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Dr. Volker Ullrich: Wir haben einen starken Rechtsstaat, wir haben eine unabhängige Justiz

Rede zur Entpolitisierung der Justiz und Sicherheitsbehörden

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Titel der Vorlage der AfD lautet: „Entwurf eines Gesetzes zur Entpolitisierung der Justiz und Sicherheitsbehörden“. Ein entlarvender Satz

(Stephan Brandner [AfD]: Oh nein! Nicht schon wieder!)

findet sich auf Seite 8 des Gesetzentwurfs. Dort steht geschrieben – ich zitiere –:

Wesentlicher Inhalt des Entwurfs ist die Beseitigung der Wahl … durch Politiker …

„Beseitigung der Wahl“ – treffender könnte man Ihre Absichten nicht auf den Punkt bringen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: „Durch Politiker“! Mann! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wenn man Deutsch nicht vernünftig schreiben kann!)

Es geht Ihnen darum, den Rechtsstaat und die parlamentarische Demokratie zu diskreditieren.

(Lachen des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD] – Dr. Alexander Gauland [AfD]: So ein Unsinn! – Stephan Brandner [AfD]: Das schaffen Sie ganz allein, Herr Ullrich! Das schaffen Sie ganz allein!)

Wenn ich mir ansehe, was Mitglieder Ihrer Fraktion zu den Themen Rechtsstaat und Justiz allein in den letzten Monaten gesagt haben, dann wird dieses Bild dadurch untermauert: Beatrix von Storch am 13. März 2018 auf Twitter zu einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Hannover – ich zitiere –:

Diesen Richter sollten wir gleich mit abschieben. Mindestens Berufsverbot. Oder ist der ein Fall für betreutes Wohnen?

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)

Oder Frank Pasemann am 10. Juli 2018 auf Twitter zum Thema NSU-Prozess; er spricht von einem – ich zitiere – „Schauprozess“.

Oder der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, Stephan Brandner,

(Stephan Brandner [AfD]: Das bin ja ich!)

am 22. November auf Twitter, zur Wahl des Kollegen Stephan Harbarth

(Zuruf von der AfD: Ganz schwach!)

ans Bundesverfassungsgericht – ich zitiere –: „Anschlag auf den Rechtsstaat“.

(Stephan Brandner [AfD]: Genau das war es, Herr Ullrich! Nicht weit von einem Skandal entfernt!)

Meine Damen und Herren, das sind besorgniserregende und bittere Zitate. Ich sage Ihnen: Es geht nicht um eine „Entpolitisierung“ der Justiz, sondern es geht darum, dass Sie sich endlich klar und deutlich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zum Rechtsstaat bekennen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Da haben Sie Nachholbedarf, meine Damen und Herren.

Wenn man sich ansieht, in welche Richtung Sie wollen, dann wird klar und deutlich, dass Sie das System einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht verstanden haben und nicht verstehen wollen.

(Thomas Ehrhorn [AfD]: Das müssen gerade Sie sagen! – Stephan Brandner [AfD]: Erklären Sie es uns!)

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts werden durch den Bundestag in geheimer Wahl mit der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages gewählt, mindestens mit Kanzlermehrheit.

(Stephan Brandner [AfD]: Vorher von den Fraktionsspitzen ausgemauschelt! Nichts anderes ist es!)

Ich glaube, eine stärkere demokratische Legitimation hat dieses Haus gar nicht,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zuruf von der AfD: Nein!)

als dass in geheimer Wahl in Wahlkabinen ein Richter des Bundesverfassungsgerichts gewählt wird.

Was wollen Sie dagegen? Sie wollen, dass die Richter des Bundesverfassungsgerichts – eines Verfassungsorgans, das höchstes Vertrauen in der Bevölkerung genießt – zukünftig durch einen Richterwahlausschuss von nur zwölf Mitgliedern gewählt werden, der selber nur aus Richtern und Staatsanwälten besteht. Meine Damen und Herren, das ist nicht demokratisch, das ist eigentlich eine Idee des Ständestaates, das ist vordemokratisch,

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

und das passt nicht zur freiheitlichen Ordnung des Grundgesetzes.

Im Übrigen: Ihr Antrag atmet den Geist, dass Sie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nicht in dem Maße würdigen, wie es eigentlich für Angehörige eines anderen Verfassungsorganes angemessen wäre. Ihr Antrag negiert auch, dass die Justiz in Deutschland nicht eine Organisation ist, die man mit Misstrauen und mit Häme überschütten sollte. Stattdessen sollten wir uns einmal klar und deutlich zu unseren Sicherheitsbehörden und zur Justiz bekennen.

(Stephan Brandner [AfD]: Bekennen Sie sich!)

Wir haben einen starken Rechtsstaat, wir haben eine unabhängige Justiz,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

wir haben Polizeibeamte, die das Vertrauen dieses Hauses genießen und die wissen sollten, dass sich die Abgeordneten dieses Hauses auch hinter sie stellen und dass sie nicht mit Missgunst und Herablassung behandelt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir setzen gegen Ihren Antrag der Verächtlichmachung von Rechtsstaat und Demokratie

(Stephan Brandner [AfD]: Erzählen Sie doch nicht so einen Scheiß, Herr Ullrich! Was soll denn das? – Gegenruf des Abg. Ingmar Jung [CDU/CSU]: Bitte! – Weiterer Gegenruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat der was getrunken?)

einen Pakt für den Rechtsstaat.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Ich sage gleich etwas; keine Angst.

Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU):

Herr Kollege Brandner, Sie haben „Anschlag auf den Rechtsstaat“ zur Wahl eines Richters am Bundesverfassungsgericht gesagt. Jetzt haben Sie hier unflätige Worte gebraucht. Ich glaube, das ist nicht die Art und Weise, wie wir hier umgehen sollten, das ist unwürdig.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das peinlich!)

Ich sage das mal ganz persönlich,

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und das ist mein letzter Satz:

(Stephan Brandner [AfD]: Ist gut so!)

Das passt in die Strategie von Rechtspopulisten überall in Europa: Verächtlichmachung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, Herablassung, Misstrauen. Dem stellen wir entgegen: das Vertrauen in die Demokratie und das Vertrauen in den Rechtsstaat.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)