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Georg Eisenreich, Staatsminister (Bayern): Unser Rechtsstaat muss wehrhaft sein

Rede zum Thema "Rechtsterrorismus und Hasskriminalität"

Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Hass und Hetze haben in der Zwischenzeit ein erschreckendes Ausmaß angenommen. Insbesondere im Internet braut sich etwas zusammen, was eine echte Gefahr für unsere Demokratie darstellt. Geistige Brandstifter, Demagogen und Mitläufer machen gemeinsam Stimmung gegen Minderheiten, gegen Andersdenkende, gegen Politiker und gegen unsere Demokratie. Deswegen muss unser Rechtsstaat wehrhaft sein. Er muss hinschauen, und er muss durchgreifen.

Ich freue mich, dass der Konsens unter den demokratischen Parteien hier so groß ist. Hass im Netz vergiftet das gesellschaftliche Klima und unterdrückt die Meinungsfreiheit anderer. Ich will das klar sagen: Wer strafbaren Hass bekämpft, schränkt die Meinungsfreiheit nicht ein; er schützt sie.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Für mich ist die Bekämpfung von Hass zugleich Extremismusbekämpfung. Die Länder können hier bei der Strafverfolgung viel tun. In Bayern machen wir vieles: Wir haben zum Beispiel die Ermittlungsstrukturen optimiert. Wir haben bei allen Staatsanwaltschaften spezialisierte Sonderdezernate zur Bekämpfung von Hass eingerichtet. Ich habe zudem einen Hate-Speech-Beauftragten bei der Generalstaatsanwaltschaft ernannt. Und: In Bayern ist die Strafverfolgung im öffentlichen Interesse – das ist bereits angeordnet worden –; denn wir wollen Hasskriminalität mit Nachdruck verfolgen.

Für gute Strafverfolgung brauchen wir allerdings auch gute Rahmenbedingungen. Ich begrüße daher ausdrücklich, dass der Bundesgesetzgeber jetzt handelt. Heute liegt ein sehr guter Gesetzentwurf vor, der Entschlossenheit zeigt. Herzlichen Dank dafür!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ein Thema ist unserem Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder und mir persönlich besonders wichtig: Es ist unsere Verantwortung, den Judenhass an den Rändern, aber auch in der Mitte unserer Gesellschaft und auch unter den zu uns Geflüchteten zu erkennen, zu benennen und zu bekämpfen. Es ist daher unser Ziel, dass antisemitische Straftaten härter bestraft werden. Eine antisemitische Motivation des Täters wird nun im Gesetz ausdrücklich als strafschärfend genannt. Das ist nicht nur ein klares Signal gegen Judenfeindlichkeit und Ausgrenzung. Ich bin mir sicher: Diese Wertung des Gesetzgebers wird auch zu härteren Strafen führen. Ich freue mich, dass die Bundesregierung den bayerischen Vorschlag, der im Bundesrat einstimmig beschlossen worden ist, in den Gesetzentwurf aufgenommen hat.

Es ist auch gut und richtig, dass der Gesetzentwurf das Beleidigungsstrafrecht nachschärft. Insbesondere die Beleidigungen im Internet müssen dabei im Fokus sein, und der Strafrahmen muss angehoben werden. Ich fordere das schon länger. Denn in der Anonymität des Netzes sind Beleidigungen oft viel enthemmter.

Nach meiner Überzeugung wäre aber statt punktueller Änderungen eine umfassende Modernisierung des Beleidigungsstrafrechts notwendig. Zum Beispiel müssen auch Fälle von Hasskriminalität – Beleidigungen von Politikern, die ja auch einen Angriff auf unsere Demokratie darstellen, Cybermobbing – besser erfasst und auch härter geahndet werden können. Ich habe dazu letztes Jahr einen Diskussionsentwurf vorgelegt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich bedanke mich bei den Abgeordneten Frei und Luczak und der CSU-Landesgruppe, dass sie diesen Diskussionsentwurf unterstützen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie in Ihren Beratungen diese Vorschläge berücksichtigen könnten.

In der Praxis läuft die Zusammenarbeit zwischen unseren Ermittlern und den Plattformen, den sozialen Netzwerken, unbefriedigend; das muss ich leider klar sagen. Teilweise werden die Anfragen verspätet, teilweise gar nicht, teilweise unvollständig beantwortet. Das muss sich ändern; denn wir wollen Hasskriminalität bekämpfen, und dazu brauchen wir die Urheber.

Die Änderungen im Telemediengesetz sind gut. Offen bleibt aber: Was ist, wenn der Firmensitz oder die Server im Ausland sind? Ich habe dazu eine klare Haltung – eine alte Forderung von mir –: Auskunftsverlangen der Staatsanwaltschaften müssen ohne Wenn und Aber beantwortet werden, egal wo der Firmensitz ist und egal wo die Server stehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dazu sollten wir zum Beispiel das Marktortprinzip einführen.

Die sozialen Medien müssen ihrer Verantwortung noch stärker gerecht werden. Wir brauchen hier eine höhere Kooperationsbereitschaft. Die sozialen Medien verdienen viel Geld – sehr viel Geld –; das ist auch in Ordnung, sofern die Folgen, die Kosten, die Probleme nicht hauptsächlich Staat und Gesellschaft tragen müssen. Was nicht geht, ist, dass Gewinne privatisiert, aber Probleme für Demokratie und Rechtsstaat sozialisiert werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb möchte ich die Bundesregierung bitten, über diesen sehr guten Gesetzentwurf hinaus die sozialen Medien noch viel stärker in die Pflicht zu nehmen.

Zum Abschluss noch mal herzlichen Dank für diesen wirklich hervorragenden Gesetzentwurf und den breiten Konsens, der hier im Hohen Haus besteht. Wir müssen gegen Extremismus und Hasskriminalität entschlossen vorgehen, und wir müssen dabei gemeinsam handeln.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)