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Dr. Patrick Sensburg: "Wir brauchen ein Parlament der Argumente"

Änderung des Abgeordnetengesetzes – Einführung eines Ordnungsgeldes

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das hat es in allen Legislaturperioden vorher noch nicht gegeben, dass es ein Ordnungsgeld geben muss für Verstöße von Abgeordneten gegen die Hausordnung außerhalb dieses Plenarsaals. Jetzt ist das leider so. Die Vorgänge, die wir im November, aber auch im Sommer erlebt haben, zwingen uns dazu, auch über diese Regelung zu diskutieren und sie einzuführen. Deswegen ist das, was wir hier heute vorschlagen und beschließen werden – hoffentlich mit breiter Mehrheit – auch der richtige Weg; denn dieses Parlament soll handlungsfähig sein.

Das Parlament ist ein Ort für die Auseinandersetzung mit Worten, mit Argumenten, im Diskurs auch streitig, aber nicht durch Bedrängen von Kolleginnen und Kollegen, durch Nötigen, durch Filmen, was dazu führt, dass man irgendwann in diesem Haus eine Stimmung, ein Klima der Angst hat. Das kann nicht das Ziel sein.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich wundere mich schon sehr – bei der AfD nicht so –, dass Sie, lieber Kollege Straetmanns – ich schätze Sie wirklich – sagen, der Ausdruck „nicht nur geringfügig“ sei ein unbestimmter Rechtsbegriff und das sei nicht richtig. Frau Kollegin Haßelmann und andere Vorredner haben schon auf das Abgeordnetengesetz hingewiesen. Aber wenn Sie einfach nur mal „unbestimmter Rechtsbegriff“ und „nicht nur geringfügig“ googeln, dann kriegen Sie seitenweise Gesetze, wo dieser unbestimmte Rechtsbegriff geregelt ist.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Herr Kollege Sensburg?

 

Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU):

Frau Präsidentin?

Vizepräsidentin Petra Pau:

Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Straetmanns?

 

Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU):

Liebend gern. Ich diskutiere gerne über unbestimmte Rechtsbegriffe und darüber, was sie bedeuten. Das habe ich in meinem vorherigen Beruf stundenlang gemacht. – Herr Kollege.

 

Friedrich Straetmanns (DIE LINKE):

Vielen Dank. – Sie haben mich jetzt gerade direkt angesprochen, darum habe ich mich bemüßigt gefühlt, ein paar Anmerkungen zu machen:

Erstens habe ich, glaube ich, in meiner Rede deutlich zum Ausdruck gebracht, dass wir das Ziel teilen, aber den Weg für falsch halten. Das ist ein großer Unterschied zu dem, wie sich der Redner der AfD hier präsentiert hat. Das bitte ich nur fürs Protokoll festzuhalten.

(Zuruf von der AfD)

Zweiter Punkt – der ist uns sehr wichtig –: Wir haben hier eine grundsätzliche Rechtsänderung; über die unbestimmten Rechtsprüfungen wollen wir jetzt keine juristische Diskussion führen. Bei der alten Fassung des Abgeordnetengesetzes ging es um das Verhalten direkt in der Sitzung, das quasi auf der offenen Bühne nachvollziehbar beanstandet wird. Bei dem Verstoß gegen die Hausordnung haben wir quasi eine räumliche Verlagerung in einen Bereich, wo eben keine Sitzungsaufsicht und keine Kontrolle stattfinden. Das ist der wesentliche Unterschied, und deshalb haben wir Bedenken, ob es zielführend ist, wenn man aus der Ferne einen Sachverhalt beurteilen will.

Der letzte Punkt – das zieht sich durch unsere Kritik an allen Strafrechtsverschärfungen –: Wir warten immer darauf, dass einmal ausprobiert und evaluiert wird, was am Ende überhaupt zu verändern notwendig ist. Wir hätten uns hier statt einer übertriebenen Eile gewünscht, erst mal abzuwarten, wie die eingeleiteten Ordnungswidrigkeitsverfahren ausgehen. Danach wären wir auch immer bereit, weiter zu diskutieren.

(Beifall bei der LINKEN – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Sie haben es jetzt nicht gerade besser gemacht!)

 

Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU):

Lieber Kollege Straetmanns, ich schätze Sie, und ich merke, wie schwer es Ihnen fällt, zu argumentieren, dass Sie hier gemeinsam mit der AfD stimmen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Aber Argumente haben Sie ja jetzt gar nicht gebracht. Es geht nicht um eine Verschärfung, es geht um eine Neuregelung einer Lücke, nämlich der Lücke, die durch das Verhalten insbesondere der AfD, aber auch im Sommer – das muss man ehrlich sagen – durch Vertreter Ihrer Fraktion entstanden ist,

(Stephan Brandner [AfD]: Und der Grünen! Vergessen Sie die Grünen nicht!)

dass nämlich Abgeordnete es zugelassen haben, dass außerhalb des Plenarsaals, aber in diesem Gebäude drastische Verstöße gegen die Hausordnung stattgefunden haben und der parlamentarische Ablauf – der Austausch von Argumenten, der Diskurs, diese Freiheit des politischen Diskurses – beschränkt, bedrängt und nicht mehr möglich gemacht wurde. Das müssen wir jetzt regeln. Um Strafverschärfungen geht es gar nicht. Es geht übrigens um Ordnungswidrigkeiten; das ist juristisch sowieso ganz was anderes.

Von daher: Ich verstehe, dass Sie sich jetzt hier winden. Ich hätte mich aber über Ihre Zustimmung gefreut, insbesondere nach dem, was im November passiert ist, was, glaube ich, noch eine deutliche Stufe drastischer gewesen ist, als wir in allen vorherigen Legislaturperioden erlebt haben.

Entschuldigung, Herr Straetmanns, dass ich bei der Antwort an Sie ganz kurz noch auf das Zeichen von Frau von Storch eingehe: Da, als ich erzählte, was hier passiert ist, zu gähnen – das haben Sie gerade gemacht –, ist nicht okay.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der AfD: Vielleicht ist sie müde!)

Sie sollten sich hier angesichts der Würde dieses Hauses, die wir hier gerade schützen wollen, nicht so despektierlich verhalten.

(Beatrix von Storch [AfD]: Sie machen sich zum Affen!)

Sie verhalten sich so, als wäre Ihnen dieses Haus nichts wert. Und wenn ich dem Kollegen Straetmanns gerade etwas sage, dann könnten auch Sie zuhören; das ist nicht schlimm, Frau Kollegin.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Beatrix von Storch [AfD]: Vollkommen lächerlich!)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Ihre Antwort ist gegeben – guten Abend! –, jetzt reden Sie mal weiter, Herr Sensburg.

 

Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU):

Danke schön, Frau Präsidentin. Ich wusste gar nicht, dass ich so lange geredet habe, dass schon die Präsidentin gewechselt hat. Ich habe aber noch zwei Minuten.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich möchte auch hervorheben, dass dieses Gesetz gut formuliert ist. Diesen unbestimmten Rechtsbegriff „nicht nur geringfügig“ ist sehr bekannt und wird von vielen Gesetzen genutzt. Er wird durch Gerichte ausgelegt. Wir haben eine klare Regelung zum Ordnungsgeld, und es besteht auch die Notwendigkeit, diese Regelung zu treffen.

Ich freue mich, dass eine breite Mehrheit hier gesagt hat: Wir brauchen Wehrhaftigkeit, wir brauchen ein Parlament der Argumente, kein Parlament des Bedrängens, damit das freie Wort, das die Demokratie ausmacht, nicht durch das Hereinlassen entsprechender Personen oder andere Aktionen beschädigt werden kann. Ich freue mich, dass eine breite Mehrheit dieses Gesetz unterstützt.

Dazu, dass Sie dann auch noch auf der anderen Seite sagen, das sei gar nicht genug an Ordnungsgeld, muss ich abschließend sagen: Wir können es ganz einfach machen: Verhalten Sie sich demokratisch wie Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Dann brauchen wir darüber gar nicht lange zu reden. Stimmen Sie doch einfach zu!

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)