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Armin Schuster: Der Bund muss mehr Verantwortung erhalten

Rede zur Föderalismusreform III

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte eigentlich damit aufhören, Herr Strasser. Jetzt fange ich damit an: Sie wollen eine Regierungskommission. Das müssen wir schon genau benennen, so wie es in Ihrem Antrag steht.

(Benjamin Strasser [FDP]: Nein, nein! – Michael Theurer [FDP]: Föderalismuskommission ist eine gemischte Kommission!)

Jetzt einigen Sie sich einmal mit Ihrem Partei- und Fraktionschef. Der sagte hier gestern Mittag – Zitat –, eine gewisse Regierungspraxis sei es wohl geworden, Entscheidungen in Kommissionen zu verlagern, statt sie im Parlament zu treffen.

(Benjamin Strasser [FDP]: Weil Sie gar nicht handeln, Herr Schuster!)

Also, da muss ich Christian Lindner zustimmen. Das ist jetzt ein merkwürdiger Vorschlag von der FDP.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Im Übrigen, Herr Strasser, ist es eine ganz perfide Taktik, mich zu loben; aber Sie haben recht.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Ich widerstehe jedem Reflex, Sie jetzt in der üblichen Manier – Regierungsfraktion, Oppositionsfraktion – anzugreifen.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, da sind wir mal gespannt, Herr Schuster!)

Nein, das tue ich nicht, weil ich Ihren Antrag – ich gehe auf keines der vielen Details ein – gut finde.

(Beifall bei der FDP)

Ja, 80 Prozent der Inhalte dieses Antrags – da fehlen noch ein paar Sachen – sind in Ordnung. Warum? Sie sind fast alle von mir. Entschuldigung!

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Theurer [FDP]: Wieso? Haben Sie es geschrieben?)

Im Ziel dieses Antrags, meine Damen und Herren, sind sich unglaublich viele Sicherheitspolitiker in diesem Land einig – im Ziel! Der vorgeschlagene Weg einer Kommission ist eingetreten, ausgelatscht und bisher völlig unerfolgreich. Sie haben es selber aufgezählt: Otto Schily verliert mit ernsten Reformvorschlägen, die ich gut fand, 16 : 0 im Bundesrat.

(Benjamin Strasser [FDP]: Bitter, bitter, bitter!)

Wolfgang Schäuble hatte als Innenminister den Weg dafür gebahnt, endlich eine Schnittstellenbetrachtung der Bundeszollverwaltung und der Bundespolizei vorzunehmen – gescheitert! Die Werthebach-Kommission wurde erster Klasse von Hans-Peter Friedrich beerdigt. Ich glaube, er musste es, er wollte es vielleicht gar nicht. Wir haben zusammen mit der FDP in unserer gemeinsamen Regierungszeit eine Kommission eingerichtet,

(Benjamin Strasser [FDP]: Ja, 2012! Da waren wir noch gar nicht so lange dabei!)

um die Sicherheitsgesetzgebung zu evaluieren. Wir haben uns so verhakt – BMJ und BMI –, dass es nie zu einem Ergebnis kam. Der Empfehlungskatalog NSU 1.0 enthält Handlungsempfehlungen für die Sicherheitsarchitektur, die wir mit den Ländern nicht umsetzen konnten – es wird bis heute hartnäckig verweigert –,

(Michael Theurer [FDP]: Wer regiert denn in den Ländern?)

die darauf zielen, dass es in Fällen wie Amri oder NSU eine zentrale Ermittlungsführung mit Durchgriffsrechten gibt. Ich erinnere hier an den Anschlag vom Breitscheidplatz und die Rolle des GTAZ. Ich würde kein Gesetz machen, sondern einen anderen Weg gehen. Das müssten wir aber diskutieren.

Meine Damen und Herren, internationaler Terrorismus, Cybercrime, OK in Europa und weltweit – was für ein Anachronismus ist es da, dass der Bundesinnenminister in der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder nur ein Gastrecht genießt!

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Schuster, der Kollege Strasser würde gerne eine Zwischenfrage stellen.

Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU):

Ja, ich warte schon darauf.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

Benjamin Strasser (FDP):

Herr Kollege Schuster, Sie haben jetzt mit vielen schönen Worten erklärt, was alles notwendig wäre und warum man nicht handelt. Stimmen Sie mir nicht zu, dass das vor allem ein Problem der Unionsfraktion ist? Ich habe den Kollegen Krings hier einmal in der Fragestunde gefragt, wie die Bundesregierung sich denn jetzt stellt: auf die Seite von Herrn de Maizière und Ihnen, die sagen, dass wir Reformen im Bereich der inneren Sicherheit brauchen – das haben Sie in einem Gastbeitrag mit Herrn Binninger im April 2017 entsprechend dargelegt –, oder auf die Seite von Horst Seehofer, der „Passt schon“ sagt und lieber die Finger davon lässt?

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Stimmt doch gar nicht!)

– Hat er doch gesagt. – Was können wir als Parlament von dieser Regierung eigentlich noch erwarten?

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU):

Herr Strasser, mit der Performance verschlechtern Sie einen guten Antrag.

(Michael Theurer [FDP]: Das ist aber auch keine Antwort!)

Meine Damen und Herren, ich habe es versucht, ich versuche es noch einmal: Mit der FDP konnten wir bisher nicht so klug diskutieren, wie Sie gerade zum Thema Cybersicherheitsarchitektur und Onlinebefugnisse vorgetragen haben.

(Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: Genau! – Michael Theurer [FDP]: Sehen Sie, wir haben uns erneuert!)

Es ist ein sehr guter Antrag. Das ist das erste Mal, dass ich von Ihnen so etwas höre. Wir sind gesprächsbereit.

Zum Trennungsgebot. Sie sind auch eine Fraktion, die daran Schuld trägt, dass wir nicht weiterkommen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Benjamin Strasser [FDP]: Ach!)

Die Grünen regieren in diesem Land mit, oder sie regieren wie in Baden-Württemberg.

(Michael Theurer [FDP]: Die Grünen? – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit wem eigentlich?)

Freunde, wir müssen, wenn wir das, was Sie vorschlagen, tun wollen, konstruktiver über AnKER-Zentren und sichere Herkunftsstaaten reden können,

(Benjamin Strasser [FDP]: Ja, aber dann lassen Sie das doch eine Föderalismuskommission tun! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gerade waren Sie noch so konstruktiv, Herr Schuster!)

dann müssen wir konstruktiv über ein Muster-Polizeigesetz reden können.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie nicht die Mottenkiste auf!)

Jetzt komme ich zu uns.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja bitte!)

Ich schone uns nicht und betreibe Selbstkritik. SPD und Union sind in diesem Land garantiert dafür verantwortlich, dass einige Landesinnenminister sich aufführen, als wenn sie ein Fürstentum führen würden.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nicht nur die Innenminister, auch andere!)

So, das sage ich auch einmal. Das ist die Gemengelage, über Bodo Ramelow, Winfried Kretschmann und alle anderen Ministerpräsidenten. Sie von der FDP regieren in Nordrhein-Westfalen mit

(Benjamin Strasser [FDP]: Sie stellen den Innenminister!)

und wollten die Schleierfahndung nicht im Koalitionsvertrag haben, Herr Strasser. Das ist doch ein Oberwitz.

(Beifall bei der CDU/CSU – Benjamin Strasser [FDP]: Das ist jetzt ein billiges Argument!)

– Ich gestatte Ihnen sogar, sich jetzt wieder hinzusetzen. Sonst wäre es unfair.

Was will ich damit sagen? Wir haben zwei Kommissionen,

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben 55 Kommissionen, Herr Schuster! 55!)

die den Auftrag haben, den gordischen Knoten zu durchschlagen, den Sie und auch ich durchschlagen wollen. Die erste Kommission nennt sich Ministerpräsidentenkonferenz, und die zweite Kommission nennt sich Innenministerkonferenz. Meine Damen und Herren, da sitzen wir alle zusammen drin.

(Michael Theurer [FDP]: Was? Ich sitze da nicht drin!)

Alle zusammen sind wir dafür verantwortlich, dass sich diese Dinge nicht bewegen und wir sie nicht konstruktiv diskutieren. Und wenn die Regierungen in diesem Land, mit dieser bunten Farbenlehre, nicht in der Lage sind, diesen Knoten zu durchschlagen, dann ist es eine Aufgabe für uns hier in diesem Parlament.

(Beifall bei der FDP – Benjamin Strasser [FDP]: So ist es! Darum stellen wir den Antrag!)

Dann müssen wir uns dem Selbsttest aussetzen, ob wir in der Lage sind, so konstruktiv gemeinsam über all die strittigen Punkte zu diskutieren, dass wir zu einem Plan kommen. Ich glaube, dass solch ein Plan hochnotwendig ist.

Jetzt verrate ich Ihnen, warum ich nur 80 Prozent Ihres Antrags gut finde. Wenn wir das schaffen und eine nationale Sicherheitsstrategie, die wir gemeinsam entwickeln, obendrauf setzen, könnte ich mir – der Staatssekretär hält sich vielleicht besser die Ohren zu –

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär: Nein, nein!)

im Bundeskanzleramt auch einen nationalen Sicherheitsberater vorstellen.

(Benjamin Strasser [FDP]: Armin Schuster! Herr Krings wird Innenminister!)

Aber bei dieser Idee wird mir seit zehn Jahren erklärt: Vergiss es! Da machen die Länder nie mit.

Meine Damen und Herren, wir haben globale Bedrohungen, wir haben europäische Bedrohungen. Der Bund muss mehr Verantwortung erhalten. Ich bin der festen Überzeugung: Das alles gemeinsam in eine nationale Sicherheitsstrategie zu gießen und sie vielleicht auch mit einem Kopf zu versehen, wäre etwas, was die Lebensqualität der Menschen in Deutschland deutlich positiv beeinflussen würde.

Ich möchte – erstens – den Ländern etwas sagen. Wer glaubt, er müsse seine Pfründe verteidigen, der irrt in den Augen der Bevölkerung ganz sicher. Ihr sind Zuständigkeitserwägungen völlig wurscht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie will Sicherheit, und wir müssen sie garantieren.

Zweitens sei mir ein Satz an die Presse erlaubt, mit der ich seit zehn Jahren darüber diskutiere und von der ich immer den Satz höre: Ach, Herr Schuster, Strukturdebatten sind total langweilig und machen keine Auflage. – Liebe Journalisten, bleibt dabei! – Wir sollten uns aber nicht davon beeindrucken lassen, dass man damit nicht in die Zeitung kommt.

(Beifall bei der FDP)

Wir sollten es tun.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)