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Detlef Seif: Ein geeignetes und taugliches System kann nur ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem sein

Redebeitrag zu den finanziellen Lasten der Migrationspolitik

Ich würde dann mal anfangen. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Keuter, Sie können es hundertmal behaupten, aber wir haben eine ganz klare Zuständigkeitsordnung, wir haben den Föderalismus, und Sie fordern eine Masse an Zahlen an, die nicht in die Zuständigkeit des Bundes fallen. Deshalb ist Ihr Antrag – das ist eigentlich der entscheidende Satz – schon aus formalen Gründen, wegen fehlender Zuständigkeit, abzuweisen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die AfD spricht in ihrem Antrag von Lasten der Zuwanderung, von „finanziellen Lasten der Migrationspolitik“. Dadurch wird der Eindruck erweckt, dass Sie sich auf Zuwanderung insgesamt beziehen. Aber, meine Damen und Herren, die Zuwanderung nach Deutschland – ich sage es einmal genau so, wie Sie andersherum reden – in die Arbeitsmärkte, in die Wirtschaft ist existenziell für unser Land.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben Menschen mit Migrationshintergrund in einer geschätzten Quote von 35 bis 40 Prozent in den letzten 60 Jahren. Unsere Sozialsysteme wären längst kollabiert. Die Renten könnten nicht mehr in diesem Umfang sichergestellt werden. Der Wohlstand wäre nicht in dem Maße gewährleistet. Das müssen Sie einfach einmal zur Kenntnis nehmen!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt wird es schlimmer. Man muss ja jeden Satz in Ihrem Antrag lesen. Sie sprechen von „sogenannten humanitären Gründen“, „Migranten aus sogenannten humanitären Gründen“, „sog. Fluchtursachenbekämpfung“.

(Zuruf von der AfD: Die wandern in die Sozialsysteme ein!)

Aber welche Fälle, welche Schicksale dahinterstehen, die machen doch erst deutlich, worum es hier eigentlich geht. Ich nenne ein paar Beispiele aus meinem Wahlkreis. Da ist die syrische Frau, die mit ihren beiden Kindern in den Kreis Euskirchen kam. Die Terrormiliz IS hatte ihren 18-jährigen Sohn aufgefordert, ins Militär zu kommen, beizutreten. Am nächsten Morgen, nachdem der Sohn das verweigert hatte, fand die Mutter den Kopf des Sohnes vor der Haustüre. Um ihren 16-jährigen Sohn zu schützen, ist sie mit ihm und ihrer Tochter dann nach Deutschland gekommen.

(Dietmar Friedhoff [AfD]: Die darf auch hierbleiben! Gerne!)

Ich nenne den zweiten von vielen Fällen, die mir das Deutsche Rote Kreuz, DRK-Kreisverband Euskirchen, genannt hat.

(Zurufe von der AfD)

– Hören Sie mal zu! Sie wissen ja gar nicht, um was es geht.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Erzählen Sie doch nicht so einen Scheiß! Natürlich hat diese Frau ein Recht! – Beatrix von Storch [AfD]: Und der Rest?)

Da sind zwei Flüchtlinge aus Guinea, die sich auf der Flucht kennengelernt haben. Der Frau drohte die Genitalverstümmelung – Herr Gauland, ich wünsche Ihnen nicht, dass Ihnen das passiert,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie sind ja bekanntlich ein Mann; da könnten Sie sich reinversetzen –,

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Was sollen diese dämlichen Vergleiche!)

sogenannte FGM. Das Dorf des Mannes wurde nach einer blutigen Auseinandersetzung niedergebrannt, seine ganze Familie getötet. – Das sind die Menschen, um die es hier geht.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Nein, um die geht es nicht! Das sagen Sie bewusst! Um die geht es aber nicht!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin froh – das zeigt ja die Zustimmung –: Wir in diesem Hohen Hause – bis auf einen erklecklichen Rest –

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

fühlen uns tatsächlich dem Völkerrecht verpflichtet und der Genfer Flüchtlingskonvention.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Wir auch!)

Jetzt kommen wir zu einem anderen Punkt. Menschen, die hinter derartigen Fällen stehen, bezeichnen Sie als „Migranten aus sogenannten humanitären Gründen“.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Nein! Um die geht es nicht! Das wissen Sie auch ganz genau!)

Ich kann es nur zusammenfassen: Was sind Sie für ein herzloser, unmenschlicher und menschenverachtender Haufen!

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das nenne ich Hass und Hetze! Hass und Hetze!)

Und, meine Damen und Herren, um bei der Begrifflichkeit dieser herzlosen Partei zu bleiben: Der Flüchtlingsschutz ist keine Positivrendite, es geht nicht um Gewinne.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das wäre auch absurd; dann würden wir die Menschlichkeit nur zeigen, wenn das mit Gewinnen verbunden ist, mit Rendite.

(Beatrix von Storch [AfD]: Reden Sie doch nicht so einen Stuss!)

Aber eines ist klar: Der Flüchtlingsschutz darf und soll nicht missbraucht werden für andere Zwecke; etwa für Wirtschaftsmigration.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ach nee!)

In Deutschland haben wir schon wesentliche Fortschritte gemacht mit den Asylpaketen.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Aber ich glaube, abschließend ist die Feststellung ja klar – wir wissen, welche Schwierigkeiten wir in der Europäischen Union haben –: Ein geeignetes und taugliches System kann nur ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem sein,

(Zuruf von der AfD)

das diesen Namen auch verdient. Lassen Sie die Hetze,

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Lassen Sie die Hetze!)

lassen Sie die Unmenschlichkeit und arbeiten Sie daran mit, –

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.

 

Detlef Seif (CDU/CSU):

– dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem vollendet wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Die Polen werden sich freuen über Ihr gemeinsames Asylsystem!)