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Dr. Volker Ullrich: Rede zum Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung

Rede zum Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Zivilrecht ist die Revision beim Bundesgerichtshof möglich, wenn das Berufungsgericht im Urteil die Revision ausdrücklich zulässt, übrigens unabhängig vom Beschwerdewert. Wird die Revision nicht zugelassen, so kann gleichwohl eine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden mit der Möglichkeit des Zugangs zum Bundesgerichtshof, wenn der Berufungsstreitwert 20 000 Euro übersteigt. Heute geht es um die Frage, ob wir die Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde von 20 000 Euro für die nächsten eineinhalb Jahre fortschreiben. Ich meine, es ist richtig und geboten, dass wir diese Entscheidung treffen.

Was würde passieren, wenn wir die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde ab einer Höhe des Streitwerts von 20 000 Euro nicht verlängern würden? Die Belastung an den Zivilsenaten des Bundesgerichtshofs würde zunehmen. Bereits jetzt sind die Verfahren vor den Zivilsenaten des Bundesgerichtshofs in der Mehrzahl sogenannte Nichtzulassungsbeschwerden. Und nein, mit der Beibehaltung dieser Wertgrenze schneiden wir nicht das Recht des Revisionsführers ab. Ganz im Gegenteil: Wenn ein Verfahren von rechtlich großer Bedeutung ist und wenn erkennbar ist, dass dieses Verfahren eine Relevanz hat, dann wird das erkennende Gericht, das Landgericht oder das Oberlandesgericht, ohnehin die Revision zulassen, übrigens unabhängig vom Streitwert.

Aber man darf nicht vergessen: Wir haben in Deutschland den vollumfänglichen Rechtsschutz nicht nur dann, wenn jedes Verfahren bis zum BGH geht. Man muss faktisch nicht die drei Instanzen ausschöpfen, um zu seinem Recht zu kommen. Wir haben in Deutschland eine exzellente Landschaft im Bereich der Oberlandesgerichte. Die Oberlandesgerichte haben Spezialkammern mit sehr spezialisierten, guten Richtern, die einen ordentlichen Job machen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Rechtsweggarantie des Grundgesetzes ist auf alle Fälle gegeben, wenn jemand seine Rechtsstreitigkeit beim Landesgericht und dann beim Oberlandesgericht vorbringen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist richtig, dass der Bundesgerichtshof in wesentlichen Fragen des Versicherungsrechts, des Mietrechts und des Bankenrechts grundsätzliche Entscheidungen treffen muss. Darauf sollte sich der Bundesgerichtshof konzentrieren können. Aber es wäre falsch und würde dem Charakter eines obersten Bundesgerichtes nicht gerecht werden, wenn wir den Bundesgerichtshof mit noch mehr Nichtzulassungsbeschwerden überlasten, obwohl es eine umfassende Rechtsschutzmöglichkeit bereits auf der Ebene des Landgerichts und des Oberlandesgerichts gibt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen uns bei diesem Thema klug verhalten. Wir dürfen die Architektur der Zivilrechtspflege nicht generell infrage stellen.

Ja, wir müssen uns überlegen, ob wir die permanente Fortschreibung der Wertgrenze von 20 000 Euro nicht generell regeln. Wir können darüber diskutieren, ob wir den Wert von 20 000 Euro, der übrigens aus dem Jahr 2001 stammt, nicht anheben oder indexieren; das gilt auch für andere Wertgrenzen. Aber insgesamt sollten wir durch eine Änderung des Systems nicht grundsätzlich das infrage stellen, was in Deutschland gut funktioniert, nämlich die Zivilrechtspflege.

Wir sind aufgerufen, alles zu tun, auf Ebene des Bundes, aber auch auf Ebene der Länder, um diese funktionierende Zivilrechtspflege weiterhin zu unterstützen, durch mehr Stellen bei der Justiz, auch in den Geschäftsstellen, aber auch durch eine kluge Strategie zur weiteren Digitalisierung der Justiz.

(Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Gut, ja!)

Die Digitalisierung von Akten, die E-Akte, betrifft übrigens auch das Anwaltspostfach. Ich meine, das sollte bald geregelt sein, weil nur indem man schnell an Akten kommt, können die Verfahren beschleunigt werden. Das ist der wichtigste Punkt, um im Zivilrechtsbereich nachhaltig eine gute Lösung für diejenigen hinzubekommen, die Recht suchen und bei uns auch ihr Recht bekommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)