterkeitsrecht, das wir hier haben, ist so: Wenn sich jemand auf illegale Weise Wettbewerbsvorteile verschafft – durch Schleichwerbung, durch Irreführung, durch illegale Nachahmungen und Ähnliches –, geben wir bewusst gesetzgeberisch dem, der verletzt ist, dem ein Wettbewerbsnachteil widerfährt, mit der Abmahnung ein recht scharfes Schwert in die Hand. Das ist ein System, das Wettbewerbsgleichheit in diesem Bereich wiederherstellt, in einem Verfahren zwischen Wettbewerbern. Daran wollen wir nichts ändern, weil sich das bei uns sehr bewährt hat; das wollen wir auch beibehalten.

Wir wollen nur die Fälle erfassen und sanktionieren, in denen genau dieses Recht ausgenutzt wird. Denn – da darf man sich auch nichts vormachen – es gibt Fälle, in denen Wettbewerbsverstöße oder scheinbare Wettbewerbsverstöße ausgenutzt werden, um in ein Abmahnrecht oder ein scheinbares Abmahnrecht hineinzukommen. Wenn am Ende eine Abmahnung ausgesprochen wird, nicht um einen Wettbewerbsnachteil auszugleichen, sondern nur deshalb, um bestimmte Kosten zu generieren – weil man dort ein Geschäftsmodell entwickelt hat –, dann ist der Sinn des Lauterkeitsrechts auf den Kopf gestellt; denn dann wird der zu Unrecht Abgemahnte am Ende einem Wettbewerbsnachteil ausgesetzt. Genau das soll das Lauterkeitsrecht gerade nicht herstellen. Deswegen wollen wir diesen echten rechtsmissbräuchlichen Abmahnungen einen Riegel vorschieben. Ich denke, das gelingt mit diesem Gesetz, und ich bin froh, dass wir das noch zum Abschluss bringen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich auf ein paar Punkte eingehen, über die wir durchaus länger diskutiert haben. Natürlich ist die Abgrenzung zwischen diesen beiden Fällen, die ich eben geschildert habe, gar nicht so unmittelbar leicht zu treffen. Deswegen haben wir versucht, uns auch vorzustellen: Wo passiert denn dieser Rechtsmissbrauch am meisten? Nach der Sachverständigenanhörung mussten wir – gemeinsam, glaube ich – feststellen: Die größte Gefahr besteht doch dann, wenn jemand, der diesen Missbrauch vorhat, möglicherweise kleine Verstöße gegen Wettbewerbsrechte in einer Vielzahl geltend machen kann. Das passiert üblicherweise bei Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Rechtsverkehr, also im Internet.

Genau für diese Fälle schaffen wir jetzt das ab, was der große Anreiz ist, nämlich der sogenannte Aufwendungsersatzanspruch, also die teilweise recht hohen Anwaltskosten. Die sind im Einzelfall bei Abmahnungen gerechtfertigt; das ist gar keine Frage. Wenn es aber eine Vielzahl von Abmahnungen betrifft, dann entsteht eine Höhe, die am Ende rechtsmissbräuchlich werden kann. Die Verstöße können weiterhin geltend gemacht werden. Aber den Anreiz über diesen hohen Aufwendungsersatz schaffen wir jetzt ab. Deswegen glaube ich, dass wir die richtige Trennlinie dort gezogen haben.

Ich weiß, Frau Kollegin Rottmann, Sie haben bedeutende Dinge dagegengesetzt. Wir werden uns dann mal unterhalten, vielleicht wenn das Gesetz in Kraft ist. Aber ich glaube, wir haben genau die richtige Trennlinie gezogen, um hier Missbrauch von gerechtfertigter Geltendmachung von Abmahnungen zu trennen. Ich glaube, das ist der richtige Weg.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich vielleicht noch zwei, drei Sachen sagen, die sich geändert haben. Wir haben hier bei der ersten Lesung gestanden – die ist schon ein bisschen her – und haben von unserer Fraktion aus durchaus damals schon gesagt: Es gibt den einen oder anderen Punkt, bei dem wir noch einmal hinschauen müssen und vielleicht auch etwas ändern müssen. Das haben wir nach der Sachverständigenanhörung jetzt auch gemacht.

Wir haben zum einen bei den Wirtschaftsverbänden den Grad der Betroffenheit noch ein Stück weit erhöht, dass dort auch nur der eine Abmahnung geltend machen kann, der tatsächlich berechtigt ist, dessen Mitglieder tatsächlich in kritischer Weise betroffen sind. Wir haben die Innungsverbände, die üblicherweise privatrechtlich organisiert sind, noch in den Kreis der Abmahnberechtigten aufgenommen; ich glaube, da waren wir uns am Ende auch sehr einig.

Und wir haben beim fliegenden Gerichtsstand in der Tat eine Änderung vorgenommen. Da – gebe ich zu – bin auch ich im Rahmen der Anhörung schlauer geworden. Ich war am Anfang auch der Auffassung, dass man den fliegenden Gerichtsstand für diese Fälle ganz abschaffen könnte. Aber ich habe mich von denen, die praktisch sehr viel damit arbeiten, durchaus überzeugen lassen, dass es viele Fälle gibt – bei großen wettbewerbsrechtlichen Verstößen, bei Unternehmen, die typischerweise damit zu tun haben –, dass sogar beide Seiten ein Interesse daran haben können, vor ein fachlich spezialisiertes Gericht zu kommen.

(Beifall des Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU])

Deswegen glaube ich, dass wir für diese Fälle es richtig gemacht haben, dort den fliegenden Gerichtsstand nicht abzuschaffen.

Aber die Fälle, von denen wir eben gesprochen haben, die Informations- und Kennzeichnungspflichten, das, was typischerweise, vielfach im Internet passiert, da wollen wir eben dem, der nur darauf aus ist, Aufwendungsersatzansprüche, möglicherweise Vertragsstrafen auszulösen, das Abmahnrecht zu missbrauchen, nicht mehr die Möglichkeit geben, ein Gericht sich auszusuchen, das möglicherweise einmal anders entschieden hat als viele andere, und somit das Recht wieder zu missbrauchen. Deswegen glaube ich, dass wir auch da genau die richtige Trennlinie gefunden haben: den fliegenden Gerichtsstand dort erhalten, wo es Sinn macht, aber dort nicht erhalten, wo der Missbrauch stattfindet.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Letztlich haben wir noch zwei Dinge gemacht: Wir haben die Fallgruppen konkretisiert, bei denen wir Abmahnungen für missbräuchlich halten. Der Vorschlag kam ursprünglich einmal von den Grünen – nicht von der AfD, wie wir eben gehört haben. Beides hat uns aber nicht alleine veranlasst, darüber nachzudenken, sondern vielmehr das, was wir in der Sachverständigenanhörung gehört haben.

Wenn ich jetzt noch Zeit hätte, würde ich Ihnen etwas zur Reparaturklausel erzählen. Die Zeit habe ich aber nicht, und da es heute eh lange genug dauert, will ich nicht überziehen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)