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Armin Schuster: Jawohl, dieses Land braucht eine strategische Fernmeldeaufklärung im Ausland

Rede zur Reform und Kontrolle der Nachrichtendienste

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, da stimme ich Konstantin von Notz zu: Dieses Urteil ist wirklich ein Meilenstein. Es ist auch eine juristische Herausforderung, es ist eine technologische Herausforderung, darauf komme ich noch, und – das genießt unsere Fraktion ganz besonders – es ist eine einzigartige Bestärkung unseres politischen Kurses, was die Kraft eines Auslandsnachrichtendienstes anbelangt. Ich bin schlicht begeistert davon,

(Lachen der Abg. Benjamin Strasser [FDP] und Dr. André Hahn [DIE LINKE])

dass den Richtern die Balance gelungen ist, zu erklären: Jawohl, dieses Land braucht eine strategische Fernmeldeaufklärung im Ausland; jawohl, die ist auch anlasslos, da darf auch gespeichert werden, da dürfen Verkehrsdaten gespeichert werden.

Wären die Linken oder die FDP vor Ort in Karlsruhe zahlenmäßig stärker vertreten gewesen, hätten sie gelitten. Wenn Sie die 138 Seiten lesen, werden Sie an vielen Stellen feststellen, wie das Bundesverfassungsgericht von der Leistungsfähigkeit unseres Auslandsnachrichtendienstes überzeugt ist.

(Lachen der Abg. Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich zitiere: Es gibt ein „überragendes öffentliches Interesse“ an dieser Arbeit. Deswegen investiert diese Fraktion mit der SPD zusammen seit Jahren in die materielle, in die personelle Ausstattung dieser Dienste, in gesetzgeberische Reformen und jetzt in eine bessere Rechtskontrolle.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Ihr Gesetz ist doch verfassungswidrig!)

Meine Damen und Herren, ich bin wahrscheinlich der einzige parlamentarische Überlebende der Reform von 2016;

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Armin allein zu Haus!)

ich habe daran eng mitgearbeitet. Leider sind Frau Högl, Herr Lischka usw. nicht mehr da. Den damaligen Fraktionsvize spreche ich jetzt mal nicht an. Meine Damen und Herren, alles hat seine Zeit. Damals sagten die Sachverständigen zu unserer Reform von § 16 BND-Gesetz: epochal, international einzigartig. – Ich weiß, es gab auch Kritik. Ich selber habe massiven Druck empfunden, wie weit wir mit der parlamentarischen Kontrolle beim neuen BND-Gesetz gehen, auch im Hinblick auf die Mitarbeiter des BND.

Ich erinnere mich noch sehr gut. Damals hieß es: Die legen den BND an die Kette. Nein, das haben wir nicht getan. Wir haben 2016 eine starke Reform gemacht – alles hat seine Zeit –; jetzt machen wir eine zweite. Damals waren Dinge noch nicht gangbar, die, glaube ich, heute gangbar sind – ein deutlicher Beleg dafür, wie das Bundesverfassungsgericht auch zu unserer Lösung steht. Wir haben bis 31. Dezember 2021 Zeit. Das ist ein sehr deutliches Signal. Außerdem: Die politische Berichterstattung des BND an die Bundesregierung hat in diesem Urteil einen dicken grünen Haken bekommen.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Ja, ja. –

(Zuruf von der FDP: Jeder nimmt die Wirklichkeit anders wahr!)

Was liegt jetzt vor uns? Nicht das, was die FDP beantragt.

Was das Urteil überhaupt nicht aufgreift, ist die parlamentarische Kontrolle. Sie haben mit Ihrem Antrag komplett das Thema verfehlt.

(Benjamin Strasser [FDP]: Also hat Frau Esken keine Ahnung, oder wie?)

Als Vorsitzender des PKGr – innenpolitisch hat Thorsten Frei das Sagen – kann ich sagen: Ich habe große Lust, mit allen Fraktionen dieses Urteil zu studieren, und zwar intensiv, und darüber zu hirnen: Wie setzen wir das jetzt um? Juristisch, meine Damen und Herren, ist das nicht schwer. Das Bundesverfassungsgericht hat eine erstaunliche Detailtiefe entwickelt,

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Gott sei Dank! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gar keine Farbstifte, das will ich noch einmal festhalten!)

ich würde fast sagen: eine gewisse Liebe zum Gesetzgeber. „Achtung bei der Berufswahl!“, rufe ich den Richtern zu. Wir werden das jetzt angehen.

Der eigentliche Knackpunkt, meine Damen und Herren, ist die technologische Umsetzung dessen, was dieses Gerichtsurteil von uns fordert: neue Datenbanksysteme, neue Prozesse, neue Algorithmen. Das wird dauern. Ich rufe den BND-Mitarbeitern zu: Ich weiß, wir belasten euch immens. Erst kam die 2016er-Reform, dann die interne Reform, die ihr gemacht habt. Jetzt bitte noch einmal einen ganz großen Wurf. Es dient eurer Rechtssicherheit, es dient dem Vertrauen zu euch, weil es für eine unglaubliche Transparenz sorgt.

Vielleicht noch ein Hinweis an die FDP; dann höre ich auch auf, Frau Vorsitzende.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Ja.

 

Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU):

Der Polizist sagt, das ist ein Hüftdurchschuss,

(Heiterkeit des Abg. Uli Grötsch [SPD])

eine Woche nach so einem Urteil, wenn man selbst kaum vor Ort war, sich so schlecht vorzubereiten. Die Idee, das Amt eines parlamentarischen Nachrichtendienstbeauftragten zu schaffen, haben wir – fragt mal Hartfrid Wolff ‑gemeinsam beerdigt.

(Benjamin Strasser [FDP]: Ich schlage Sie auch vor! Hartfrid Wolff ist begeistert, ich habe mit ihm gesprochen! Wir schlagen Sie auch vor, Herr Schuster, als Nachrichtendienstbeauftragten!)

Diese Idee ist Quatsch. Ich kann euch nur eins sagen: Der Hüftdurchschuss hat zumindest die Scheibe getroffen, nicht die Zehn. Er ist weit daneben; aber die Scheibe habt ihr zumindest getroffen.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Schuster.

 

Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU):

Wir diskutieren auch mit euch. Sie haben gesagt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. – Ich sage: Vertrauen ist gut, Kontrolle auch; so muss es sein.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)