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Dr. Volker Ullrich: Eine ausgesprochene Strafe muss auch vollstreckt werden

Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs und weiterer Gesetze – Aufhebung der Ersatzfreiheitsstrafe

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte über die Ersatzfreiheitsstrafe ist eine rechtspolitisch anspruchsvolle Debatte. Ich finde es ein bisschen schade, dass auf der einen Seite Sie von der AfD es tatsächlich fertigbringen, die Themen Genderideologie, Euro-Rettung und Flüchtlinge in die Debatte einzubringen. Das ist genauso unredlich wie auf der anderen Seite die Argumentation der Linken,

(Zuruf von der LINKEN: Na!)

die die Kosten für den Strafvollzug im Zusammenhang mit Ersatzfreiheitsstrafen wegen Schwarzfahrens hochrechnen. Beides zeigt eine Despektierlichkeit eines wichtigen rechtspolitischen Themas, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein Punkt ist zunächst einmal, dass wir eine klare rechtliche Regelung haben. Die Ersatzfreiheitsstrafe ist nur dann möglich, wenn die Geldstrafe uneinbringlich ist. Das heißt, der Rechtsstaat versucht zunächst einmal, die Geldstrafe tatsächlich zu vollstrecken – übrigens nicht mit der Härte, wie Sie sie dargestellt haben, sondern mit allen möglichen Brücken, die der Rechtsstaat zur Verfügung hat. Dies geht hin bis zu der Möglichkeit, dass ein Dritter die Geldstrafe für Sie bezahlt und Sie sozusagen in der gleichen Sekunde, in der jemand anders Ihre Geldstrafe begleicht, aus der Ersatzfreiheitsstrafe entlassen werden. Auch können Sie die Möglichkeit der Ratenzahlung nutzen, und, ja, es gibt auch Möglichkeiten zur Stundung.

In Ihrem Gesetzentwurf lassen Sie auch völlig unberücksichtigt, dass sich die Höhe des Tagessatzes natürlich nach dem Einkommen richtet und damit im Rahmen des Strafurteils gar keine Diskriminierung stattfinden kann; denn derjenige, der wenig verdient, muss natürlich einen geringeren Tagessatz bezahlen, während derjenige, der viel verdient, einen höheren Tagessatz zahlen muss. Aber auch wenn jemand eine geringe Geldstrafe bekommt, weil er wenig Geld hat, muss gewährleistet sein, dass er sie irgendwie ableistet; denn eine Strafe, die in einem Rechtsstaat ausgesprochen wurde, muss auch vollstreckt werden, wenn die Strafe nicht ins Leere laufen soll, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn es um den Charakter der Ersatzfreiheitsstrafe geht, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass unsere Rechtsordnung auch in anderen Fällen eine Haft vorsieht. Beispielsweise kann in zivilprozessualen Fällen Erzwingungshaft angeordnet werden. Das heißt, die Argumentation, dass die Haft an sich das falsche Instrument sei, geht vor dem Hintergrund, dass auch in anderen Fällen eine Haft angeordnet werden kann, völlig fehl.

(Niema Movassat [DIE LINKE]: Sie hat aber einen anderen Zweck!)

Ich möchte Ihnen zumindest in einem Punkt zustimmen, nämlich dass bei der Frage der Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe im Verhältnis zu den Tagessätzen eine rechtspolitische Diskussion durchaus angebracht ist. Aber gerade diesen Punkt haben Sie nicht angesprochen; denn ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe entspricht einem Tagessatz der Geldstrafe. Der Tagessatz bildet aber ein Stück weit das Erwerbseinkommen an einem Arbeitstag von durchschnittlich acht Stunden ab. Das heißt, es gibt in der Tat eine gewisse Umrechnungsproblematik, weil die Ersatzfreiheitsstrafe natürlich 24 Stunden wirkt und nicht nur im Äquivalent von 8 Stunden. Darüber können wir reden.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt doch schon Vorschläge dazu!)

Wir sollten eines nicht vergessen: Sie wollen ja keine Reform der Bemessung, sondern Sie wollen die Ersatzfreiheitsstrafe ganz abschaffen. Aber wenn die Ersatzfreiheitsstrafe ganz abgeschafft wird, werden alle Reformansätze Makulatur. Sie wollen dieses Instrument beseitigen. Die Argumente, die Sie dafür vorbringen, sind aber strafrechtlich und rechtspolitisch unhaltbar. Letzten Endes könnte der Staat, wenn Ihr Gesetzentwurf zum Tragen käme, seinen Strafanspruch nicht mehr durchsetzen. Das ist vor dem Hintergrund, dass wir einen starken Rechtsstaat wollen, mit uns nicht zu machen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Lassen Sie uns lieber darüber sprechen, wie wir die Härten einer Ersatzfreiheitsstrafe abmildern können, zum Beispiel könnte alternativ gemeinnützige Arbeit geleistet werden. Viele Bundesländer leisten da Vorbildliches. Ich möchte insbesondere mein eigenes, den Freistaat Bayern, ansprechen, der seit vielen Jahren hervorragende Projekte im Bereich „Schwitzen statt Sitzen“ durchführt. Wir sollten die Länder ermutigen, gerade beim Thema „gemeinnützige Arbeit anstelle von Ersatzfreiheitsstrafen“ weiter voranzuschreiten; denn es sollte nicht unser Ziel sein, die Menschen bei kurzzeitigen Ersatzfreiheitsstrafen ins Gefängnis zu bringen. Aber es muss unser Ziel sein, dass Recht Recht bleibt und der Strafanspruch des Staates vollstreckt wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)