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Dr. Matthias Heider: Die Unternehmen selbst werden bereits effektiv belangt

Rede zum Unternehmensstrafrecht

Der Antrag der Linken zeigt, dass hier einige Fraktionsmitglieder vor lauter Gesellschaftskritik den Fachverstand ausschalten. Damit schaden sie nicht nur einer von Vernunft getragenen Debattenkultur, sondern letztlich auch der eigenen Wählerschaft, die Mitarbeiter dieser Unternehmen sein könnten. Davor müssen wir Die Linke heute bewahren und stimmen deshalb gegen ihren Antrag.

Nachvollziehbar ist, dass sich die Wut oft gegen das Unternehmen richtet, das erkennbarer ist als die dahinterstehenden verantwortlichen Personen. Doch bevor man aus Wut heraus politische Forderungen erhebt, sollte man über Sinn und Tragweite seiner Forderungen nachdenken. Das ist schon ein bisschen viel Barrikadentheater, das Sie uns hier in den letzten Tagen auftischen: erstens Solidarität mit den Gelbwesten, gegen Repressionen; zweitens Uploadfilter zerstören das Internet, gegen Meinungsfreiheit; drittens Enteignungen von Hauseigentümern, gegen Gier. Jetzt Unternehmen bestrafen, gegen – ja was eigentlich?

Wenn Sie also noch einmal in sich gehen, dann werden Sie feststellen, dass Sie fundamentale Prinzipien des Strafrechts und wesentliche Säulen des Grundgesetzes infrage stellen und damit der Wirtschaft, der Gesellschaft und eben insbesondere auch Ihrer eigenen Wählerschaft schaden. Denn dann werden Sie sich daran erinnern, dass nach unserer Rechtstradition das Strafrecht ausschließlich an menschliches Verhalten anknüpft. Tier und Maschine können ebensowenig bestraft werden wie die Rechtshülle eines Unternehmens. Bestraft wird der dahinterstehende verantwortliche Mensch. Deswegen kam auch nicht Arcandor in Haft, sondern Middelhoff, und nicht Unternehmen des Baulöwen Schneider, sondern er selbst. Die Unternehmen selbst werden bereits effektiv über das Ordnungswidrigkeiten-, Insolvenz-, Gewerbe-, Gesellschafts- und Kartellrecht belangt.

Bei weiterer Überprüfung des Antrags der Linken wird Ihnen auffallen, dass dieser dem rechtsstaatlichen Grundsatz „Keine Strafe ohne Schuld“ widerspricht: Das Rechtskonstrukt, die rechtliche Hülle Unternehmen, kann nicht über den Unrechtsgehalt seiner Tat reflektieren und folglich auch nicht schuldhaft handeln. Das BVerfG hat dieses Schuldprinzip seit jeher auch aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet.

Wenn Sie also sagen, das Strafrecht solle für Unternehmen abschreckende Wirkung haben, dann sage ich Ihnen: Ihr Antrag selbst hat abschreckende Wirkung – und zwar für jeden Bürger, der in einem Unternehmen arbeitet und an einen funktionierenden Rechtsstaat glaubt. Denn die reine Prangerwirkung einer Unternehmensstrafe träfe nicht nur die verantwortlich handelnden Personen, sondern auch unbeteiligte Arbeiter und Angestellte. Profitieren dürften hingegen die wirklich Verantwortlichen. Denn ohnehin schon schwer beschäftigte Staatsanwaltschaften würden ihre Ermittlungen vermutlich zuvörderst auf die Verfolgung des Unternehmens anstatt auf die wesentlich mühsamere Verfolgung der Einzeltäter konzentrieren.

Mag sein, dass die verehrten Kollegen der Linken den guten Willen haben, kriminelle Strukturen in Unternehmen effektiver zu sanktionieren. Diesen Willen hat die Bundesregierung auch und wird im Sommer einen Gesetzentwurf zum Unternehmenssanktionsrecht vorlegen. Zum Teil haben Sie ja sogar aus dem Koalitionsvertrag abgeschrieben, indem Sie zum Beispiel die Forderung übernehmen, dass sich Bußgelder künftig an der Wirtschaftskraft des Unternehmens orientieren sollen.

Die Tatsache aber, dass Sie im Gegensatz zur Koalition das Strafrecht als Mittel zur Sanktionierung wählen, nährt den Verdacht, dass es Ihnen hier wie so oft lediglich um eine Anprangerung unserer Wirtschaftsordnung im Ganzen geht. Sie versuchen, einen Keil zwischen Wirtschaft und Gesellschaft zu treiben, indem Sie Unternehmen von gewisser Wirtschaftskraft und Größe dämonisieren. Dem Großteil der verantwortungsbewussten Konzerne in Deutschland, die sich an Recht und Gesetz halten, Arbeitsplätze schaffen, hohe Steuern zahlen und sich für Nachhaltigkeit und Klimaschutz einsetzen, werden Sie damit nicht gerecht.

Deswegen appelliere ich an Sie: Bewahren Sie sich gern Ihre Emotionalität, aber lassen Sie zugleich auch Vernunft walten, und erkennen Sie endlich, welch wichtigen Beitrag die Wirtschaft zum Wohle der Bevölkerung leistet.