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Bettina Margarethe Wiesmann: "Kinder sind in ihrer Entwicklung zu schützen"

Änderung des Grundgesetzes zur ausdrücklichen Verankerung der Kinderrechte

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Unsere Gesellschaft und unsere Grundansichten sind nicht starr, sondern verändern sich. Auch das Grundgesetz wurde immer wieder angepasst, seit 1949 mehr als einmal pro Jahr. Das ist lebendige Demokratie, und auf diese Elastizität, zu der auch ein Stück Widerstand gegenüber Moden gehört, können wir stolz sein.

Warum brauchen wir ein Kindergrundrecht? Weil Kinder, Minderjährige für unsere Gesellschaft von elementarer Bedeutung sind. Sie sind nicht eh da, wie man früher gedacht hat, und sie sind kein Anhängsel; sie sind systemrelevant. Deshalb dürfen wir nicht hinnehmen, dass bis heute Kinder weder ausreichend geschützt noch angehört werden, wenn es um ihr Wohlergehen geht. Übrigens: Ohne soziale Kontakte und ohne Schule werden junge Menschen in ihrer Entwicklung beeinträchtigt. Wir müssen uns schon fragen, ob wir das in der Pandemie genügend beachten. Wir können das jedenfalls nicht allein den Eltern überlassen. Legislative, Exekutive, alle Ebenen sind gefragt.

(Beifall der Abg. Susann Rüthrich [SPD])

Dass Kinder alle Grundrechte beanspruchen dürfen, musste uns das Bundesverfassungsgericht seit 1968 mehrfach ins Stammbuch schreiben. Man kann das in den 154 Bänden der Entscheidungen suchen, oder man schreibt es eben doch an die richtige Stelle ins Grundgesetz, wo es von jedem gefunden und dann auch beachtet werden kann.

(Beifall der Abg. Susann Rüthrich [SPD])

Worum geht es uns dabei im Einzelnen? Erstens. Pflege und Erziehung sind Recht und Pflicht der Eltern. Sie haben die Erstverantwortung für ihre Kinder; das betonen wir in dem Entwurf nochmals und stärken damit das Elternrecht.

Zweitens. Kinder sind in ihren Rechten und in ihrer eigenen Entwicklung zu achten und zu schützen. Selbstverständlich? Nein, das müssen wir manchen Eltern bis heute, aber vor allem auch vielen staatlichen Stellen hinter die Ohren schreiben. Ich will weder übergriffige Eltern noch einen übergriffigen Staat. Wir stärken die Kinder, ohne sie dem Staat auszuliefern, und natürlich stärken wir damit auch Familien.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Drittens. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Jeden Tag sorgen Eltern als Treuhänder für das Wohl ihrer Kinder. Der Staat als Wächter muss das Wohl erst ermitteln; denn jedes Kind ist einzigartig. „Angemessen“ heißt deshalb, das Wohl des Kindes zu berücksichtigen – nicht ausschließlich, aber auch nicht nachrangig. Mehr verlangt übrigens auch die UN-Kinderrechtskonvention nicht. Damit verpflichten wir besonders den Staat zur Sorgfalt; das ist wichtig.

Viertens. Kinder müssen rechtliches Gehör finden. Sie können sich kaum selber auf Artikel 103 Grundgesetz berufen. Staat und Justiz müssen Wege finden, um Kinder in Rechtssachen immer zu achten. In dieser Wahlperiode haben wir dazu viel auf den Weg gebracht, aber wir sind noch nicht am Ziel. Werden Kinder richtig beachtet, wenn sich Eltern scheiden lassen, wenn sie Jugendhilfeverfahren unterliegen, wenn sie missbraucht, misshandelt worden sind? Wir wissen das seit Langem, aber es dauert zu lange. Deshalb erhöhen wir mit dieser Grundgesetzänderung den Schutz und die Beteiligung der Kinder in eigener Sache.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Regierungskompromiss weist einen klugen Weg. Kompromisse sind Errungenschaften aus vertiefter Debatte und der Bereitschaft, aufeinander zuzugehen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Bitte kommen Sie zum Schluss, Frau Kollegin.

 

Bettina Margarethe Wiesmann (CDU/CSU):

Das ist ein Wesenskern unserer Ordnung. Ich danke deshalb dem Koalitionspartner für die Bereitschaft bisher, und ich ermuntere Grüne, FDP und gern auch die Linken, auf die Koalition zuzugehen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Jetzt, bitte.

 

Bettina Margarethe Wiesmann (CDU/CSU):

Ihre Gesetzentwürfe lassen das zu. Ein guter Kompromiss wird realen Missständen abhelfen.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Frau Kollegin Wiesmann, bitte.

 

Bettina Margarethe Wiesmann (CDU/CSU):

Es müssen auch die Zurückhaltenden unter uns diese Verantwortung wahrnehmen. Ich für meinen Teil werde jeden weiter loben, der dazu beiträgt, und ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)