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Dr. Jan-Marco Luczak: "Wir wollen nicht, dass Corona am Ende zu einer jahrelangen Schuldenfalle wird"

Rede zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen: Die Coronapandemie hat Unternehmer, aber auch Verbraucher hart getroffen, und zwar trotz der wirklich sehr, sehr umfangreichen Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen, die wir alle miteinander auf den Weg gebracht haben.

Deswegen muss man klar sagen: Es wird vermehrt zu Insolvenzen kommen, bei Unternehmern, aber auch bei Verbrauchern. Wir sagen ganz klar: Wir wollen nicht, dass Corona am Ende zu einer jahrelangen Schuldenfalle wird. Deswegen sagen wir: Wir wollen Verbrauchern und kleinen Unternehmen eine echte zweite Chance auf einen wirtschaftlichen Neuanfang geben. Deswegen setzen wir jetzt diese EU-Richtlinie um – für kleine Unternehmer, aber eben auch für Verbraucher. Wir verkürzen die Frist, innerhalb derer man sich seiner Schulden entledigen kann, von sechs auf drei Jahre. Damit geben wir eine echte Perspektive und zeigen ein Licht am Ende des Tunnels.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Sonja Amalie Steffen [SPD])

Ich finde das sehr richtig. Natürlich gab es auch Kritiker. Natürlich gab es auch Leute, die gesagt haben: Setzen wir damit nicht falsche Anreize? Machen wir jetzt Schuldenmachen zu einem Kavaliersdelikt? – Da muss man ganz klar sagen: Nein, das ist absolut nicht der Fall. – Denn wenn man sich das mal anschaut: Wer sind denn die Personen, die in die Privatinsolvenz gehen? Was sind die Gründe dafür? Es ist ganz oft die Krankheit, die Arbeitslosigkeit, die Trennung oder die Scheidung, die Menschen in wirtschaftliche Not bringt. Deswegen kann man schon sagen: Das Missbrauchspotenzial ist a priori sehr gering.

Aber natürlich nehmen wir diese Kritik ernst. Deswegen sagen wir: In dieser Wohlverhaltensphase von drei Jahren wollen wir durchaus auch streng sein. Deswegen sagen wir: Wenn jemand in dieser Wohlverhaltensphase neue, unangemessene Verbindlichkeiten eingeht, dann soll er natürlich von diesen Schulden nicht befreit werden, sondern er muss selbstverständlich alles dafür tun, dass er sich wohlverhält. Das ist, glaube ich, ein Gebot, das man den Gläubigern an der Stelle zubilligen muss.

Wichtig war uns, weil das Verfahren sich ein Stück weit verzögert hat, dass das alles rückwirkend in Kraft gesetzt wird. Alle Anträge, die seit dem 1. Oktober gestellt wurden, werden unter die verkürzte Restschuldbefreiungsfrist fallen. Das ist uns wichtig, weil wir Betroffene damit in einer für sie schwierigen Lebensphase vor einer gesellschaftlichen Stigmatisierung schützen und wir ein Licht am Ende des Tunnels anzünden. Wir geben den Betroffenen eine neue Perspektive. Deswegen, meine Damen und Herren, ist es ein guter Gesetzentwurf, den wir hier vorgelegt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Sonja Amalie Steffen [SPD])

Es gibt noch weitere Punkte, die wir mit dem Gesetzentwurf mitregeln. Darauf wird vielleicht mein Kollege Volker Ullrich eingehen. So stellen wir zu virtuellen Hauptversammlungen und zu den Aktionärsrechten noch etwas klar; die Aktionäre erhalten wieder ein umfangreicheres Fragerecht. Wir geben auch den ehrenamtlich Tätigen in den Vereinen wieder etwas mehr Rechtssicherheit, wenn sie ihre Mitgliederversammlungen digital durchführen wollen und das in den Satzungen nicht geregelt ist. Das erlauben wir jetzt; das stellen wir jetzt klar.

Mir ist aber noch ein Punkt wichtig, den wir in diesem Zusammenhang auch mitregeln, und zwar der gesamte Bereich der Gewerbemieten. Wir sehen, dass im Zuge der Bekämpfung der Coronapandemie viele Gewerbetreibende wirtschaftlich wirklich harte Einschnitte hinnehmen müssen. Restaurants und Hotels dürfen keine Gäste mehr haben. Klubs dürfen ihre Türen nicht mehr zum Tanz öffnen. Die Anzahl von Kunden im Einzelhandel wird limitiert, oder, wie es jetzt im Lockdown der Fall ist, der Einzelhandel wird sogar ganz geschlossen.

Das bedeutet natürlich für viele Unternehmen massive Einnahmeausfälle, während die Fixkosten etwa für Miete und Pacht weiterlaufen. Das wird trotz der auch wirtschaftlich sehr umfangreichen Hilfsmaßnahmen, die wir auf den Weg gebracht haben, dazu führen, dass viele Gewerbemieter in arge wirtschaftliche Not geraten. Unser Ansinnen ist, dass wir ihnen mit diesem Gesetz, das wir jetzt auf den Weg bringen, den Rücken stärken und vor allen Dingen für mehr Rechtssicherheit sorgen. Wir stellen jetzt klar, dass staatliche Maßnahmen, die etwa zu Schließungen im Einzelhandel führen, eine schwerwiegende Veränderung der Grundlage des Vertrages sein können, wenn die Nutzbarkeit der angemieteten Räume erheblich beeinträchtigt ist. Wir sagen so deutlich, dass wir das klarstellen, weil es in der Vergangenheit Rechtsprechung gab, die besagt hat, möglicherweise gebe es eine Sperrwirkung, sodass der Wegfall der Geschäftsgrundlage, um den es hier geht, möglicherweise gar nicht einschlägig ist.

Deswegen sagen wir klar: Es kann – es kann – ein Wegfall der Geschäftsgrundlage sein; es muss aber kein Wegfall der Geschäftsgrundlage sein. Das ist für uns ganz wichtig: Es kommt immer auf den Einzelfall an. Die Vermutung, die wir jetzt im Gesetz niederlegen, betrifft nur eine von drei Tatbestandsvoraussetzungen, die § 313 BGB vorsieht. Wir gehen als Gesetzgeber nicht so weit, dass wir die Rechtsfolge in irgendeiner Weise vorwegnehmen. Deswegen ist auch ganz klar zu sagen: Bei vielen gewerblichen Vermietern, die jetzt auch Wirtschaftshilfen bekommen, wird möglicherweise gar keine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegen, weil es am Ende zumutbar ist, am Vertrag festzuhalten. Es gibt auch andere Konstellationen, wo etwa die Parteien von vornherein bestimmte Situationen vorgesehen haben, wo man etwa die Miete am Umsatz festgemacht hat, wo man Sonderkündigungsrechte festgelegt hat, wenn der Umsatz aufgrund bestimmter Ursachen zurückgeht. Das sind alles Konstellationen, wo möglicherweise § 313 BGB gar nicht greifen wird.

Das war für uns als Union ganz wichtig: Wir wollten als Gesetzgeber die vertraglich vereinbarte Risikoverteilung nicht aufheben, wir wollten sie nicht umstülpen, wir wollten nicht einseitig einen Teil der Parteien bevorzugen. Denn – auch das zeigt ja die Erfahrung – es ist nicht immer so, dass der Vermieter der Starke ist. Es ist nicht immer so, dass der Mieter der Schwache ist. Wir haben alle noch den Fall Adidas vor Augen, wo ein wirklich milliardenstarker Konzern gesagt hat: Ich muss jetzt meine Miete nicht mehr zahlen. – Das ist nicht angemessen. Deswegen sagen wir auch in diesem Gesetz: Es kommt immer auf den Einzelfall an. – Wenn sich die vertraglichen Parteien im Wege einer individuellen Lösung schon auf etwas geeinigt haben, wie man mit den Folgen der Coronapandemie umgeht, dann – das ist selbstverständlich auch klar – muss das natürlich vorgehen. Dann kann am Ende nicht ein Gericht diesen vertraglichen Willen, der sich in der Einigung manifestiert hat, ersetzen.

Wir geben damit Rückenwind für Verhandlungslösungen; das ist unser Ziel.

(Mechthild Rawert [SPD]: Die SPD hat die Tür geöffnet!)

Die Parteien sollen sich zusammensetzen, damit am Ende eine gute Lösung für alle Parteien herauskommt.

Vielen Dank, dass Sie das unterstützen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Sonja Amalie Steffen [SPD])

Vizepräsident in Claudia Roth:

Vielen Dank, Dr. Jan-Marco Luczak. – Nächste Rednerin: für die FDP-Fraktion Katharina Willkomm.

(Beifall bei der FDP)