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Christoph de Vries: Es geht darum, erhobene Daten gegen Fahndungsbestände der Sicherheitsbehörden abzugleichen

Rede zum Thema automatisierte Gesichtserkennung

Christoph de Vries (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ursprünglich wollte die FDP ja heute über die Bonpflicht debattieren.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Selber schuld!)

Ich glaube, da waren Sie zunächst auch auf der richtigen Spur, da haben Sie eine gewisse Kompetenz. Nun haben Sie sich umentschieden. Es wäre besser gewesen, Sie hätten sich für die erste Variante entschieden.

(Zurufe von der FDP)

Aber das kennen wir ja schon aus den Jamaika-Verhandlungen. Da haben Sie sich auch falsch entschieden. Es ist also ein kleines Déjà-vu.

Beschäftigen wir uns nun mit Ihrem Kernthema, der Angst vor dem Überwachungsstaat à la George Orwell hier in Deutschland. Aber worum geht es eigentlich? Kollege Middelberg hat das schon gut vor Augen geführt. Es geht darum, erhobene Daten gegen Fahndungsbestände der Sicherheitsbehörden abzugleichen und gegenzuchecken, um nichts anderes. In welcher Form und in welchem rechtlichen Rahmen das geschehen kann und soll, das ist doch noch alles völlig offen. Darüber kann man reden. Wir als Parlament hätten die große Chance, im Zuge der Beratungen zum Bundespolizeigesetz ein Zeichen für die Sicherheit in Deutschland zu setzen und eine gute Rechtsgrundlage für intelligente Videoüberwachung mit automatisierter Gesichtserkennung zu finden.

Das Problem ist doch, liebe Kolleginnen und Kollegen: Sie wollen diese Chance, die wir haben, mit Ihren Anträgen schon im Vorfeld vereiteln, bevor überhaupt ein Gesetzentwurf vorliegt.

(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist das!)

Damit wollen Sie jede Debatte im Keim ersticken. Da werden wir auf keinen Fall mitmachen. Das sage ich Ihnen hier an dieser Stelle ganz klar.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Was wir auch nicht teilen, ist Ihr grundsätzliches Misstrauen gegenüber den Sicherheitsbehörden in Deutschland.

(Zuruf des Abg. Benjamin Strasser [FDP])

Es ist vielfach angesprochen worden: Die Trefferrate, die wir im Testbetrieb hatten, lag bei unter 1 Prozent. Es ist eben nicht so, dass jeder, der dort fälschlicherweise als Treffer ausgelöst wird, gleich freiheitsentziehenden Maßnahmen unterzogen wird, sondern der Beamte guckt händisch, gleicht das ab, und erst dann werden Maßnahmen getroffen, wenn sie denn geboten sind.

Jetzt lassen Sie mich das mal ins Verhältnis setzen; denn Sie haben hier ja Ihre großen Berechnungen angeführt. Gleichen wir das einmal ab mit der analogen Welt von heute. Wie ist denn heute die Wirklichkeit? Wenn die Polizei eine Person öffentlich zur Fahndung ausschreibt, kommt das Bild auf Litfaßsäulen, in Zeitungen und wird sonst wo veröffentlicht, auch in Nachrichtensendungen. Bei jedem Fahndungsbild gehen Hunderte von Hinweisen ein, und die Polizei ist selbstverständlich verpflichtet, jedem einzelnen Hinweis nachzugehen. Das heißt, wenn Oma Erna der Meinung ist: „Mein Nachbar ist der Täter“, dann muss die Polizei dort klingeln und dem nachgehen.

(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist das! So ist das nun mal!)

Die Trefferungenauigkeit in der anlogen Welt ist doch eine deutlich höhere. Trotzdem käme niemand von Ihnen auf die Idee, das infrage zu stellen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Konstantin Kuhle [FDP]: Natürlich nicht, weil das ein absurder Vergleich ist!)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Kollege de Vries, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Höferlin?

 

Christoph de Vries (CDU/CSU):

Nein, die lasse ich nicht zu.

(Manuel Höferlin [FDP]: Die Zahlen interessieren Sie nicht!)

Wir machen jetzt mit den Beispielen weiter; Stichwort „Bahnhof“ Wenn dort Bundespolizeibeamte heute verdächtigte Personen überprüfen – dies findet in großer Zahl statt –, dann haben wir selbstverständlich auch eine Trefferungenauigkeit. Das betrifft auch viele Menschen, die sich nichts zuschulden haben kommen lassen. Auch da haben Sie bisher kein Problem gesehen. Glauben Sie denn – mit Blick auf die Effektivität der Fahndung –, dass ein Polizeibeamter Hunderte Fahndungsbilder von Straftätern und Terroristen im Kopf haben kann und diese ausfindig machen kann, wenn er am Bahnhof Streife läuft?

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kann er nicht! Ein totalitärer Anspruch, den Sie hier formulieren!)

Es ist einfach so: Die Nutzung intelligenter Videotechnik ist um ein Vielfaches effektiver als die bloße menschliche Wahrnehmung. Dass ausgerechnet die Parteien, die hier sonst jede Debatte zur Digitalisierung anmelden, der Bundesregierung in diesem Fall Vorwürfe machen, immer dann, wenn es um Sicherheit geht, Nein sagen und alles blockieren wollen – das ist wirklich völlig daneben.

(Beifall bei der CDU/CSU – Benjamin Strasser [FDP]: Das ist Quatsch! Völliger Unsinn!)

Das, was ich jetzt gesagt habe, zeigt doch, wie unbegründet Ihre Ängste vor dem Überwachungsstaat sind, die Sie hier auch heute wieder in der Diskussion zu verbreiten versuchen. Es zeigt, wie haltlos Ihre Forderungen sind.

(Zuruf der Abg. Anke Domscheit-Berg [DIE LINKE])

Ihre sicherheitspolitische Position ist wirklich fern jeder Realität. Das hat auch schon Kollege Middelberg deutlich gemacht.

Und das will ich Ihnen noch sagen: Gute Innenpolitik macht man nicht mit dem Schüren von Ängsten.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Grundsatz gilt im Übrigen nicht nur für die AfD, sondern auch für viele andere hier in diesem Raum bei dieser Debatte.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die ganze Zeit hier über Verbrecher reden und dann so was!)

Aber Sie bleiben Ihrer Linie treu, Herr von Notz; das muss man durchaus anerkennen. Sie stellen hier im Haus datenschutzrechtliche Maximalforderungen. Diese sind Ihnen wichtiger als der Schutz der Bürger vor Terroristen, vor Gefährdern, vor schweren Straftätern.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Schutz der Menschenwürde! Nehmen Sie das endlich einmal zur Kenntnis!)

Bei uns ist es umgekehrt; das kann ich Ihnen sagen. Wenn sich im parlamentarischen Verfahren die Möglichkeit bietet, werden wir deshalb die Nutzung der intelligenten Videotechnik unterstützen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)