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Dr. Mathias Middelberg: Das Thema „Bekämpfung von Schleusung und Menschenhandel“ ist in unserem ureigenen Interesse

Rede zum globalen Migrationspakt

Verehrtes Präsidium! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich will den Ball, der hier zuletzt gespielt wurde, gleich mal aufgreifen. Wir als Hauptzielland der Migration haben das Ziel, die Dinge zu steuern und zu begrenzen. Wir sehen außerdem, dass Migration nicht in jeder Hinsicht nur ein positives Ereignis ist, sondern dass sie auch Probleme mit sich bringt.

(Zurufe von der AfD: Aha!)

Deshalb haben wir ein Interesse daran, die Dinge zu regeln.

Wie geht man das an? Man stellt zunächst einmal fest, dass wir die Dinge rein national gar nicht in den Griff bekommen können. Wir sind in unserem ganzen politischen Ansatz auf allen Politikfeldern auf internationale Kooperation angewiesen. Unser ganzer Wohlstand, die Substanz dieses Landes, basiert auf internationaler Zusammenarbeit und Kooperation.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege Dr. Middelberg, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion?

Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU):

Im Moment noch nicht. – Wir sind der drittgrößte Exporteur der Welt. 50 Prozent unserer Wirtschaftsleistung fließen in den Export. Es gibt kaum ein anderes Land auf dieser Welt, das eine so hohe Exportquote hat. Damit gibt es auch kaum ein anderes Land auf dieser Welt, das ein so großes Interesse an freiem Handel, an offenen Grenzen, an freiem Güter- und Warenverkehr, an Dienstleistungsfreiheit und anderem hat. Daraus folgt eine Erkenntnis: Wir werden alle relevanten politischen Fragen – auch die der Migration – nicht im nationalen Alleingang und nicht mit Abschottung, sondern nur mit internationaler Zusammenarbeit lösen können.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Egal ob wir mit Herkunftsländern, Transitländern, den Anrainern der EU, den Partnern in der EU an Dingen wie den Ausschiffungsplattformen in Nordafrika, Frontex, dem Ausbau der Grenzpolizei, einem gemeinsamen Asylsystem in Europa arbeiten – das alles ist nur erreichbar im internationalen Kontext, in der Zusammenarbeit mit anderen.

Wir haben – das sage ich Ihnen ausdrücklich; deswegen ist für mich die Unverbindlichkeit des Paktes nicht entscheidend – ein Interesse daran, dass wir in mehreren Punkten, die in diesem globalen Pakt angesprochen werden, eine Verbindlichkeit erzielen.

Einer der Kollegen hat es eben schon angesprochen: Die Lektüre hilft manchmal weiter.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Lesen wir einfach mal in diesem Pakt. Darin steht ausdrücklich, dass die Herkunftsstaaten alle Staatsangehörigen mit Nachweisen ihrer Staatsangehörigkeit und relevanten Dokumenten auszustatten haben, die es nationalen und lokalen Behörden ermöglichen, die rechtliche Identität von Migranten bei der Einreise, während des Aufenthalts und zum Zwecke der Rückkehr festzustellen.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: 2015!)

Was könnte denn mehr im Interesse der Bundesrepublik Deutschland als Zielland der Migration sein? Wir haben häufig Probleme, dass wir Menschen, deren Asylbegehren wir ablehnen, eben nicht zurückbringen können, weil Identitätspapiere fehlen, weil die Identität ungeklärt ist. Dieses Ziel zu verwirklichen, ist doch in unserem ureigenen Interesse.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ebenso verhält es sich – das ist eben vom Kollegen Lambsdorff, glaube ich, erwähnt worden – beim Thema „Bekämpfung von Schleusung und Menschenhandel“. Auch das ist in unserem ureigenen Interesse. Genauso ist das Thema „Management der nationalen Grenzen“ in unserem Interesse – das ist von Paul Ziemiak, glaube ich, angesprochen worden. Im Migrationspakt steht ausdrücklich, dass die Staaten verpflichtet sind, das Management ihrer nationalen Grenzen zu koordinieren und irreguläre Migration zu verhindern.

Ich nenne Ihnen noch einmal ein konkretes Beispiel dafür. Die Vereinbarung, die die Frau Bundeskanzlerin mit der Türkei in die Wege geleitet hat, ist ein Musterbeispiel für ein koordiniertes Grenzmanagement, das im Übrigen funktioniert. Denn: Seit diese Vereinbarung besteht, gibt es keine Menschen mehr, die im Mittelmeer ertrinken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist doch mehr als ein Beleg dafür, dass wir an dieser Art von Zusammenarbeit interessiert sind.

Von der Verpflichtung zur Rücknahme und Rückkehr habe ich bereits gesprochen. Nun geht es um Rechte von Migranten. Es wurde zu Recht erwähnt: Migranten sind Menschen, und ihnen stehen Menschenrechte zu. Und diesen Menschenrechten sind wir als Bundesrepublik Deutschland ohnehin verpflichtet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Amen!)

Dieses Mindestmaß an Rechten gewähren wir jedem.

Nun wird die Besorgnis vorgetragen, es gehe im Pakt um Rechte von Migranten, woraus Rechtsänderungen in unserem nationalen Rechtssystem abzuleiten seien. Mir hat noch keiner einen konkreten Punkt aus dem Pakt nennen können, der nicht bereits in unseren nationalen rechtlichen Standards erfüllt ist oder zu dem wir nicht bereits durch andere internationale rechtliche Vereinbarungen verpflichtet sind.

Ich nenne nur zwei Beispiele. In jeder Phase sollen die Migranten ein Recht auf Rechtsberatung erhalten. Das steht im Pakt drin; das wird von Kritikern vorgetragen. Diese Rechte werden bei uns erfüllt, etwa durch Rechtsberatung durch das BAMF bei der Einreise nach Deutschland. Im Übrigen ist dieser Punkt im Pakt nur ganz konkret im Zusammenhang mit möglichem Freiheitsentzug angesprochen. Zu einer solchen Rechtsberatung sind wir schon seit 1952 verpflichtet, weil wir die Europäische Menschenrechtskonvention unterschrieben haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wir werden hier zu nichts Weiterem verpflichtet.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege Middelberg, erlauben Sie eine Zwischenfrage eines AfD-Abgeordneten?

Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU):

Ja. – Es gibt aber keinen Fragesteller.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Doch, er ist gerade auf dem Weg zum Mikrofon.

Petr Bystron (AfD):

Herr Dr. Middelberg, vielen Dank, dass Sie mir das Wort geben. Ich möchte den Ball aufnehmen. Sie haben gleich am Anfang gesagt, Sie möchten die Migrationsfrage international lösen. Wir hatten schon internationale Verträge: Dublin war geltendes Recht.

(Marian Wendt [CDU/CSU]: Dublin ist immer noch geltendes Recht! Falschinformation! – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Hier geht es um Migration!)

Und Sie – das war Ihre Politik, Ihre Regierung, Ihre Partei – haben die Migranten nach Deutschland gelassen. Sie haben diese internationalen Verträge nicht eingehalten.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und jetzt versuchen Sie, ein neues Vertragswerk in die Welt zu setzen, und argumentieren hier mit diesem Vertragswerk.

Ich sage Ihnen eins: Da gibt es einen fundamentalen Unterschied. Die früheren Verträge, die die Migration geregelt haben, waren alle restriktiver Natur; sie haben versucht, Migration zu begrenzen. Dieser Vertrag – da haben die Kollegen von den Linken und den Grünen recht – ist ein Paradigmenwechsel. Hier wird schon in der Präambel postuliert, dass Migration etwas Gutes ist und dass wir sie jetzt verwalten sollen.

(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Waren Ihre Eltern eigentlich Flüchtlinge oder Migranten?)

Also bitte: Warum wollen Sie jetzt von Restriktion auf offene Grenzen umschwenken? Das ist die Frage.

(Beifall bei der AfD)

Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU):

Also, irgendwie sind Sie da nicht zutreffend im Bilde. Die Dublin-Vereinbarungen gelten nach wie vor,

(Lachen bei der AfD – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Bitte verkaufen Sie uns nicht für dumm!)

und die Frau Bundeskanzlerin hat auf dem Europäischen Rat im Sommer noch mal ganz konkrete Vereinbarungen dazu getroffen, dass die Partnerstaaten in Europa auch tatsächlich nach den Dublin-Verfahren handeln, dass also Menschen, die bei uns ankommen und in anderen europäischen Ländern schon Anträge gestellt oder womöglich schon ganze Verfahren durchlaufen haben, auch zurückgenommen werden.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Drei!)

Dazu hat das Bundesinnenministerium mittlerweile mehrere konkrete Vereinbarungen verhandelt. Das ist Ihnen möglicherweise entgangen. Ich kann Ihnen sagen, dass sich die Rückführungsquote nach Dublin in den letzten zwei Jahren – wir waren da bei einer zugegeben niedrigen Quote von 12, 13 Prozent – auf aktuell über 25 Prozent erhöht hat.

(Sebastian Münzenmaier [AfD]: 25 von 100!)

Diese Quote beabsichtigen wir weiter zu erhöhen. Wir beabsichtigen, an den Dublin-Verfahren festzuhalten. Wir wollen darüber hinaus auch noch weitergehen; denn wir wollen ein gemeinsames europäisches Asylsystem einrichten. Das muss das Ziel sein. Wir wollen nicht zurück zum Nationalen, sondern wir wollen mindestens zum Europäischen und besser noch darüber hinaus.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Kollegin Andrea Lindholz hat es ja schon gesagt: Der vorliegende Antrag stellt, glaube ich, in sehr ausgewogener und auch abgewogener Weise zutreffend die Position dieses Hauses dar. Ich werbe um Zustimmung. Ich sage Ihnen abschließend: Ich würde mich freuen, wenn wir demnächst, wenn wir über Migration diskutieren, nicht nur eine sachlichere Debatte anschlagen und das Thema nicht zur Angst- und Panikmache nutzen, sondern uns auch den konkreten Themen, die die Menschen wirklich interessieren und mit denen wir unmittelbar Politik beeinflussen können, zuwenden.

Damit wende ich mich der anderen Seite des Hauses zu. Ich würde mir von der anderen Seite des Hauses mehr Bewegung beim Thema „Erweiterung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten“ wünschen, also dass wir diese Liste um Staaten, bei denen die Anerkennungsquote deutlich unter 5 Prozent liegt – teilweise sind es 0,x Prozent –, erweitern.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das wäre eine wesentliche Verbesserung in der Praxis, die unmittelbare Wirkung hätte. Das Gleiche trifft auf Themen wie verbesserte Möglichkeiten bei Abschiebung und Rückführung zu. Ich nenne ein Zitat aus der rot-rot-grünen Koalitionsvereinbarung hier in Berlin:

Die Koalition hält Abschiebehaft und Abschiebegewahrsam grundsätzlich für unangemessene Maßnahmen

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

und wird sich deshalb auf Bundesebene für deren Abschaffung einsetzen.

(Marian Wendt [CDU/CSU]: Das ist Rechtsbruch!)

Da – das darf ich Ihnen mitteilen – sind wir komplett anderer Auffassung.

(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Deswegen sind Sie auch abgewählt worden in Berlin!)

Ich würde mich freuen, wenn wir mal bei diesen konkreten Fragen vorankämen und darüber hier im Haus diskutieren würden;

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])

denn das sind die Dinge, die wir unmittelbar entscheiden und beeinflussen können, und das interessiert die Menschen.

(Beifall bei der CDU/CSU)