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Dr. Patrick Sensburg: § 126a dient dem Schutz aller hier

Rede zur Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: Besondere Lage beenden – § 126 a GO-BT

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Debatten über die Geschäftsordnung sind gut, weil sie ja doch oft einen tiefen Einblick in die demokratischen Entscheidungsprozesse liefern, besonders dann, wenn die Anträge auch qualitativ und substanziiert brauchbar sind. Das sind Ihre drei Anträge heute leider nicht.

Ihr Antrag, § 126a der Geschäftsordnung abzuschaffen, ist – das haben meine Vorredner schon gezeigt – unpassend. § 126a dient dem Schutz aller hier. Er dient aber auch dem Vorbild; denn Corona kann man nicht einfach „wegbeschließen“, sondern Corona ist da. Deswegen wäre es das falsche Zeichen, hier einfach zu sagen: Wir erklären das für erledigt, nutzen die Abstandsmöglichkeiten und die Regelungen, die § 126a bietet, nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie haben mit Ihren Äußerungen gezeigt, dass Sie es gar nicht verstanden haben. Herr Kollege Seitz, Sie haben gesagt: Bei den Abstimmungen war doch eine hohe Teilnehmerquote. – Ich hoffe, an den Abstimmungen haben alle teilgenommen. Aber es geht um die Beschlussfähigkeit und darum, den Abstand wahren zu können. Das ist der Grund gewesen. Ich glaube, Sie haben es im Grunde gar nicht verstanden.

Das Zweite. Die Sachverständigen vor Hass zu schützen, ist grundsätzlich ein gutes Anliegen. Aber dass gerade Sie das ansprechen, ist – das haben meine Vorredner gezeigt – schon sehr bizarr.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich möchte zum dritten Punkt kommen – den muss man sich wirklich genauer angucken –: Das ist Ihre Forderung, hier im Grunde zu erfassen: Wer bewegt sich wohin? Sie kleiden das so schön in einen Antrag, digitale Abstimmungsgeräte einzuführen. Aber der Antrag ist im Text – nach meiner Meinung – unverschämt, und er ist in der Sache falsch.

Unverschämt ist er, weil Sie formulieren, dass in der Sitzung am 28. Juni 2019 weniger als die Hälfte der Abgeordneten anwesend gewesen wäre und der Sitzungsvorstand unter Leitung von Frau Vizepräsident Roth dennoch beschlossen habe, dass die Beschlussfähigkeit gegeben sei. Sie bewerten dieses Verhalten als – ich zitiere jetzt hier – einen Verstoß gegen „das Gebot der Fairness“; es sei „der Moral“ und „dem Wortlaut der Geschäftsordnung“ widerstrebend. Wenn man Anträge rügen könnte, müsste so ein Antrag eine Rüge erhalten. Es gehört sich nicht, so mit der Entscheidung des Sitzungsvorstands umzugehen, die nach der Geschäftsordnung nur er trifft.

Man muss auch verstehen: Warum ist das so? Die Geschäftsordnung regelt eindeutig, dass die Opposition die Möglichkeit hat, die Tagesordnung mitzubestimmen. Wenn Sie einen Tagesordnungspunkt an prominenter Stelle haben wollen, dann können Sie sich dafür auch einsetzen. Sie können sogar am Anfang eine namentliche Abstimmung beantragen. Aber Sie müssen sich nicht wundern, wenn um weit nach Mitternacht in diesem Plenum vielleicht nicht alle Sitzplätze besetzt sind.

Ich wundere mich übrigens, dass bei einer Debatte, in der es darum geht, Präsenz im Plenum herzustellen, bei Ihnen, wenn ich es richtig sehe, kaum 15 Mitglieder Ihrer Fraktion, der AfD, anwesend sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)

Das zeigt nicht Unterstützung für Ihren Antrag.

Übrigens sichert der Antrag, die Beschlussfähigkeit feststellen zu lassen, auch nicht ein reines Oppositionsrecht. Es ist genauso auch ein Recht der Koalition. Es ist in diesem Haus schon öfters vorgekommen, dass, wenn Abstimmungen nicht so zu verlaufen schienen, wie sie sollten, auch die Koalition von diesem Recht Gebrauch macht, um gegebenenfalls die Abstimmung mit den Abstimmungsverhältnissen, wie sie im Bundestag herrschen, später durchzuführen. Das ist also auch kein Recht der Opposition.

Schön wird es aber – dafür möchte ich die letzten Sekunden meiner Redezeit noch nutzen –, sich den Antrag inhaltlich anzuschauen. Es geht Ihnen ja nicht um ein digitales Stimmgerät – darüber wird schon lange diskutiert –; Sie formulieren, dass jeder Abgeordnete ein digitales Stimmgerät haben muss und dass mit diesem dann die Anwesenheit festgestellt werden soll. Sie möchten also ein digitales Überwachungsgerät für jeden Abgeordneten, das feststellt: Wer ist in diesem Sitzungssaal? Sie möchten, dass wir demnächst mit einem Chip herumlaufen.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihre Leute protestieren – wirr, wie sie sind – gegen das Chippen. Und diese Fraktion beantragt, dass wir demnächst mit einem Chip herumlaufen und dass elektronisch festgestellt wird: Wer ist hier wo in diesem Gebäude, im Sitzungssaal, auf der Toilette oder sonst wo?

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege.

 

Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU):

Das ist wirr, meine Damen und Herren. Deswegen müssen wir es ablehnen.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Timon Gremmels [SPD]: Die AfD will chippen, ha! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an die AfD gewandt: Ihr könnt das doch für eure Fraktion einführen!)