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Elisabeth Winkelmeier-Becker: Wir müssen uns die verschiedenen Konstellationen genauer anschauen und vergleichen

Rede zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist 1 Uhr. Man könnte sagen, es ist ziemlich spät. Aber vielleicht ist das der beste Zeitpunkt, um über unser heutiges Thema zu sprechen. Denn es hat etwas mit Geheimnissen zu tun. Dazu passen die leeren Ränge hier vielleicht ganz gut.

(Stephan Brandner [AfD]: Erzählen Sie Ihre Geheimnisse, Frau Winkelmeier!)

– Darauf können Sie lange warten, und da können Sie auch spitzeln, so viel Sie wollen. Ich würde sagen, das ist nicht nur eine Spezialität der Linken, sondern historisch gesehen gerade eine Spezialität von Rechten. Von daher sollten Sie da ganz schön vorsichtig sein, wem Sie Spitzelei vorwerfen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD)

– Ja, von allen totalitären Systemen. Sie sollten mal in die Historie zurückschauen und sehen, in welche Linie Sie sich da einreihen.

Wir haben ein neues Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, ein neues Stammgesetz, in dem auch Regeln des bisherigen UWG aufgehen. Vieles wird neu definiert bzw. standardisiert; es gibt Definitionen von Geschäftsgeheimnissen. Was ist zulässig, um an ein Geschäftsgeheimnis heranzukommen? Welche Maßnahmen gibt es, wenn Geschäftsgeheimnisse unbefugt verraten werden? Das reicht vom Rückruf über die Strafvorschriften bis hin zum Schadensersatz und dergleichen und auch zu besonderen Vorschriften im Zivilprozess.

Ein Blick auf diese Regeln zeigt, welches Bild dahintersteht. Da ist der innovative Unternehmer, der in Technik investiert und etwas entwickelt, der ein geheimes Rezept hat oder eine Kampagne plant, und auf der anderen Seite jemand, der das zum eigenen Nutzen verrät. Das ist das Bild, das dahintersteht, und ich glaube, es ist auch ganz klar, dass es sinnvoll ist, diese Richtlinie zu schaffen und europaweit ins Werk zu setzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In der öffentlichen Diskussion geht es vornehmlich um einen anderen Fall. Da hat man eine ganz andere Situation vor Augen; da geht es um die Ausnahmen. Da hat man den Journalisten vor Augen, der investigativ tätig ist, oder den Mitarbeiter, der mitbekommt, dass es einen Missstand gibt oder vielleicht sogar eine Gefahr für andere droht. Dabei geht es um die Frage, wie weit diese Ausnahme reicht.

Es gibt Bedenken der Journalisten, die sich ausgebremst fühlen. Das werden wir sicherlich prüfen. Denn die Richtlinie sagt ganz klar, dass der Schutz von Journalisten wie auch von Arbeitnehmern nicht gefährdet sein soll. Wenn wir an Fälle wie Gammelfleisch, Pflegeskandal oder Steuerbetrug denken, dann macht das auch Sinn.

Aber wir haben noch eine dritte Konstellation, und zwar zum einen den Unternehmer, der sich rechtmäßig verhält, und zum anderen jemanden, dem trotzdem etwas nicht gefällt, der andere Maßstäbe hat und dem etwas gegen den Strich geht. Da ist die Frage, ob das unter die Ausnahmen fällt und inwieweit wir das letztendlich mittragen und inwieweit das unseren Prüfungen standhält.

Denn die Ausnahmen, die im Gesetz vorgesehen sind, gehen sehr, sehr weit. Da reicht schon das allgemeine öffentliche Interesse oder die Aufdeckung eines sonstigen Fehlverhaltens. Da müssen wir genau hinsehen: Gehören dazu auch moralische Verfehlungen? Oder reicht es zum Beispiel, wenn ein Arbeitgeber viele geringfügig Beschäftigte hat und jemand anders sagt: „Es ist nicht in Ordnung, auf diese Art und Weise Sozialabgaben zu sparen“? Reicht es, wenn Arbeitnehmer zum Beispiel im Ausland nicht nach sozialen Standards und Umweltstandards arbeiten, die bei uns selbstverständlich wären? Reicht das, um etwas zu verraten und damit möglicherweise Schaden anzurichten? Genügt die Offenlegung eines Geheimnisses nach der Charta der Grundrechte? Die hat auch nicht immer jeder neben sich auf dem Schreibtisch liegen, geschweige denn den Kommentar dazu. Ich glaube, es wird noch auf uns zukommen, das deutlich zu konkretisieren und fassbarer zu machen, also die etwas abstrakte Sprache der Richtlinie zu übersetzen.

Ein weiterer wichtiger Punkt: Mit Blick auf die Rechtsfolgen ist auffällig, dass in der Richtlinie davon die Rede ist, dass die Ausnahmen gelten, auch wenn ein Antrag auf die in der Richtlinie genannten Maßnahmen abgelehnt werden soll. Was das Gesetz aber daraus macht, ist etwas anderes. Unser Gesetzentwurf schlägt vor, dass unter der Annahme dieser Ausnahmen das Verraten eines Geheimnisses gerechtfertigt sein soll. Das geht weit über das hinaus, was in der Richtlinie vorgesehen ist. Das würde für die gesamte Rechtsordnung gelten, und das müssen wir uns noch einmal sehr genau anschauen. Ich denke, dass wir auch da zu Konkretisierungen und auch zu Einschränkungen kommen müssen. Denn dass jede weitreichende Schädigung nur deshalb gerechtfertigt sein soll, weil jemand etwas mit guter Absicht verraten hat, dürfte wohl über das Ziel hinausschießen.

Diese verschiedenen Konstellationen müssen wir uns genauer anschauen und vergleichen. Ich glaube, da werden wir noch einiges diskutieren und prüfen müssen, aber dann zu einem guten Ergebnis kommen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)