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Ansgar Heveling: Die Wahlrechtsreform ist eine Reform im bestehenden System

Redebeitrag zur Änderung des Bundeswahlgesetzes

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war eine kluge Entscheidung der Mütter und Väter des Grundgesetzes, in unserer Verfassung nur die Wahlrechtsgrundsätze niederzulegen, nicht aber die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Wahlsystem. Es war der Deutsche Bundestag, der sich 1953 für das System der personalisierten Verhältniswahl entschieden hat. Und auch wenn wir heute über die sechsundzwanzigste Änderung des Bundeswahlgesetzes debattieren, wollen wir an diesem System festhalten. Die Wahlrechtsreform, die wir ab heute im Parlament beraten, ist deshalb eine Reform im bestehenden System.

Der Dualismus aus in Wahlkreisen errungenen und durch Listenwahl erzielten Mandaten hat sich bewährt. Das sichert die Vielfalt unseres Parlaments und sorgt dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger sich gut vertreten fühlen können.

Weil wir drei sich wechselseitig ergänzende Maßnahmen zum Ansatz bringen, kann trotz moderater Eingriffe in das System der personalisierten Verhältniswahl insgesamt eine merkliche Wirkung erzielt werden. Weil wir aber alle drei verfassungsrechtlich zulässigen Stellschrauben nutzen, müssen wir sie nicht so fest anziehen, dass sie am Ende abzubrechen drohen.

Wir verhindern das Entstehen von Überhangmandaten, indem wir die Anzahl der Wahlkreise moderat von derzeit 299 auf 280 reduzieren wollen. Dabei bleiben die Abgeordneten für die Bürgerinnen und Bürger auch regional erfahrbar. Das stärkt das Vertrauen in unsere parlamentarische Demokratie. Gerade deswegen kam für uns die von der Opposition vorgeschlagene radikale Reduzierung um 49 Wahlkreise auch nicht in Betracht. Dieser Reformschritt wird allerdings erst im Jahr 2025 wirksam. Sicherlich wäre es auch jetzt schon rechtlich und tatsächlich möglich gewesen. So haben wir aber die Möglichkeit, ohne Zeitdruck die Verringerung der Wahlkreise in einem transparenten Verfahren vorzunehmen.

Der den Bundestag vergrößernde Ausgleichsbedarf wird auch dadurch reduziert, dass wir im Ergebnis zulassen, Überhangmandate einer Partei mit deren Listenmandaten in anderen Ländern faktisch zu verrechnen. Aber auch hier bleibt die föderale Struktur unseres Bundesparlaments im Grundsatz erhalten. Ein Leerlaufen ganzer Landeslisten einer Partei wird verhindert. Würde man aber die Mindestsitzkontingente im ersten Zuteilungsschritt ganz abschaffen, wäre die Repräsentanz von ganzen Regionen im Bundestag durch unterschiedliche politische Richtungen nicht mehr gewährleistet.

Schließlich tragen drei nicht ausgeglichene Überhangmandate mit dazu bei, dass der Bundestag nicht weiter anwächst. Deren Anzahl liegt deutlich unter dem verfassungsgerichtlich zulässigen Maß, und sie führen nicht zu einer signifikanten Verzerrung. Unser Wahlsystem kennt zudem bereits jetzt keine ganz strikte Zweitstimmenproportionalität. Diese ist bereits durch die Regelung zur 5‑Prozent-Hürde und auch durch die Umrechnung der Stimmen in ganze Sitze nach dem Divisorverfahren durchbrochen. Die möglichen Proporzverschiebungen durch die drei ausgleichslosen Überhangmandate sind in ihrer Wirkung nicht weit davon entfernt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, man mag dieser Reform den Vorwurf machen, sie sei nicht der große Wurf. Ja, auch diese Reform muss sich erst beweisen. Das aber liegt in der Natur jeder Reform. Nach der nächsten Bundestagswahl werden wir sehen, wie groß der Wurf tatsächlich geworden ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)