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Christoph Bernstiel: Wenn wir über das Thema Islamismus reden, dann reden wir zweifelsohne über eine absolut reelle Gefahr

Redebeitrag in der aktuellen Stunde zu Lehren aus den Attentaten in Frankreich

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die AfD hat heute eine Aktuelle Stunde einberufen, um auf die Attentate in Frankreich zu reagieren und Lehren daraus zu ziehen. Sehr geehrter Herr Curio, was Sie hier aber dargeboten haben, haut dem Fass wirklich den Boden aus. Denn Sie haben nicht mit einer Silbe den Opfern in Frankreich oder in Dresden gedacht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Karsten Hilse [AfD]: Der Opfer gedacht!)

– Und jetzt beschweren Sie sich darüber, wie das ausgesprochen wird. Das ist unfassbar, auch mit welcher Rhetorik Sie hier wieder aufgetreten sind.

(Zurufe von der AfD)

– Hören Sie zu! – Es geht Ihnen überhaupt gar nicht darum, Lehren daraus zu ziehen. Denn wenn es Ihnen darum gehen würde, dann hätten Sie mal ein paar Lösungen angeboten. Das haben Sie in Ihrer Rede aber nicht getan.

Ich setze noch eins drauf: Wenn wir jetzt über die Attentate in Frankreich reden, dann stelle ich Ihnen eine ganz konkrete Frage: Was ist denn mit dem Attentäter in Avignon, der erschossen wurde? Das war nämlich ein Rechtsextremist, lieber Herr Curio.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Dr. Harald Weyel [AfD]: Wollen Sie das aufrechnen, oder was? – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doppelstandards!)

Und wenn Sie sich hierhinstellen und mal wieder den Eindruck erwecken, dass alle Muslime – und das haben Sie in Ihrer Rede auch gesagt – eine potenzielle Gefahr sind,

(Karsten Hilse [AfD]: Das hat doch niemand gesagt!)

dann ist das einfach schlichtweg falsch.

(Karsten Hilse [AfD]: Sie haben nicht zugehört!)

Ich möchte Ihnen sagen – vielleicht schreiben Sie sich das mit –: Jeder Islamist, der den Koran zitiert, repräsentiert genauso wenig den Islam wie ein Rechtsextremist Deutschland, wenn er die schwarz-rot-goldene Flagge schwingt.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Und wie man richtig trauert, ohne hier so eine polemische Aktuelle Stunde am Freitagnachmittag aufzusetzen,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Was heißt „polemisch“? Da sterben Leute!)

hat gestern der Kollege Konstantin Kuhle mit seinem Aufruf zu einer spontanen Andacht an der französischen Botschaft gezeigt. Und dafür möchte ich ihm an dieser Stelle ganz herzlich danken.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir über das Thema Islamismus reden, dann reden wir zweifelsohne über eine absolut reelle Gefahr. Ich möchte gerne zwei Zahlen aus aktuellen Berichten herausgreifen: Wir reden ungefähr von 28 020 Personen, die dem islamistischen Spektrum zuzuordnen sind, und – zum Vergleich, damit man die Zahlen einordnen kann – wir haben ungefähr 230 000 Personen, die wir dem rechtsextremen Spektrum zuordnen müssen. Das heißt, es ist mitnichten ein Randproblem und mitnichten etwas, dem wir nicht genauso viel Aufmerksamkeit widmen müssen, wenn es um den Schutz unserer Bevölkerung geht.

(Dr. Harald Weyel [AfD]: Dann nennen Sie mal die Opferzahlen!)

Jetzt möchte ich aber auf ein konkretes Problem hinweisen, weil das in der Debatte immer wieder erwähnt wird: Wenn wir tiefer in die Zahlen hineinschauen, dann können wir davon ausgehen, dass wir ungefähr 600 islamistische Gefährder in unserem Land haben. Wenn Sie diese rund um die Uhr bewachen wollen, dann brauchen Sie pro Gefährder 30 Beamte; ich hoffe, Sie können noch folgen. Dann sind wir bei ungefähr 18 000 Beamten, die wir bräuchten, um diese Gefährder rund um die Uhr zu bewachen. Dass das nicht möglich ist, ist, glaube ich, jedem hier klar.

(Karsten Hilse [AfD]: Ins Flugzeug reinsetzen und wegfliegen!)

Und genau deshalb setzen wir an der Stelle an, wo uns die moderne Technik Möglichkeiten liefert: Das ist die Telekommunikationsüberwachung. Ich möchte an dieser Stelle ganz herzlich auch unserem Koalitionspartner SPD danken, dass Sie endlich Ihren Widerstand überwunden haben und dieser gewichtigen Novelle des Verfassungsschutzgesetzes zustimmen, die ermöglicht, diese Quellen-TKÜ, wie sie auch genannt wird, auch bei niederschwelligen Verdachtsfällen einzusetzen. Denn nur so können wir effizient und mit den Methoden des 21. Jahrhunderts gegen Gefährder im Internet und auch real auf der Straße vorgehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

– Ja, da kann man ruhig mal klatschen; das hat die SPD verdient.

Und dann wird uns ja vorgeworfen, wir würden zu wenig gegen Islamismus unternehmen. Das ist einfach schlichtweg falsch. Das stimmt nicht. Ich hatte eben schon die Novelle des Verfassungsschutzgesetzes angesprochen, die erst in der letzten Woche durch das Kabinett ging. Wir haben bereits im März das Betätigungsverbot für die Hisbollah in Deutschland durchgebracht. Wir haben das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum. Bereits seit 2007 gibt es das Gemeinsame Internetzentrum, in dem es genau um die von mir erwähnte Kriminalität und Radikalisierung im Internet geht. Und bereits seit 2012 gibt es im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Beratungsstelle, die sich mit Deradikalisierung beschäftigt, also schon weit vor Ihrer Warnmarke 2015, die Sie ja immer wieder in den Medien hoch- und runterpropagieren. Also, diese Regierung tut etwas.

(Karsten Hilse [AfD]: Seitdem ist nichts mehr passiert!)

Ich möchte aber noch einen Punkt anbringen, der in den Debatten immer etwas zu wenig betont wird und untergeht: Ein aktuelles Beispiel hier aus Berlin: Ein Bekannter von mir, Unternehmer, befand sich in einem Hotel in der Nähe des Breitscheidplatzes. Er wurde in der Nacht von arabischstämmigen Menschen aufgesucht, die an seine Tür pochten, sagten: „Allahu akbar“ und „Allah wird euch alle richten“. Daraufhin zeigte er diesen Vorfall bei der Berliner Polizei an.

(Karsten Hilse [AfD]: Gut, dass er das gemacht hat!)

Die rückte auch umgehend an, wollte aber nichts von Terrorverdacht hören. In der Anzeige war nur die Rede von Bedrohung. Und auf wiederholte Nachfrage, warum dem nicht nachgegangen wurde, wurde mit Datenschutz argumentiert. Diese Anzeige wurde dann letztendlich gar nicht mit einem Terrorverdacht in Verbindung gebracht.

Meine Damen und Herren, solche Fälle gehen nicht. Und wenn wir in Zukunft Gefährder schneller erkennen wollen, um Taten zu verhindern, dann müssen wir solche Fälle ernst nehmen. Ich werde diesem Punkt nachgehen. Liebe AfD, Sie können sich sicher sein, dass das Thema Islamismusbekämpfung bei uns genauso gut aufgehoben ist wie das Thema Rechtsextremismus- und Linksextremismusbekämpfung.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)