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Ansgar Heveling: Vermeintlich einfache Lösungen sind im Ergebnis meistens keine Lösungen

Rede in der Aktuellen Stunde zur Entwicklung der Wahlrechtsreforn

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Aktuelle Stunde im Deutschen Bundestag kann im Wesentlichen zu zwei Dingen die Gelegenheit geben: Sie kann als bloßes Instrument, eine andere politische Kraft vorzuführen, eingesetzt werden; dann ist außer Rauch und Pulverdampf und vielleicht der einen oder anderen Emotion nicht viel zu erwarten. Sie kann aber auch dazu genutzt werden, an der Sache deutlich zu machen, worum es geht. Es liegt an den Fraktionen, welchen Weg sie wählen. – Eines kann eine Aktuelle Stunde aber sicher nicht: Entscheidungen herbeiführen. Dazu ist sie schlicht das falsche Instrument.

Was allerdings stimmt, ist, dass wir jetzt – im Sinne von: bald – zu einer Entscheidung kommen müssen, wenn es noch zu einer Wahlrechtsreform für die nächste Bundestagswahl kommen soll. Hier und heute kann man nur erneut aufzeigen, welche Alternativen es gibt, welche Weggabelungen gewählt werden können und welche Folgen mit welchen Entscheidungen verbunden sind, je nachdem, in welche Richtung man an der Weggabelung abbiegt.

Richtig ist, dass Handlungsbedarf besteht; denn selbst die aktuellen Umfragen, auch wenn sie ganz bestimmt nicht das Bundestagswahlergebnis 2021 abbilden, zeigen, dass der Bundestag voraussichtlich nicht von alleine kleiner wird. Solange bei einer Partei das Zweitstimmenergebnis mit der Zahl der gewonnenen Wahlkreise nicht Schritt hält, wird sich diese Situation nicht verändern. Wenn man aber die Notwendigkeit zum Handeln sieht, ergeben sich immer mehrere Möglichkeiten.

Natürlich wäre es wünschenswert, wenn man den Bundestag bei einer bestimmten Größe einfach deckeln könnte, ohne am System ansonsten etwas zu verändern. Nur leider können wir eben alle nicht zaubern. Jedwede reine Deckelungslösung birgt die Gefahr, ganz schnell zum Taschenspielertrick zu werden. Es ist offensichtlich, dass bei einer solchen Lösung ganz schnell zu viele Überhangmandate übrig bleiben und die Lösung in die Verfassungswidrigkeit kippt.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! Wenn das die CSU verstehen würde!)

Vermeintlich einfache Lösungen sind im Ergebnis meistens keine Lösungen.

Also folgt die nächste Weggabelung. Was, wenn man den Deckel mit einer Kappung verbindet? Damit würde das Grundprinzip unseres Wahlrechts, dass derjenige, der einen Wahlkreis direkt gewonnen hat, in jedem Fall im Bundestag sitzt, durchbrochen. Verfassungsrechtlich ist dies mit vielen Fragezeichen verbunden. Aber es ist sicherlich nicht von Vornherein ausgeschlossen, dass dieser Weg insbesondere als Notfalllösung verfassungsrechtlich zu rechtfertigen wäre. Allerdings müsste man einen Preis zahlen: Es kann sein, dass etliche Wahlkreissieger von Sonntagabend am Montag erfahren, dass sie zwar den Wahlkreis gewonnen haben, aber nicht im Bundestag sitzen werden. – Für Wähler und vermeintlich Gewählte wäre das sicherlich ein fragwürdiges Ergebnis.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Schließlich gibt es Lösungen, die im System ansetzen und nicht versprechen, dass sie das Größenproblem des Bundestages ein für alle Mal lösen, die aber dafür sorgen, dass der Bundestag nicht ungebremst weiterwachsen kann. Das ist ohne Frage mit dem Gesetzentwurf der Opposition möglich. Gleichzeitig ist es aber ein radikaler – zu radikaler – Weg: 250 Wahlkreise und der Verzicht auf den ersten Verteilungsschritt. – Praktisch geht es damit nicht nur zulasten einer einzigen Fraktion, der von CDU und CSU, sondern auch zulasten einer gerechten, an den abgegebenen Wählerstimmen orientierten Verteilung auf die Länder.

(Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So, und jetzt kommt die Alternative!)

Bleibt ein Vorschlag im System, den ich in der letzten Aktuellen Stunde zum Wahlrecht schon artikuliert habe: die moderate Reduzierung der Wahlkreise auf 270, die Reform des ersten Zuteilungsschritts und die Hinnahme von ausgleichslosen Überhangmandaten, so, wie sie das Bundesverfassungsgericht für zulässig ansieht.

(Florian Post [SPD]: Was sagt denn Ihre Fraktion?)

Wenn man angesichts dieser Möglichkeiten die Wahl hat, welche Lösung man nimmt, so liegt es doch auf der Hand, die Variante zu wählen, die verfassungsrechtliche Tragfähigkeit verspricht, also eine, die mit den Stellschrauben im bestehenden System arbeitet. Es liegt auf der Hand, eine Variante zu wählen, die allen etwas abverlangt und die Lasten nicht einseitig verteilt.

(Florian Post [SPD]: Ist das die Fraktionshaltung der CDU/CSU?)

Für mich wäre die Antwort von daher klar.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)