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Elisabeth Motschmann: Wir müssen sofort und tatkräftig zupacken und helfen

Redebeitrag zu Konsequenzen aus dem Brand in Moria

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Außenminister von Österreich, Alexander Schallenberg, hat gefordert, dass wir die Debatte um Moria deemotionalisieren. Genau das aber ist falsch.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich werde diese Debatte emotionalisieren, aber anders als Sie, Herr Curio. Sie haben emotional vorgetragen, aber eine eiskalte emotionslose Rede gehalten.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Emotionslose Politik ist niemals gute Politik. Wir müssen Politik mit Kopf und Herz machen. „Man sieht nur mit dem Herzen gut“, heißt es im „kleinen Prinzen“ von Antoine de Saint-Exupéry.

Was sehen wir denn? In dritter Nacht in Folge kampieren Menschen am Straßenrad, in den Wäldern, ja sogar auf einem Friedhof, ohne ein Dach über dem Kopf, ohne Lebensmittel, ohne Trinkwasser, ohne sanitäre Anlagen, teilweise ohne Decken und ohne medizinische Versorgung. Das ist nackte Not, meine Damen und Herren, und die müssen wir lindern.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es war schon vor dem Brand katastrophal. Man glaubte, es gäbe keine Steigerung des Elends. Die jetzige Situation ist eine Steigerung des Elends. Deshalb habe ich den Brief von Norbert Röttgen unterschrieben, in dem wir fordern, dass als einmalige Nothilfe 5 000 Flüchtlinge aufgenommen werden. Dies war mit niemandem und keinem Gremium abgestimmt; das ist wahr. Meine Unterschrift habe ich allein mit meinem Gewissen und meinem Herzen abgestimmt.

Natürlich verstehe ich die Innenpolitiker, die Sorge haben, dass es ein Geschäftsmodell werden könnte, ein Camp abzufackeln, um dadurch eine Fahrkarte nach Deutschland, Frankreich oder in ein anderes EU-Land zu bekommen.

(Zuruf von der AfD)

Dass es zum Missbrauch der Situation kommen könnte, ist aber eine Vermutung. Ich trete mit 12 000 obdachlosen Flüchtlingen an, die auf der Straße liegen; das ist ein Fakt.

In diesem extremen Notfall brauchen wir eine einmalige Hilfe für die notleidenden Menschen. Die Verfassung der Europäischen Union gründet sich auf Werte wie Achtung der Menschenwürde und Wahrung der Menschenrechte. Diese Werte müssen wir ernst nehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Es ist richtig, vor Ort zu helfen. Aber das dauert. Es ist richtig, eine europäische Lösung zu suchen. Aber auch das dauert. Wir haben es in der Vergangenheit gesehen: Es waren und sind immer nur wenige Staaten, die ihrer Verantwortung gerecht geworden sind. In dieser Situation aber müssen wir nicht erst fragen, sondern wir müssen sofort und tatkräftig zupacken und helfen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen die Reihenfolge ändern. Alles, was geschieht und was der Innenminister hier vorgetragen hat, ist ja richtig. Aber die Reihenfolge kann in dieser Situation nur sein: erst tatkräftige Hilfe und dann die Gremien, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Bisher gibt es eben keine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik – leider. Deshalb müssen wir jetzt die offensichtliche menschliche Not lindern. Deutschland ist stark, Deutschland kann helfen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Zuruf von der AfD)

Ich schließe mit der Präambel unseres Grundgesetzes, die mit den Worten beginnt: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen …“. Mir werden Sie es vielleicht abnehmen, weil es nicht das erste Mal ist, dass ich daran erinnere: In dieser Situation müssen wir uns von diesem Bewusstsein leiten lassen und aus christlicher Verantwortung jetzt handeln.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)