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Armin Schuster: Die überlebenden Opfer und Angehörigen erwarten eine ernsthafte, schonungslose Aufklärung

Rede zur Einsetzung eines 1. Untersuchungsausschusses

Danke. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Modus Operandi, Motive des Täters: Fast alles bei dem Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz war anders als bei der Mordserie des NSU. Doch es gibt eine schreckliche Parallele:

Das ist die Zahl der Opfer, der überlebenden Verletzten, der trauernden Angehörigen. Deswegen wundere ich mich über die in den letzten Tagen von Journalisten am meisten gestellte Frage: Warum braucht es eigentlich diesen Untersuchungsausschuss? Ich glaube, dass sich diese Frage selbst beantwortet.

Erstens erwarten die überlebenden Opfer und Angehörigen ganz sicher nicht nur Entschädigung, gute Betreuung und Hilfe. Ich glaube, sie erwarten vielmehr eine ernsthafte, schonungslose Aufklärung, und sie erwarten ernsthafte Konsequenzen aus den Fehlern, die wir feststellen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Garantiert aber erwarten sie nicht das, was in den letzten zehn Minuten dieser Debatte angeklungen ist: parteipolitischen Zank. Ich habe die Idee – ich glaube, dass wir hier Einvernehmen erzielen können –, dass wir vielleicht für das Mind Setting aller, die in diesem Untersuchungsausschuss sitzen, zuerst die Opfer, die Überlebenden und die Angehörigen, einladen. Ich glaube, dass ein solches Gesprächsformat für jeden hier gut ist, um sich noch einmal zu justieren und darüber klar zu werden, worum es hier eigentlich geht.

(Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])

Dem kann sich, glaube ich, kaum einer verwehren, der ein Herz im Leib hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Öffentlichkeit schaut – ich sage das in alle Richtungen – nach meiner Erfahrung aus zwei Untersuchungsausschüssen zum NSU sehr genau darauf, ob wir hier aufklären wollen oder ob wir hier parteipolitischen Zank veranstalten. Letzteres entspräche nicht dem Respekt, den wir dem, was geschehen ist, und den Opfern und Hinterbliebenen erweisen müssen.

Zweitens. Ja, über NRW, Berlin, Sonderermittler und Taskforces des Parlamentarischen Kontrollgremiums hinaus brauchen wir diesen Untersuchungsausschuss, weil wir ehrlich und präzise aufklären müssen, ob ein Netzwerk aus über 30, vielleicht sogar aus 40 Behörden – Aufenthaltsbehörden, Polizeibehörden, Justizbehörden und Nachrichtendiensten aus Bund, Ländern und Kommunen – funktioniert bzw. funktionieren kann. Ich sage es noch spitzer: Hätten alle in diesen 40 Behörden alles richtig gemacht, wäre es dann besser gelaufen? Ich bin mir nicht sicher. Genau das möchte ich in diesem Untersuchungsausschuss aufklären. Anders ausgedrückt: Ist das System überfordert gewesen, oder waren es Einzelfehler? Ich möchte nicht wie die AfD mit Vorverurteilungen in den Untersuchungsausschuss gehen. Lassen Sie uns bitte gemeinsam aufklären! Ich habe die große Hoffnung, Frau von Storch, dass Sie in der Lage sind, in einem solchen Ausschuss Ihr Weltbild zu verändern. Ein Untersuchungsausschuss ist das schärfste Schwert der parlamentarischen Demokratie. Da lernt man unter Umständen Dinge kennen, die das eigene Weltbild völlig erschüttern. Ich hoffe, dass Sie dazu bereit sind; es würde mich freuen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dritter Punkt. Der Bund hat schon zahlreiche Konsequenzen gezogen. Ich erinnere beispielhaft an das BKA-Radarsystem zur Gefährdereinschätzung, die Verschärfung der Abschiebehaft und die Erweiterung des Ausreisegewahrsams. Reicht das – das ist die Frage, die wir klären müssen –, oder braucht es mehr Reformen? Und: Haben wir die Opfer richtig behandelt? Ich bin sehr gespannt. Hoffentlich einigen wir uns auf ein Gespräch mit Kurt Beck. Seine Erfahrungen scheinen intensiv zu sein.

Meine Damen und Herren, die Anträge kommen von fünf Fraktionen. Die sechste Fraktion gewinnt vielleicht noch neue Eindrücke. Ich habe das Gefühl, Frau Renner, dass man zwischen einstimmig und einvernehmlich nicht so große Unterschiede machen muss. Ich glaube, dass man in einem solchen Untersuchungsausschuss durchaus in einem gemeinsamen Geist arbeiten kann. Ich darf als Letztes daran erinnern: Wir hatten ursprünglich die Einladung an alle ausgesprochen. Wer diese damals nicht annahm, will ich jetzt nicht vertiefen. Aber es gab einmal die Motivation der Unionsfraktion, eine komplette Einigung herbeizuführen. Dazu ist es aber nicht gekommen. Das lag nicht an uns. Jetzt ist es ein Neustart, ich glaube, ein guter. Ich bin froh, dass wir anfangen können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)