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Ingmar Jung: Wir haben hier einen Konflikt verschiedener Grundrechte

Rede zur geforderten Aufhebung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will zunächst einmal sagen: Wir sprechen hier über ein Thema, das unheimlich emotional diskutiert wird, das teilweise missbraucht wird, das auch zu Polemisierung führt, was der Sache nicht gerecht wird. Ich will Ihnen mal für meine Fraktion sagen: Glauben Sie nicht, dass wir uns solche Fragen leichtmachen. Wir tun uns sehr schwer damit, weil wir uns in einem ethisch und moralisch sehr schwierigen Bereich befinden.

(Zuruf der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Ich möchte ein Zweites konkret feststellen, auch weil das jetzt mehrmals anklang: Dass eine Frau, die in einer solchen Konfliktsituation steckt, jedes Recht auf Information hat, auch auf die Information, wer in ihrer Nähe einen Abbruch durchführen kann, das ist doch völlig unstreitig. Das sehen auch wir in der CDU so, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

So schlecht, wie Sie es reden, ist es heute nicht. Ich weiß auch nicht, ob es unbedingt besser wird, wenn ich mich durch verschiedene Homepages von Ärztinnen und Ärzten klicken muss, statt auf einer gemeinsamen Liste die Information finden zu können, wer das macht.

(Zuruf der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie können das überprüfen – ich nehme einmal das Beispiel Berlin, weil wir uns hier befinden –: In Berlin können Sie auf der Internetseite der Senatsverwaltung über einen Reiter ganz einfach eine Liste abrufen und schauen, wer sich wo befindet; Sie können es sogar auf Google Maps anschauen. Wir haben es an ein paar Beispielen getestet: Jeder findet eine Adresse, die nicht weiter als 400 Meter von zu Hause entfernt ist. Das ist ein Beispiel dafür, dass es wunderbar funktioniert.

Ich gebe zu: Es gibt Beispiele dafür – das wissen wir auch aus der Anhörung; das wurde uns berichtet –, dass es Frauen nicht so leicht gefallen ist, an solch eine Liste zu kommen. Da sind wir uns völlig einig: Das müssen wir verbessern. Nur, warum man daraus den Schluss ziehen soll, das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche zu streichen, das leuchtet mir an der Stelle in keiner Weise ein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eins kommt mir in dieser Debatte wirklich zu kurz: Das Selbstbestimmungsrecht auch der betroffenen Frau ist an dieser Stelle ein unglaublich hohes Gut. Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Aber wir haben jetzt mehrmals gehört, Frauenrechte seien unteilbar und seien nicht einschränkbar. Wir haben hier einen Konflikt verschiedener Grundrechte. Auf der einen Seite gibt es das Abwehrrecht der Frau auf Selbstbestimmung; auf der anderen Seite gibt es auch – das ist verfassungsrechtlich verankert – eine staatliche Schutzpflicht für das ungeborene Leben. Das dürfen wir an der Stelle nicht außer Acht lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Deshalb haben wir ein Gesamtkonzept, in dem dieser Schutz eben nicht nur in § 218, sondern auch in den folgenden Paragrafen gewährleistet wird. Dazu gehört auch § 219a, der die unabhängige Beratung gewährleisten soll, der dafür sorgen soll, dass nicht die, die kommerziell daran verdienen, am Ende die Beratung durchführen und die Werbung machen. Diesen Paragrafen müssen wir an dieser Stelle aus meiner Sicht so erhalten, und die Informationsmöglichkeiten muss man irgendwo anders suchen.

Ich habe jetzt schon ein paarmal gehört, dass das Urteil in Gießen, auch das zweitinstanzliche Urteil, der Beweis für die Verfassungswidrigkeit ist. Die Juristen, die vor mir gesprochen haben, wissen, glaube ich, alle: Wenn ein Gericht eine Norm für verfassungswidrig hält, dann wird sie dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Das hat in Gießen niemand gemacht,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

und das hat auch jetzt keiner gemacht. Daher muss man davon ausgehen, dass diese Norm nicht verfassungswidrig ist.

Wissen Sie, Frau Högl: Wir kommen mit der Gewaltenteilung eigentlich ganz gut zurecht.

(Dr. Eva Högl [SPD]: Deswegen sind wir jetzt gefordert!)

Wenn dann ein Richter in seiner Begründung versucht, Politik zu machen, nicht bloß eine Norm anwendet – das hat er nämlich vorher gemacht – und dann sagt, welche Gesetzgebung er von uns gerne hätte, dann zeigt sich, dass er an der Stelle dafür nicht zuständig ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD – Dr. Eva Högl [SPD]: Wir sind zuständig!)

Die Diskussion gehört hier in den Deutschen Bundestag und nirgendwo anders hin.

Ich rate uns allen gemeinsam, in der weiteren Diskussion ein bisschen verbal abzurüsten, uns hier nicht ständig gegenseitig Dinge zu unterstellen, die an keiner Stelle wahr sind. Wenn wir dann gemeinsam eine Regelung und eine Verbesserungsmöglichkeit finden, wie wir für Frauen in Konfliktsituationen echte und gute Informationen bekommen, und wenn wir dann vielleicht einfach mal gemeinsam diskutieren, an welcher Stelle die Rechtsetzung richtig wäre, dann kommen wir vielleicht zu einem vernünftigen Ergebnis.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)