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Dr. Volker Ullrich: Es geht zum einen um Rechtsklarheit, aber auch um Rechtssicherheit

Rede zum Recht auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Debatte jetzt ist nicht die Zeit, um generell über die Ehe für alle zu sprechen. Dafür hatten wir die Debatte am früheren Abend. Es geht heute nicht um die Frage, ob der Bundestag dieses Gesetz auf den Weg bringen durfte oder nicht, sondern darum, welche Verpflichtung wir haben, um nach und aufgrund dieses Gesetzes im bürgerlichen Recht und in weiteren Rechtsgebieten auch Änderungen vorzunehmen, die geboten sind.

Warum mussten wir das machen? Weil es zum einen um Rechtsklarheit, aber auch um Rechtssicherheit geht. Wir könnten natürlich sagen, dass all das und all die Vorschriften, in denen Lebenspartner benannt werden, gleichermaßen wie die bürgerlichen Rechte, in denen von Vater und Mutter oder von zwei Eheleuten gesprochen wird, der Rechtsprechung obliegt. Das wäre aber weder ein mutiger noch ein rechtstechnisch eleganter Schritt. Der Gesetzgeber ist vielmehr aufgerufen, nach der Grundsatzentscheidung von letztem Jahr auch im bürgerlichen Recht und in weiteren Rechtsgebieten die entsprechenden Änderungen vorzunehmen.

Im Übrigen – das ist zumindest der Kritikpunkt, den man der Entscheidung vom Juni letzten Jahres angedeihen lassen kann – sind diese Fragen seinerzeit in der Debatte nicht diskutiert worden. Deswegen müssen wir sie jetzt nachholen, und zwar im Interesse einer rechtssicheren Regelung und auch im Interesse der Paare, die darauf bauen, dass der Staat ihnen die Ehe für alle ebnet.

Vor diesem Hintergrund bleibt zunächst einmal eine Regelung im Mittelpunkt, nämlich dafür Sorge zu tragen, dass die Vorschriften einer Ehe auch auf die Lebenspartnerschaft anzuwenden sind, dass nämlich dann auch für diejenigen Paare, die ein Wahlrecht haben und die eingetragene Lebenspartnerschaft nicht in eine Ehe umwandeln möchten, sichergestellt wird, dass auch zukünftig alle Änderungen im Bereich der Ehe für sie anwendbar bleiben.

Wir brauchen auch zukünftig einen Gleichklang zwischen den Eheleuten und den Paaren, die sich bewusst dafür entscheiden, nicht die Ehe einzugehen, sondern die alte begründete Lebenspartnerschaft weiterzuführen. Diese Rechtsgleichheit ist uns ein wichtiges Anliegen, und wir stellen sie mit diesem Gesetz her.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen auch über die Rückwirkungsproblematik sprechen. Ich glaube, Herr Kollege Lehmann, die steuerrechtliche Rückwirkungsproblematik ergibt sich aus meiner Sicht nicht aus diesem Gesetz, sondern unmittelbar aus der Gesetzeskraft des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, sodass ich diese Problematik hier in dem Punkt nicht sehe.

Aber – das haben einige Redner angesprochen – wir haben in der Tat einen Regelungsbedarf beim Abstammungsrecht. Denn zurzeit trägt das bürgerliche Recht dem mit einer Frau verheirateten Vater die Elternschaft per Gesetz an, während das aufgrund der Formulierung für gleichgeschlechtliche Paare nicht der Fall ist. Natürlich gibt es Differenzen in der Frage, inwieweit eine Elternschaft begründet werden kann. Aber ich glaube, dass vor dem Hintergrund des Kindeswohls – und einzig allein darum geht es – eine Änderungsnotwendigkeit auch beim Abstammungsrecht besteht. Aber ich bitte auch, dass wir, gerade weil es im Abstammungsrecht auch um sehr sensible Fragen geht, mit Gutachten und Anhörungen nichts überstürzen, sondern dass wir uns das sehr sorgfältig ansehen.

Deswegen ist heute der erste Schritt Rechtssicherheit und Rechtsklarheit durch die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, und der zweite Schritt ist dann die sorgsame Abwägung im Bereich des Abstammungsrechts. Lassen Sie uns diesen Weg gehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)