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Ingmar Jung: Die Werte der Europäischen Union dürfen nicht symbolisch mit Füßen getreten werden

Rede zur Änderung des Änderung des Strafgesetzbuches – Strafrechtlicher Schutz bei Verunglimpfung der Europäischen Union und ihr

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir als CDU/CSU-Fraktion unterstützen diesen Gesetzentwurf, weil wir es nicht hinnehmen wollen, dass Gruppierungen, die sich Parteien nennen, einen Marsch über die Flagge der Europäischen Union veranstalten und damit die Werte der Europäischen Union symbolisch mit Füßen treten. Und wir wollen es nicht hinnehmen, dass Flaggen anderer Staaten, insbesondere die Flagge des Staates Israel, in Deutschland verbrannt werden, ohne dass wir dem strafrechtlich begegnen können. Deswegen halten wir den vorliegenden Gesetzentwurf im Grundsatz für absolut richtig und unterstützenswert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich auf die beiden Punkte noch im Einzelnen eingehen:

Der erste Punkt: die Einführung des § 90c StGB, das Unter-Strafe-Stellen der Verunglimpfung der Flagge, der Symbole der Europäischen Union. Übrigens: Der Tatbestand des Verunglimpfens ist – anders als wir es eben gehört haben – nicht dann erfüllt, wenn jemand Kritik an der EU übt.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, eben! Genau!)

Das ist im Rahmen unseres Pluralismus, unserer Meinungsfreiheit erwünscht, das kann jeder tun, das zeichnet uns gerade aus, und das ist einer der Werte, die auch durch diese Flagge verkörpert werden. Der Tatbestand des Verunglimpfens ist dann erfüllt – das hätte man auch in der Anhörung im Rechtsausschuss erfahren können –, wenn man grundsätzlich das infrage stellt, was das Zusammenleben in unserer staatlichen Gemeinschaft und dann auch in der Europäischen Union ausmacht. Frieden, Freiheit, Zusammenleben und Solidarität in Europa – das sind die Werte, die wir für schutzwürdig halten.

(Fabian Jacobi [AfD]: Das hat aber nichts mit der Flagge der EU zu tun! Gar nichts!)

Deshalb finden wir es auch richtig, dass wir es unter Strafe stellen, wenn die Symbole der Europäischen Union und damit die dahinterstehenden Werte verunglimpft werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich höre die Zwischenrufe von der AfD. Herr Jacobi, glauben Sie mir: Wir haben uns diesen Änderungsantrag der AfD angesehen, auch wenn es manchmal schwerfällt.

(Fabian Jacobi [AfD]: Da müssen Sie durch!)

Aber dass ausgerechnet Sie sich jetzt auf Meinungsfreiheit berufen! Wissen Sie, es geht hier um die Werte, um die Grundfreiheiten der Europäischen Union, unter anderem um die Meinungsfreiheit, die garantiert, dass man hier alles vertreten darf, dass man sich hier an dieses Pult stellen darf und solche Reden halten darf, wie Sie es gerade getan haben.

(Fabian Jacobi [AfD]: Ich bin gerührt, dass Sie mir das zugestehen! Ich bin gerührt! Wirklich!)

Und dass Sie behaupten, wenn wir diese Werte schützten, beschränkten wir die Meinungsfreiheit, ist wirklich geradezu absurd. Das muss man wirklich sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Fabian Jacobi [AfD]: Studieren Sie einfach die Rechtsprechung zu § 90a! Dann lernen Sie noch was!)

Der zweite Punkt: das Unter-Strafe-Stellen des Beschädigens und Zerstörens ausländischer Flaggen. Übrigens wird nicht nur verschämt angedeutet: Ja, der Anlass war das, was letztes Jahr mit der israelischen Flagge passiert ist. Das braucht hier niemand zu verschweigen. Das war der Anlass. Deswegen ist es auch richtig, dass wir dieses Gesetzgebungsverfahren in Gang gesetzt haben.

Da sage ich auch ganz offen: Dass ausgerechnet in Berlin, in der Nähe des Reichstags, vor dem Brandenburger Tor – Herr Fechner hat es angedeutet –, nach 75 Jahren die Flagge des Staates Israel verbrannt werden kann, ohne dass da strafrechtlich reagiert werden kann, ist schlicht und ergreifend nicht hinzunehmen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Fabian Jacobi [AfD]: So ist das!)

Deswegen ist auch das Strafrecht das richtige Mittel und nicht das Ordnungswidrigkeitenrecht.

Man muss es doch einfach mal sehen: Ich bin zwar immer dagegen, auf einzelne Ereignisse mit Mitteln des Strafrechts zu reagieren; aber man kann nicht leugnen, dass der zunehmende Antisemitismus, auch das zunehmende Infragestellen des Staates Israel, ein Phänomen ist, das in Deutschland in den letzten Jahren größer geworden ist. Deswegen ist es auch richtig, an der Stelle als Staat zu reagieren.

Ich weiß nicht, ob Sie das kennen – ich habe das neulich gesehen –: Eine große Tageszeitung hat ein Experiment gemacht, hat die israelische Flagge an verschiedenen Orten Deutschlands aufgehängt und hat mal geschaut, was damit passiert. Kaum länger als zwei Stunden ist sie hängen geblieben, egal wo – an unterschiedlichen Orten in Deutschland. Ich will jetzt nicht sagen, wo sie am kürzesten hing. Sonst klänge es so, als wollte man damit eine bestimmte Aussage treffen. Aber teilweise passierte es, dass innerhalb einer Stunde die Flagge abgehängt wurde und diejenigen, die sie abgehängt haben, sich selbst dabei filmten, wie sie versuchten, die Flagge anzuzünden. Das passierte vielfach. Deshalb ist das ein Phänomen, das man ernst nehmen muss. Deshalb ist es auch richtig, dass wir an der Stelle auch strafrechtlich reagieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich vielleicht noch etwas zu unserem Änderungsantrag im Anschluss sagen, weil er zeigt, dass die Anhörung, die wir durchgeführt haben, sinnvoll war. Wir nehmen beim § 104 StGB an zwei Stellen Korrekturen vor. Zum einen haben die Sachverständigen uns darauf hingewiesen, dass wir einen gewissen Wertungswiderspruch hätten haben können, wenn möglicherweise derselbe Beschädigungsakt bei einer ausländischen Flagge in einer bestimmten Situation hätte strafbar sein können, aber bei der deutschen Flagge nicht, weil dort immer das Verunglimpfen erforderlich ist. Bei ausländischen Flaggen war das nicht unmittelbar im objektiven Strafbestand enthalten. Deshalb fügen wir jetzt noch das Tatbestandsmerkmal „… und dadurch verunglimpft“ ein, damit dieser Widerspruch nicht entsteht.

Zum anderen haben wir uns mit dem Problem auseinandergesetzt, wann denn überhaupt eine Darstellung zu einer Flagge wird. Wir hatten das Beispiel eines weißen Blatts Papier mit zwei roten Streifen drauf. Die Frage war, ob das die Flagge der Republik Österreich ist. Das ist jetzt dadurch gelöst, dass wir ausdrücklich klarstellen, dass hier nur die echten Flaggen und die, die ihnen zum Verwechseln ähnlich aussehen, gemeint sind.

Insofern sieht man, dass das parlamentarische Verfahren eine sehr gute Funktion hat, eine Anhörung Sinn macht und der Gesetzentwurf dadurch noch besser wurde. Jetzt würde ich mich freuen, wenn Sie alle einfach zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)