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Axel Müller: Ein Gesetz muss praxistauglich sein

Gesetz zur Bekämpfung der Haushaltsuntreue und Verschwendung öffentlicher Mittel

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gesetzesvorschlag der AfD zur Haushaltsuntreue – machen wir den Stresstest. Prüfmaßstab sind für mich die folgenden vier Regeln:

Regel Nummer eins: Bevor man ein neues Gesetz erlässt, sollte man sich zunächst die Frage stellen, ob es denn überhaupt notwendig ist. Sie von der AfD begründen dies mit einer enormen Verschwendung an öffentlichen Mitteln. Entscheidend ist jedoch, ob eine Regelungslücke besteht. Der Kollege Luczak von der CDU hat dies bereits ausgeführt. Dem ist mitnichten so; denn es gibt den Straftatbestand der Untreue in § 266 des Strafgesetzbuchs.

(Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]: So ist es!)

Danach kann auch bestraft werden, wer öffentliche Mittel zweckwidrig verwendet oder gegen Haushaltsgrundsätze verstößt.

Ich kann hier beitragen, dass ich in meiner Eigenschaft als Stadtrat in meiner Heimatgemeinde einen früheren Stadtkämmerer bei der Staatsanwaltschaft diesbezüglich – ich nenne es mal so – gemeldet habe. Sie hat zwischenzeitlich wegen Überschreitung der Haushaltskredite und auch wegen der Verstöße gegen das Haushaltsgrundsätzegesetz Anklage erhoben. Das Hauptverfahren ist zwischenzeitlich eröffnet. Wir werden sehen, wie es ausgeht.

Herr Kollege Straetmanns von den Linken, gestatten Sie mir eine Ergänzung zu Ihrer Rede: Der AfD-Stadtrat in Stuttgart ist nicht nur angeklagt, nein, er ist zwischenzeitlich auch rechtskräftig wegen Untreue verurteilt worden.

(Beifall der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Friedrich Straetmanns [DIE LINKE]: Vielen Dank für die Info!)

Die AfD begründet ihren Gesetzentwurf weiter mit ihrer Unzufriedenheit mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Die Kollegin Steffen hat das Urteil des Bundesgerichtshofs zur sogenannten Bugwellenentscheidung bereits ausführlich dargelegt. Danach sind eben bloße Haushaltsüberschreitungen oder letztendlich folgenlose Haushaltswidrigkeiten nicht strafbar, insbesondere dann, wenn das Geld am Ende den Bürgerinnen und Bürgern doch zur Verfügung gestellt wird bzw. in öffentlichen Einrichtungen, die die Bürger nutzen können, der Allgemeinheit dient.

Wenn ein Parlament schon gesetzgeberisch tätig wird, weil es mit der Rechtsprechung der Gerichte nicht mehr zufrieden ist: Ja, wo bleibt denn da die Unabhängigkeit der Justiz, wenn man die Justiz auf diese Art und Weise ans Gängelband legen will?

Regel Nummer zwei: Wer will, dass sein Werk abgenommen wird, der sollte es mängelfrei erstellen. Ihr Gesetzentwurf weist jedoch gleich mehrere handwerkliche juristische Mängel auf. § 1 des Strafgesetzbuchs nennt in Anlehnung an Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes den sogenannten Bestimmtheitsgrundsatz. Dieser verlangt, dass ich weiß, wenn ich mich strafbar mache, welche Tathandlung mich zu einem Straftäter werden lässt. Sie schreiben in Ihrem Gesetzesvorschlag unter anderem, dass Haushaltsuntreue bereits bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen Mitteleinsatz und verfolgtem Nutzen vorliege, ohne diesen unbestimmten Rechtsbegriff mit Leben zu erfüllen. Sie verweisen dazu auf den Straftatbestand des Mietwuchers in § 291 des Strafgesetzbuches, verschweigen aber, dass dieser unbestimmte Rechtsbegriff beim Mietwucher geregelt ist durch den Verweis auf das Gesetz zur Regelung der Miethöhe. Dort ist definiert, was ein auffälliges Missverhältnis ist.

Regel Nummer drei: Ein Gesetz muss praxistauglich sein. Sie wollen in Ihren Straftatbestand eine Art Persilscheinregelung einführen, die die Strafbarkeit dann entfallen lässt, wenn eine Unbedenklichkeitsbescheinigung einer wie auch immer gearteten unabhängigen Prüfstelle erteilt wird, möglicherweise des Rechnungshofs. Das ist zum einen juristisch bedenklich, weil künftig – so schreiben Sie es ja auch – eine Stelle außerhalb der Justiz entscheiden können soll, ob sich jemand strafbar gemacht hat oder nicht. Es ist aber vor allen Dingen praxisuntauglich, weil diese Stelle ohne demokratische Legitimation entscheidet, ob eventuell ein laufendes Projekt überhaupt zu Ende geführt werden kann.

Regel Nummer vier: Strafgesetze wie auch sonstige Gesetze sollen zum einen das Zusammenleben der Menschen regeln und nicht Zwietracht säen und zum anderen natürlich den demokratischen Rechtsstaat stärken. Es wurde von meinen Vorrednern bereits ausgeführt, wie Sie kommunale Mandatsträger künftig behandeln wollen. Sie wollen die Strafbarkeit auf diese Gruppe, die ausdrücklich nach § 11 des Strafgesetzbuches von einer Strafbarkeit ausgeschlossen ist, erweitern. Ja, wie soll denn da noch jemand bereit sein, sich ehrenamtlich politisch zu engagieren, ein kommunales Mandat zu begleiten, wenn er von Anfang an mit einem Bein im Gefängnis sitzt? Meine sehr verehrten Damen und Herren, Demokratie lebt von den Ehrenamtlichen, insbesondere auf der kommunalen Ebene.

Ich komme zum Schluss. Nach fünf Minuten Redezeit ist das Ergebnis meines Stresstests: vier Regelverstöße und Demokratiefeindlichkeit aufgedeckt.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Am Ende kann man Ihnen dafür nur die Rote Karte zeigen.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)