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Dr. Reinhard Brandl: Zuversicht und Vertrauen in die Zukunft sind wichtige Elemente für die Stabilisierung Afghanistans

Verantwortung anerkennen – Gruppenverfahren zur Aufnahme afghanischer Ortskräfte einführen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In Afghanistan sind momentan – Stand 7. Oktober 2019 – 1 165 Bundeswehrsoldaten im Rahmen der Mission „Resolute Support“ eingesetzt. Ohne die Unterstützung und Mitarbeit der Ortskräfte für die Bundeswehr, wie beispielsweise Sprachmittler, Wachen, Reinigungskräfte, Feldlagerbetrieb oder Bauarbeiter, kann kein Einsatz der Bundeswehr bewältigt werden. Das gilt übrigens nicht nur für Afghanistan.

Zudem ist die Bundeswehr nicht allein in Afghanistan. Das ist ein ressortübergreifender Einsatz. Im Oktober 2018 waren insgesamt für die in Afghanistan tätigen deutschen Ministerien 576 Ortskräfte beschäftigt (BMI, AA, BMVg). Darüber hinaus sind für die Durchführungsorganisationen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit sowie für politische Stiftungen circa 1 300 lokale Mitarbeiter tätig.

Diese Menschen sind wichtig, und das stellt auch keiner infrage – ganz im Gegenteil. Die in Afghanistan tätigen Ressorts sind sich der Fürsorgepflicht gegenüber ihren afghanischen Mitarbeitern bewusst. Dies gilt insbesondere für all diejenigen, deren Beschäftigungsverhältnis aufgrund der Reduzierung der deutschen Präsenz in Afghanistan endet. Der verantwortungsvolle Umgang mit den Ortskräften ist dabei ein Gradmesser der Verlässlichkeit Deutschlands als Arbeitgeber und dient nicht zuletzt der Sicherheitsvorsorge für unser deutsches Personal in Afghanistan.

Das Innenministerium, das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium haben in einer eigens eingerichteten Ressortarbeitsgruppe konkrete Maßnahmen zur Unterstützung der hiervon betroffenen Ortskräfte erarbeitet. Die Ortskräfte werden vollumfänglich über Handlungsmöglichkeiten für den Fall einer individuellen Bedrohung, aber auch zu Beschäftigungs- sowie Ausbildungsmöglichkeiten informiert. Trotzdem bietet die Bundesregierung jeder individuell gefährdeten Ortskraft die Aufnahme in Deutschland an.

Da die Gefährdungssituation regional sehr unterschiedlich ist und je nach Art der Beschäftigung und Sichtbarkeit in der Bevölkerung erheblich variiert, hat sich das individualisierte Verfahren gegenüber einer Gruppenaufnahme bewährt. Die Einstufung der Gefährdung erfolgt dabei in drei Kategorien: Kategorie 1: konkrete Gefährdung; Kategorie 2: latente Gefährdung; Kategorie 3: keine individuelle Gefährdung.

Allen in Beschäftigung stehenden afghanischen Ortskräften, die von den Ressortbeauftragten in die Gefährdungskategorie 1 und 2 eingestuft worden sind, wird durch das Innenministerium zunächst eine formlose Aufnahmezusage für Deutschland erteilt, welche für die gesamte Dauer des Beschäftigungsverhältnisses gültig ist. Nach der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses kann die Aufnahmezusage innerhalb einer Frist von sechs Monaten zur Visumbeantragung genutzt werden.

Die Ortskräfte kennen diese und weitere Regelungen und werden auch beraten und betreut. Dadurch ist jeder Beteiligte gezwungen, den Einzelfall genau zu betrachten und dem jeweiligen Bedürfnis des Betroffenen nachzukommen. Gleichzeitig berücksichtigen wir das Interesse der afghanischen Regierung und Zivilgesellschaft, die sich gegen jede Form von Pauschallösungen ausgesprochen haben.

Zusätzlich wird bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses aufgrund der Reduzierung der deutschen Präsenz in Afghanistan eine großzügige Abfindung gewährt. Und zwar unabhängig von der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses und unabhängig von einer möglichen Ausreise nach Deutschland.

Im Antrag wird eine Paketlösung vorgeschlagen. Hier sollen die Ortskräfte wählen zwischen Abfindung, Ausreise, Schulung usw. unter dem Motto: „Nimm das Geld – aber dann bekommst du keine Schulung!“ Das ist nicht unsere Auffassung von persönlicher Fürsorge und Nachsorge.

Unsere Ortskräfte gehören zu den gut ausgebildeten Fachkräften im Land und sind daher für die weitere Entwicklung Afghanistans unverzichtbar. Daher unterstützen die beteiligten Ressorts Weiterbildungsmaßnahmen und die Vermittlung ihrer Ortskräfte mit dem Ziel, ihnen bestmögliche Voraussetzungen für die rasche Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses zu schaffen.

Sie sehen selbst, dass wir das, was im Antrag als Lösung vorschlagen wird, schon längst umsetzen, und zwar für viel mehr Ortskräfte aus unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern, nicht nur für Sprachmittler oder bei den Streitkräften eingesetzte Ortskräfte.

 Besonders hervorheben möchte ich die Arbeit, die durch das „Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte e.V.“ geleistet wird. Im Antrag wird ebenfalls positiv darauf eingegangen. Ich möchte ordnungshalber ergänzen, dass dieser gemeinnützige Verein aus den Reihen der aktiven Patinnen und Paten des Patenschaftsprogramms der Bundeswehr gegründet wurde. General a. D. Wieker hat in seiner Funktion als Generalinspekteur der Bundeswehr im April 2016 die Schirmherrschaft über den Verein übernommen. General Zorn hat die Weiterführung der Schirmherrschaft entsprechend als Nachfolger übernommen. Mit Stand vom 27. September 2019 verfügt der Verein über 159 freiwillige Patinnen und Paten. Dem gegenüber stehen 165 ehemalige Ortskräfte, die in das Patenschaftsprogramm aufgenommen sind.

Die Bundesregierung gewährleistet die Durchführung aller genannten Möglichkeiten, obwohl wir selbst eine bittere Erfahrung machen mussten. Bei einem Bombenanschlag im Diplomatenviertel in Kabul am 31. Mai 2017 kamen fast 200 Menschen ums Leben, rund 500 wurden verletzt, darunter auch Angehörige der deutschen Botschaft. Die Botschaft in Kabul wird wieder aufgebaut. Es besteht temporär trotzdem die Möglichkeit, die nötigen Anträge für Visa in Islamabad oder Neu-Delhi zu stellen.

Zuversicht und Vertrauen in die Zukunft sind wichtige Elemente für die Stabilisierung Afghanistans. Mit dem Wiederaufbau und damit, dass wir selbst im Land bleiben, zeigen wir, dass sich dieser Weg lohnt. Und dieser Weg führt nicht über eine pauschale Lösung mit einem pauschalen Antrag für ein Gruppenverfahren. Er bietet keine echte Alternative.

Wir lehnen den Antrag ab.