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Armin Schuster: Wir wollen die Voraussetzungen für die Abschiebehaft absenken

Rede zur Zuständigkeit des Bundes bei der Gefahrenabwehr

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, das ist ein ernstes Problem; Herr Kuhle hat das richtig gesagt. Die Große Koalition der letzten Wahlperiode – ich hoffe, das gilt auch für die Große Koalition der jetzigen Wahlperiode mit dem Vertrag, den wir gemacht haben – hatte aber eine extrem klare Sprache gegenüber ausländischen Gefährdern. So hieß es in der letzten Wahlperiode: Wer schwere Straftaten begeht oder als Gefährder erkannt wird, verwirkt sein Recht auf Asyl in Deutschland.

Das ist der Geist, in dem wir 2016 das Asylpaket II gemacht haben. Erleichterte Ausweisung

(Zuruf von der AfD: Aber Sie schieben doch nicht ab!)

und Abschiebung krimineller Ausländer, das ist der Geist, in dem wir im Sommer 2017 die Möglichkeiten der Abschiebehaft und des Ausreisegewahrsams deutlich ausgeweitet haben. Das ist der Geist, in dem wir die Residenzpflicht beschlossen haben. Ich könnte noch mehr Beispiele nennen.

Der aktuelle Koalitionsvertrag, der gerade zur Abstimmung steht, sieht vor – ich zitiere –:

Wer sein Aufenthaltsrecht missbraucht, um Straftaten zu begehen, muss unser Land verlassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Stephan Mayer hat es uns gerade erklärt. Sozialleistungsbetrug und BtM-Delikte kommen erschwerend hinzu. Ich hatte mir mehr vorgestellt, ich habe versucht, mehr durchzusetzen. Ich habe mich nicht durchsetzen können. Aber wir haben, hoffe ich, ja noch eine ganze Legislatur vor uns.

Meine Damen und Herren, wir wollen die Voraussetzungen für die Abschiebehaft absenken. Herr Kuhle, Ihre Analyse war absolut richtig: Diejenigen, die ausreisepflichtig sind, müssen schneller abgeschoben werden.

(Beifall des Abg. Konstantin Kuhle [FDP])

Deshalb ist die Idee der Einrichtung von AnkER-Zentren, die wir im Koalitionsvertrag vorsehen, genau der richtige Punkt, um an den Ursachen zu arbeiten.

(Jürgen Braun [AfD]: Sie müssen handeln!)

Darum geht es Ihnen von der AfD nicht. Ihr Gesetzentwurf ist eigentlich überflüssig. Wir tun das alles schon. Ihre Lösungen sind wenig durchdacht.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Handeln Sie endlich!)

Herr Reusch, ich bin kein Jurist. Deswegen ist es mir etwas peinlich, dass ich Sie belehren muss.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Meldepflichten für ausreisepflichtige Gefährder gibt es schon längst.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Wenn ein Extremismusbezug besteht, gibt es sogar eine solche Pflicht. Das muss die ABH nicht verhängen, aber wenn sie es nicht verweigert, muss sich eine solche Person wöchentlich melden.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Er tut es aber nicht! Sie kümmern sich gar nicht darum!)

Der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist: Sie schießen mit der Pumpgun, wir machen das präzise nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das heißt: Wir haben die Chance, hier etwas zu tun, wir müssen aber nicht. Es ist die Gefährdungsintensität, die wir einschätzen. Sie gehen nach dem Prinzip Schleppnetz vor, wir nehmen die Harpune.

Die dauerhafte Gefährderhaft im Aufenthaltsrecht vorzusehen, wie Sie das wollen, ist ein weiterer rechtssystematischer Fehler. Sie wollen eigentlich allgemeine Gefährdungssachverhalte ansprechen, wollen das aber im Aufenthaltsgesetz regeln. Was ist das für ein juristischer Wahnsinn?

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die können es einfach nicht!)

Das Aufenthaltsgesetz zielt auf Aufenthaltsbeendigung Ausreisepflichtiger. Wenn Sie einen Gefährder haben, der das gar nicht ist – den Fall wollen Sie ja auch behandeln –, dann müssten Sie das im Polizeirecht regeln. Die Polizeihoheit liegt aber bei den Ländern. Dass das geht – Stephan Mayer hat es nicht erwähnt; er ist sehr bescheiden –, beweist Bayern. Dort gibt es die Ausweitung des Präventivgewahrsams für Gefährder mit Richtervorbehalt. Das ist eine wunderbare Lösung. So macht man das grundgesetzkonform. Das werden Sie wahrscheinlich nie verstehen. Eine Vorlesung von einem Nichtjuristen für einen Juristen, das gefällt mir.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Herr Schuster, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Brandner?

Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU):

Eigentlich lasse ich Zwischenfragen immer zu. Im Moment habe ich aber die Pflicht, dazu beizutragen, dass diese Debatte pünktlich zu Ende geht, weil eine Sondersitzung des PKGr stattfindet.

(Dr. Eva Högl [SPD]: Was ist das für eine Begründung?)

Wir treffen uns wieder, versprochen.

Meine Damen und Herren, Sie sehen in Ihrem Antrag die Bundeszuständigkeit für Gefahrenabwehr vor. Das ist nur noch mit Humor zu ertragen. In diesen zwei Zeilen wird Artikel 20 des Grundgesetzes eben mal in die Tonne getreten.

(Dr. Eva Högl [SPD]: Ja, genau!)

Entschuldigung, lesen Sie bitte Artikel 20 des Grundgesetzes, dort steht, was das hier für ein Land ist. Dass Sie eine zentralstaatliche Ordnung lieben, das erschließt sich, glaube ich, jedem hier. Aber wir haben mit der föderalen Sicherheitsarchitektur seit Jahrzehnten eine Qualität bewiesen, die Sie noch nicht begriffen haben. Entschuldigung!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt im Rahmen der föderalen Sicherheitsarchitektur Überforderungssituationen – ja! –, und an denen müssen wir arbeiten. Das tun wir zum Beispiel im Untersuchungsausschuss „Amri“ – mit Sicherheit. Aber weit über 90 Prozent des polizeilichen Alltags in der Gefahrenabwehr sind bei den Ländern wunderbar aufgehoben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In Wirklichkeit möchte ich diese konkurrierende Kooperation der Länder.

Wir lernen immer von den Besseren. Deswegen kann ich, wenn ich schon Bayern erwähne, Baden-Württemberg nicht auslassen. Wie man es exekutiv besser löst, wie der Geist unserer Gesetzgebung umgesetzt wird, zeigt Baden-Württemberg mit seinem Sonderstab gegen Gefährder: Justiz, Ausländerbehörden, Polizeibehörden sitzen in einem Sonderstab und greifen die schlimmsten Patienten heraus, die sie haben, nämlich Intensiv- und Mehrfachtäter. Dann wird in einer Fallkonferenz das gemacht, was wir wollen: Die Sanktion des Fehlverhaltens muss auf dem Fuße folgen. – Die Abschiebungserfolge in Baden-Württemberg sind gut. Ich kann das nur allen 16 Ländern empfehlen; aber es ist eine Ländersache.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Herr Schuster, Sie müssen zum Schluss kommen.

Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU):

Im Übrigen wollen wir mit einem Musterpolizeigesetz dafür sorgen, dass wir zu einheitlichen Standards kommen. Aber das ist eine Verpflichtung der Länder, und ich hoffe, dass die Länder sie eingehen.

Letzter Satz: Konsequentes exekutives Handeln im Geiste unserer Gesetzgebung fördert in jedem Fall die Hilfsbereitschaft der Deutschen gegenüber den Integra­tionswilligen, aber dafür müssen wir die Konsequenz zeigen, dass diejenigen, die nicht integrationswillig sind, rauskommen. – Dafür haben wir alles getan.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Haben Sie nicht getan!)

Jetzt müssen wir es exekutiv umsetzen.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU)