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Dr. Volker Ullrich: In der Verfassungswirklichkeit unseres Landes existieren Parlamentarische Staatssekretäre seit 52 Jahren

Rede zum Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Verfassungswirklichkeit unseres Landes existieren Parlamentarische Staatssekretäre seit 52 Jahren. In der weit überwiegenden Zeit in den 70 Jahren unseres Grundgesetzes haben Damen und Herren diesen Dienst vollbracht. Ich glaube, das hat sich bewährt. Wir können all den Männern und Frauen, die als Parlamentarische Staatssekretäre Dienst getan haben, für ihren Einsatz danken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben, Herr Brandner, die Geschichte des Jahres 1967 nicht vollständig erzählt. Das Institut der Parlamentarischen Staatssekretäre ist deswegen eingeführt worden, weil im Zuge der Kabinettsreform die Anzahl der Bundesministerien in den 60er-Jahren drastisch reduziert worden ist. Als Ersatz für die Reduzierung der Bundesministerien und vor dem Hintergrund der beginnenden stärkeren internationalen Verflechtung und der zunehmenden Komplexität der Regierungsarbeit ist das Institut der Parlamentarischen Staatssekretäre eingeführt worden.

Das heißt, die Einführung war letzten Endes dem Umstand geschuldet, dass man die Zahl der Ministerien reduziert hat, aber trotzdem eine starke Bande zwischen Parlament und Regierung aufrechterhalten wollte. Ich glaube, das ist der Hintergrund dessen, was dieses parlamentarische System bei uns in Deutschland so erfolgreich macht: dass wir uns nicht gegenseitig voneinander abgrenzen und Mauern hochziehen, sondern in diesem Hause gemeinsam und konstruktiv zusammenarbeiten.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Dirk Spaniel [AfD]: Das merken wir ja immer bei der Wahl des Vizepräsidenten!)

Auch die Überlegung, dass wir eine strikte Gewaltenteilung in Deutschland hätten, ist verfassungsrechtlich nicht haltbar.

(Stephan Brandner [AfD]: Doch!)

Allein der Umstand, dass in Deutschland – das ist ein weiteres Argument – die Gesetzgebung durch Bundestag und Bundesrat wahrgenommen wird und der Bundesrat nicht durch die Länderparlamente, sondern durch die Länderexekutive bestimmt wird, zeigt, dass sich in Deutschland die Vermischung zwischen parlamentarischem Auftrag und exekutiver Eigenverantwortung durch das gesamte Grundgesetz zieht.

Die Verfassungsmütter und ‑väter haben bereits vor 70 Jahren erkannt, dass die gemeinsam wahrgenommene Verantwortung zwischen Bundesregierung und Bundestag notwendig ist, um dieses Land insgesamt auf einen guten Weg zu bringen. Deswegen sind auch Ihre Erwägungen zum Thema „Gewaltenverschränkung und Gewaltenteilung“ vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Entwicklung, aber auch ganz klar vor dem Hintergrund der Rechtslage einfach als falsch zu bezeichnen.

Ihr Gesetzentwurf zeigt im Grunde genommen etwas anderes. Er zeigt, dass Sie nicht bereit sind, dieses parlamentarische System zu akzeptieren, dass Sie Schwierigkeiten mit der Verfassungspraxis haben

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

und dass Sie beginnen, parlamentarische Verantwortung in Euro und Cent vorzurechnen.

Es geht Ihnen aber nicht darum, über die Effektivität oder über den Bundestag sprechen zu wollen, sondern es geht Ihnen um die Verächtlichmachung unseres Bundestages und der Bundesregierung. Das ist Ihr Ziel. Daran werden wir Sie immer wieder erinnern.

(Fabian Jacobi [AfD]: Geben Sie sich doch mal ein bisschen Mühe beim Diffamieren! – Kay Gottschalk [AfD]: War das billig! – Weiterer Zuruf von der AfD: Das ist billig!)

Ein weiteres, letztes Argument. Herr Brandner, Sie haben die Kolleginnen und Kollegen auf der Regierungsbank, allesamt Parlamentarische Staatssekretäre, als „Exemplare“ bezeichnet, haben Sie mit dem Wort „devot“ belegt, haben über die Familienverhältnisse einer Staatsministerin gesprochen. Ich sage Ihnen: Das ist unter der Würde dieses Hauses.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Marianne Schieder [SPD]: Er weiß nicht, was Würde ist! Darin liegt das Problem!)

Das ist anstandslos. Aus all diesen Überlegungen heraus werden wir Ihren Gesetzentwurf mit Freude ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)