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Dr. Volker Ullrich: Der Antrag lässt den notwendigen Respekt für demokratische Entscheidungen vermissen

Rede zur geforderten Aufhebung der gleichgeschlechtlichen Ehe

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor gut einem Jahr hat der Deutsche Bundestag die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare nach einer langen und intensiven Debatte zugelassen. Und ja, diese Entscheidung war als Gewissensentscheidung zwischen den Kollegen und Fraktionen umstritten. Aber eines muss nach diesem Jahr festgehalten werden: Die Fraktionen, die damals daran beteiligt waren – ich beziehe jetzt die FDP ausdrücklich mit ein –,

(Karsten Hilse [AfD]: Die war doch gar nicht beteiligt! – Gegenruf von der FDP: Über den Bundesrat!)

sind mit dieser Entscheidung respektvoll umgegangen. Die Mehrheit hat akzeptiert, dass die Ehe für alle eingeführt worden ist. Diejenigen, die in dieser Abstimmung nicht obsiegen konnten, haben dieses Ergebnis ebenfalls mit Respekt zur Kenntnis genommen und diese neue gesellschaftliche Realität akzeptiert.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

Das ist der Unterschied zu diesem Gesetzentwurf. Allein die Art und Weise, wie er vorgetragen wurde und wie er formuliert ist, lässt diesen notwendigen Respekt für demokratische Entscheidungen vermissen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

(Zuruf von der AfD: Doch!)

Und ja, nach einem Jahr gleichgeschlechtlicher Ehe und vielen Tausend glücklichen Paaren muss man sagen, dass sich vielleicht auch der eine oder andere Kollegen anders entscheiden wird. Aber der entscheidende Punkt ist, dass Sie auch verfassungsrechtlich danebenliegen. Ich will es Ihnen noch einmal deutlich vor Augen führen.

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seiner langjährigen Rechtsprechung einerseits auf die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehe als Kernelement des Ehebegriffs hingewiesen, aber wer davon spricht, erzählt die Geschichte nur zur Hälfte. Denn Sie müssen nämlich bei der Betrachtung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auch beachten, dass die Sonderstellung der verschiedengeschlechtlichen Ehe gegenüber der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft in den letzten 15 Jahren Stück für Stück eingeebnet worden ist, und zwar aus guten Gründen, unter Berufung auf den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Wir haben das in den Entscheidungen über die Adoption, insbesondere die Sukzessivadoption, zu beobachten. Ich erwähne das Urteil zur steuerlichen Gleichstellung und übrigens auch das Urteil vom 10. Oktober letzten Jahres zur geschlechtlichen Identität, wo das Verfassungsgericht ganz deutlich auf ein Diskriminierungsverbot hinwirkt.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Deswegen lässt sich im Kern sagen: Erstens. Die Garantie des Instituts der Ehe verbietet nicht die Schaffung eines inhaltsgleichen Rechtes, und gleichzeitig gibt es keine Gründe, dass die Lebenspartnerschaft direkt in eine Ehe überführt werden könnte. Worin besteht nämlich der Unterschied?

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin von Storch zu?

Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU):

Ja.

Beatrix von Storch (AfD):

Vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Wenn die Ehe auch aus zwei Menschen gleichen Geschlechts bestehen kann, wie Sie es jetzt gesagt haben – unabhängig davon, wie Sie damals abgestimmt haben –, ist es dann auch denkbar, dass die Ehe auch aus drei Personen bestehen könnte, und, wenn ja, warum, und, wenn nein, warum nicht?

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Das ist unmöglich!)

Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU):

Frau Kollegin von Storch, Sie haben vorhin, in der Debatte zur Geschlechtsidentität, eine unwürdige Frage gestellt. Wenn Sie jetzt wieder mit einer ähnlich strukturierten Frage versuchen, eine der Debatte unwürdige Haltung an den Tag zu legen, dann kann ich Ihnen nicht helfen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie können die Debatte heute nicht entwerten, indem Sie hier von drei Personen reden. Ehe ist die lebenslange Verbindung und Verantwortungsgemeinschaft zweier Personen gleich welchen Geschlechts, gleich welcher Identität,

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Jan Metzler [CDU/CSU] und Bärbel Bas [SPD])

aber eben nicht von drei Personen. Dass Sie hier so fragen, zeigt eigentlich, wes Geistes Kind Sie sind.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Noch einmal zurück zum Verfassungsrecht. Worin besteht denn jetzt eigentlich noch der Unterschied zwischen einer Lebenspartnerschaft und einer Ehe? Ausschließlich in der Bezeichnung; denn alle anderen Unterscheidungsmerkmale sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eingeebnet. Und wenn es nur um die Bezeichnung geht, dann, glaube ich, spricht sehr viel dafür, dass bereits der einfache Gesetzgeber eine Änderung des Ehebegriffs vornehmen konnte und deswegen keine verfassungsändernde Mehrheit notwendig war. Deswegen sage ich: Ja, der Bundestag hat am letzten Sitzungstag der vorvergangenen Wahlperiode die Änderung der Ehe beschlossen, und dabei wird und muss es auch bleiben.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen hat sich auch die Lebenswirklichkeit verändert. Wenn man es sich rechtsvergleichend anschaut, dann sieht man, dass in vielen Staaten der Europäischen Union, aber auch im Geltungsbereich der Europäischen Menschenrechtskonvention, übrigens auch in den Vereinigten Staaten, die gleichgeschlechtliche Ehe zulässig ist, und dann erkennt man auch, dass sich in der westlichen Hemisphäre insgesamt ein Kulturwandel ergeben hat. Diesen Kulturwandel muss der verfassungsgebende Gesetzgeber natürlich auch berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund muss man einfach sagen: Die Debatte war langwierig, und ja, es gibt verschiedene Meinungen, die man auch zu respektieren hat; aber wir haben das Ergebnis, und dabei wird es auch bleiben.

(Beifall der Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU] und Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich gehe sogar einen Schritt weiter: Gerade vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Diskriminierungsverbotes müsste man sich fragen, ob es nicht mittlerweile eine Pflicht gäbe, dass der Gesetzgeber auch die Ehe für gleichgeschlechtliche Personen zulässt, weil nämlich, wenn dies nicht der Fall wäre, gegebenenfalls eine Diskriminierung vorläge.

(Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Eben!)

Im Übrigen liegen Sie auch falsch, wenn Sie einen Gesetzentwurf ohne eine Übergangsfrist vorlegen, weil Sie damit die 10 000 im letzten Jahr geschlossenen gleichgeschlechtlichen Ehen und damit die Schicksale der Eheschließenden schlichtweg unerwähnt lassen. Damit greifen Sie tief in Persönlichkeitsrechte ein, ohne Rechtfertigung und ohne gesetzliche Grundlage. Auch das diskriminiert die Menschen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht Ihnen bei diesem Gesetzentwurf nicht um das Verfassungsrecht – Sie wollen spalten,

(Zuruf von der AfD: Lächerlich! – Stephan Brandner [AfD]: Nee! Sie haben nicht zugehört!)

und Sie wollen mangelnden Respekt vor demokratischen Entscheidungen und vor unseren Institutionen zum Ausdruck bringen. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Dieses Gesetz bleibt. Wir werden daran festhalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)