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Dr. Jan-Marco Luczak: Wir müssen vor allen Dingen etwas dafür tun, dass Straftaten verhindert werden

Redebeitrag zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen: Oft tut auch derjenige Unrecht, der nichts tut. Und wer Unrecht nicht verbietet, obwohl er es könnte, der befiehlt es. – Dieses Zitat ist jetzt fast 2 000 Jahre alt, aber es ist nach wie vor höchst aktuell und gibt uns Anlass, uns auch einmal selbstkritisch zu fragen: Haben wir Unrecht getan, weil wir nicht gehandelt haben? Haben wir Unrecht gar befohlen, weil wir etwas nicht verboten haben? Ich glaube, diese Fragen müssen wir uns angesichts der widerlichen Missbrauchsfälle, die wir jetzt gerade in Münster wieder haben erleben müssen, stellen.

Richtig ist natürlich: Wir haben gehandelt. Wir haben schon in der letzten Wahlperiode den Begriff der kinderpornografischen Schriften ausgeweitet und dadurch etwa Posing-Bilder verboten. Wir haben die Verjährung von Sexualstraftaten eingeschränkt. Wir haben unter Strafe gestellt, dass Bilder von nackten Kindern und Jugendlichen zum Tausch oder entgeltlich angeboten werden. Und wir haben auch die Mindeststrafe für den Besitz von Kinderpornografie auf drei Jahre erhöht.

Auch in dieser Wahlperiode – es ist schon angesprochen worden – haben wir etwa beim Cybergrooming, also wenn versucht wird, im Internet sexuelle Kontakte zu Minderjährigen anzubahnen, den untauglichen Versuch unter Strafe gestellt, und wir haben vor allen Dingen im Hinblick auf die Ermittlungen im Darknet, wo diese widerlichen Missbrauchsdarstellungen gehandelt werden, wo Geschäfte damit gemacht werden, den Ermittlungsbehörden effektive Mittel an die Hand gegeben, dort tatsächlich auch ermitteln zu können.

Richtig ist aber auch: In vielen Bereichen haben wir nicht gehandelt. An Vorschlägen hat es hier nicht gemangelt. Wir haben als Union – es ist erwähnt worden – ein umfassendes Positionspapier mit 26 ganz konkreten Vorschlägen auf den Tisch gelegt, das wir losgelöst von diesen konkreten Taten miteinander besprochen, diskutiert und entwickelt haben, also mit kühlem Kopf und nicht aus kurzfristiger Empörung heraus. Da ging es bei Weitem nicht nur um den Ruf nach höheren Strafen, sondern es war ein ganz umfassendes Konzept. Da ging es darum, die Hilfesysteme für Betroffene zu stärken und auszubauen, die Ermittler zu stärken, Präventionsangebote auszubauen, aber natürlich auch um konsequente Strafverfolgung und um höhere Strafen. Man muss sagen – es ist ein Papier der Union gewesen –: An uns hat es bestimmt nicht gelegen, dass die darin enthaltenen Punkte nicht umgesetzt worden sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch das gehört zur Wahrheit: Vieles ist gelungen, und das, was nicht gelungen ist, ist nicht gelungen, weil es politische Widerstände gab – auch in dieser Koalition.

Da wundert mich – das darf ich an der Stelle sagen, Frau Ministerin – der Sinneswandel, den Sie in den letzten Tagen durchlebt haben, dann schon, nämlich dass Sie zuerst gesagt haben: „Wir wollen keine höheren Strafen“, und sich jetzt hinstellen und sagen: „Wir wollen sogar weiter gehen als die Union“. Mit Blick auf den Besitz von Kinderpornografie sagen Sie, dass Sie mit unserem Vorschlag nicht einverstanden sind, sondern dass Sie das zu einem Verbrechen machen wollen. Frau Ministerin, Sie wissen ganz genau, dass wir schon seit Langem dafür eintreten, den Strafrahmen beim Besitz von Kinderpornografie zu erhöhen.

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Genau! Seit 2014!)

Und in dem Brief, den Sie angesprochen haben, den Kollege Frei und ich Ihnen geschrieben haben, haben wir ausdrücklich gesagt: Es sind Mindeststrafen. – An uns scheitert es nicht, wenn der Besitz von Kinderpornografie zukünftig ein Verbrechen sein soll, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zur Wahrheit gehört auch – und das sagen Sie völlig zu Recht –: Natürlich kann es nicht nur darum gehen, den Strafrahmen zu erhöhen, sondern wir müssen vor allen Dingen etwas dafür tun, dass Straftaten verhindert werden und, wenn sie begangen worden sind, dass die Ermittlungsbehörden, die Polizei und die Staatsanwaltschaft, auch effektiv ermitteln können.

Wir werden nach dieser Aktuellen Stunde, in 20 Minuten, über den Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Hasskriminalität reden. Da gibt es ein ganz konkretes Projekt. Da geht es darum, dass wir gesagt haben: Die Polizei und die Staatsanwaltschaften sollen in den sozialen Medien – wo es nicht nur vielfach Bedrohung, Hetze und Hass gibt, sondern wo es eben auch um die Bekämpfung von Kinderpornografie geht, wo furchtbare Missbrauchstaten abgebildet werden – die Möglichkeit haben, zu ermitteln und die Täter möglichst schnell zu identifizieren und zu bestrafen.

Nach dem, was jetzt von Ihnen vorgeschlagen worden ist, müssen Polizei und Staatsanwaltschaft zukünftig vorher immer ein Gericht einschalten; es gilt jetzt ein Richtervorbehalt. Sie wissen ganz genau, Frau Ministerin, dass das nicht unser Wunsch war, dass wir dagegen gekämpft haben, dass dieser Richtervorbehalt kommt, weil es den Ermittlungsbehörden ihre Arbeit nicht erleichtert. Deswegen bitte ich Sie doch sehr, Ihren Worten, die Sie hier gesagt haben, dass man den Ermittlungsbehörden stärker unter die Arme greifen muss, am Ende auch Taten folgen zu lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deswegen, meine Damen und Herren, am Ende der Appell: Lassen Sie uns handeln, lassen Sie uns schnell handeln! Denn das ist doch das Ziel, das uns eint: Wir wollen nicht, dass diese furchtbaren Missbrauchstaten noch einmal vorkommen. Wir wollen Kinder schützen, die aufs Tiefste in ihren Seelen verletzt sind, die ihr Leben lang traumatisiert sind. Deswegen: Lassen Sie uns, unabhängig von den politischen Streitigkeiten, die es natürlich immer gibt, gemeinsam dafür kämpfen, schnell zu handeln, und ein umfassendes Konzept auf den Weg bringen, damit so etwas in der Zukunft nicht mehr passiert. Darum bitte ich Sie um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der CDU/CSU)