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Dr. Georg Nüßlein: Nachhaltigkeit ist die Klammer zwischen Ökonomie und Ökologie und gern auch Sozialem

Redebeitrag in der einführenden Generaldebatte zur Nachhaltigkeit

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Nachhaltigkeit ist eine Erfindung der Grünen. Bevor jetzt Toni Hofreiter die Hosenträger schnalzen lässt, sage ich aber, wen ich mit den Grünen meine, nämlich die Förster, die im 18. Jahrhundert dieses Thema aufgebracht und gesagt haben: Man darf nicht mehr einschlagen, als nachwächst. Es ist also ein Prinzip der Generationengerechtigkeit und, Frau Mast, wenn Sie so wollen, auch ein soziales Prinzip; denn es geht darum, dafür Sorge zu tragen, dass die jetzige Generation nicht zulasten der nächsten lebt.

Das möchte ich an der Stelle mal ganz besonders unterstreichen: Es geht um beides – um Befriedigung der Bedürfnisse der jetzigen Generation und darum, das so zu machen, dass es nicht zulasten der nächsten Generation geht. Das ist eigentlich das Spannende an der Nachhaltigkeit als politisches Leitprinzip; es ist etwas, was wir uns immer vor Augen halten müssen, wenn wir auf dieser Grundlage politische Entscheidungen treffen.

Es ist damit natürlich auch ein zutiefst konservatives Prinzip – deshalb auch unsere Initiative als Unionsfraktion, dieses Leitprinzip hier in das Zentrum der Debatte des Deutschen Bundestags zu stellen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist Leitschnur unserer Politik. Und wer es nicht glaubt, möge bitte insbesondere an die ausgeglichenen Haushalte der letzten Jahre denken, die uns momentan in die Lage versetzen, die immensen Ausgaben zu schultern, die wir zur Bekämpfung der Coronakrise tatsächlich brauchen.

Und – auch das wurde gesagt –: Nachhaltigkeit ist die Klammer zwischen Ökonomie und Ökologie und gern auch Sozialem – absolut! An der Stelle muss ich jetzt sagen: Hinter uns liegen zehn fette Jahre. Fette Jahre nähren Wachstumsskeptiker, also diejenigen, die vollgegessen über Diät philosophieren.

(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])

Nur, meine Damen und Herren, wir werden schon in den nächsten Monaten erleben, dass Wachstum wieder ein wichtiges Thema wird. Und unsere Idee als Deutscher Bundestag muss es jetzt doch sein, weiter den Weg des nachhaltigen Wachstums zu gehen. Dass die Bundesrepublik Deutschland dies in den besagten letzten zehn Jahren getan hat, ist nachweisbar: Wir hatten in den zehn Jahren ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 34 Prozent; die Treibhausgasemissionen sind im gleichen Zeitraum um 14,5 Prozent zurückgegangen. Das heißt, es gelingt uns, Wachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Das ist doch die gute Botschaft, die man mal nach vorne stellen muss, statt des üblichen Gezänks, wer jetzt im Detail und im Kleinen recht hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Weg geht also. Wir müssen ihn mutig beschreiten und auch an die jetzige Generation und ihre Bedürfnisse denken. Sprich: Wir können nicht, wie es vorhin mal jemand auf der linken Seite getan hat, jetzt die Individualmobilität infrage stellen, ohne überhaupt beschreiben zu können, wie denn die Mobilität der Zukunft aussieht. – Das ist aus meiner Sicht ganz entscheidend.

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Läuft doch schon!)

– Sie waren doch gar nicht gemeint. Warum schreien Sie denn?

(Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich werbe hier für nachhaltige Prozesse in der Wirtschaft, wo wir auf das Thema Recyclingstärke setzen, auf das Thema „Daten als Rohstoff der Zukunft“, bei dem man schon sieht, wie wir uns tatsächlich vom Ressourcenverbrauch abnabeln können.

Ich halte auch für wichtig und richtig, dass wir beschlossen haben, einen CO2-Handel einzuführen, im ersten Schritt national. Da kritisiert die FDP, dass man mit einem festen Betrag beginnt. Mit irgendetwas muss man aber anfangen. Sie kommen schon noch zu dem Recht, dass es ein ordentlicher Handel wird. Aber die Idee muss natürlich sein, es auf europäischer Ebene entsprechend zu implementieren. Das ist nämlich die einzige Chance, um mit der angekündigten Anhebung von Klimazielen sinnvoll umzugehen, die einzige Chance, dass am Schluss die Lasten nicht wieder schwerpunktmäßig Deutschland aufgebürdet werden, sondern dass wir hier einen sinnvollen Ausgleich innerhalb Europas bekommen, wie wir ihn unbedingt brauchen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, nachhaltige Produkte sind eine große Chance für eine Industrie, die insgesamt natürlich etwas teurer ist als andere. Der Aspekt, Qualität zu produzieren, Premiumprodukte herzustellen, muss doch etwas sein, was uns alle miteinander antreibt, weil es „Made in Germany“ ausmacht, weil es unsere Chance auf eine nachhaltige Wirtschaft ist.

Ich werbe seit Langem dafür, so etwas wie einen Garantiewettbewerb einzuführen, also zu sagen: Jeder, der in Deutschland etwas in Verkehr bringt, soll sagen, wie lange er für sein Produkt Garantie gibt, damit die Menschen erkennen können, wie lang der Lebenszyklus eines Produkts ist, wie wertig es ist. Das führt dazu, dass manche Kaufentscheidung anders getroffen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Bei den Lieferketten haben wir uns kräftig über die Frage gestritten, was man da wieder abstrakt formulieren muss, weil es um Ideologie geht. Ich rate Ihnen: Lassen Sie uns im Bereich der Medizin anfangen. Wir haben jetzt in der Coronakrise gesehen, wie schwierig das Thema ist, wie unsicher es ist, dass die Mehrheit der Rohstoffe aus Asien kommt. Wenn wir regeln, dass in Zukunft, spätestens in drei Jahren, bei Ausschreibungen derjenige einen Zuschlag bekommen wird, der eine europäische Lieferkette nachweist und das Medizinprodukt am günstigsten liefert, dann, garantiere ich Ihnen, kommen solche Produktionsstrecken zurück nach Europa. Das ist nachhaltig mit Blick auf den Gesundheitsbereich, und es ist etwas, was auch umweltpolitisch nachhaltig ist. Denn die Billigproduktion in Asien lebt davon, dass Abwässer ungeklärt in den Wasserkreislauf geleitet werden. Das ist etwas, was ich persönlich für unerträglich halte.

Deshalb sage ich: vom Grundsatz her alles richtig, alles wichtig – da sind wir uns in weiten Teilen einig –, aber es gibt eine Menge an Dingen, die man tatsächlich tun soll. Was uns in diesem Haus belastet, ist, dass wir immer untereinander, gegeneinander einen ideologischen Streit führen, statt uns zu überlegen: Was kann man im Detail Sinnvolles tun, um das Thema Nachhaltigkeit voranzubringen und auch die deutsche Wirtschaft zu befördern?

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)