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Alexander Throm: Wir machen eine fehlerfreie Ermessensentscheidung der Behörden möglich

Gesetz zur Neuregelung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es geht für die Union hier um ein zentrales Gesetzesvorhaben; denn:

Politisches Handeln muss immer auf die Botschaften achten, die es gewollt oder auch ungewollt sendet.

Das sagt Richard Schröder, ehemaliger Fraktionsvorsitzender der SPD in der Volkskammer, Bundestagsabgeordneter, Philosoph und Theologe, langjähriges Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche Deutschlands, also bestimmt ein ganz Unverdächtiger.

Er schreibt weiter:

Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz sollen in ihre Heimatländer zurück. Unverständlich ist, wieso Grüne auf einem Familiennachzug für sie bestehen. Das sendet falsche Botschaften.

Ende des Zitats. Es ist zugegebenermaßen nicht mehr ganz frisch, aus der Hochphase der Jamaika-Verhandlungen, aber damals war die FDP auch noch etwas anders unterwegs, Herr Kollege Thomae. Sie haben dort den starken Mann markiert. Das hört sich heute alles ein bisschen weicher an in dem Gesetzesvorhaben, das letztlich keine Abschaffung des Rechtsanspruches auf Familiennachzug bei subsidiär Schutzberechtigten enthält, sondern lediglich wieder nur eine Prolongierung um zwei Jahre.

Wir senden mit unserem Gesetzentwurf dagegen drei deutliche Botschaften: an unsere Bevölkerung, dass wir dort, wo es möglich ist, den Zuzug begrenzen, an die subsidiär Schutzberechtigten, dass ein Anspruch auf Familiennachzug in Zukunft nicht mehr besteht – das wirkt auch präventiv auf die potenziellen Flüchtlinge –, und an alle, dass Deutschland weiterhin ein Land ist, das humanitäre Hilfe gewährt. Dort, wo es notwendig ist, dort, wo die Not am größten ist, erlauben wir auch bei subsidiär Schutzberechtigten die Zusammenführung der Familien.

(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie können nicht sagen, was das genau bedeutet!)

Deutschland hat in der Tat in den letzten Jahren eine große humanitäre Hilfsbereitschaft gezeigt. Aber unsere Möglichkeiten sind endlich. Schauen wir in unsere Kommunen, Gemeinden hinein, hören wir auf die Klagen der Bürgermeister, Gemeinderäte und Landräte, die sagen, die Grenzen der Aufnahmefähigkeit seien erreicht. Denken wir an unsere Bürgersprechstunden. Zu meiner kommen immer mehr Menschen, Deutsche wie Nichtdeutsche, die schon lange in Deutschland leben, und sagen, sie bekommen keinen Wohnraum mehr. Insofern geht es auch um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.

Frau Kollegin Amtsberg, wer die Auffassung vertritt, dass es kein Stufenverhältnis zwischen den Schutzberechtigten gibt, der kann zum Schluss nicht zu richtigen Ergebnissen kommen. Selbstverständlich gibt es bei subsidiär Schutzberechtigten – das zeigt das Stufenverhältnis – die Möglichkeit, den Familiennachzug einzuschränken. Wir machen hier nur das, was bis zum Jahr 2015 sowieso gegolten hat. Noch einmal: Bei subsidiär Schutzberechtigten wollen wir den Anspruch auf Familiennachzug nunmehr endgültig abschaffen, Klarheit schaffen und damit auch kein Signal mehr für eine eventuell dauerhafte Bleibeperspektive senden. Aber selbstverständlich – das hat nie jemand bestritten in der Diskussion – müssen wir dort helfen, wo die Not am größten ist. Deswegen schaffen wir ein Kontingent von 1 000 Menschen im Monat, die aus humanitären Gründen nach Deutschland kommen können. Insofern ist das Gesetz auch eine Verbesserung für alle Beteiligten im Vergleich zu den letzten zwei Jahren, als es nämlich gar keinen Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte gegeben hat.

(Beifall des Abg. Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU])

Jetzt wird gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen, man habe nicht genau geregelt, wie die Priorisierung aussieht, wer letztlich im Rahmen dieses Kontingents von 1 000 Menschen im Monat kommen kann. Ich glaube nicht, dass wir hier im Parlament quasi abstrakt regeln können, welcher Härtefall, welcher humanitäre Grund wichtiger ist als der andere. Deswegen lassen wir bewusst Spielräume, um angemessene, individuelle Ermessens­entscheidungen für die menschlichen Einzelschicksale zu ermöglichen. Bei anderen Verfahren, beispielsweise dem Resettlement-Programm des UNHCR, machen wir es in ähnlicher Form.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Throm, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Baerbock?

Alexander Throm (CDU/CSU):

Gerne, ja.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Bitte sehr.

Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Throm, ich wollte die Frage vorhin schon Ihrem Kollegen stellen, aber da Sie jetzt erneut darauf herumreiten, dass es ja vollkommen egal sei, wie man diese 1 000 Menschen auswählt, möchte ich auf diesen Punkt doch noch einmal eingehen. Denn das ist genau der Punkt, wo führende deutsche Juristen, wo etliche Verbände in ihren Stellungnahmen auch schon im Innenausschuss darauf hingewiesen haben, dass man damit Recht zu Willkür macht. Sie haben jetzt sogar noch einmal betont, dass Sie das vollkommen in Ordnung finden, wenn man das nicht rechtlich regelt, wenn man keine Kriterien hat, wenn man das Ganze einfach dem Zufall überlässt.

Außerdem haben Sie gesagt, dass es keinen Rechtsanspruch gibt. Das macht die Sache ja noch heftiger,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

weil niemand ein Recht darauf hat, zu klagen, dass sein Kind wirklich ein Härtefall ist, dass sein Kind sonst umkommt. Schauen Sie sich die Härtefallregelung doch einmal an. Frau Kollegin Amtsberg hat ja schon betont, dass es im letzten Jahr überhaupt nur 66 Härtefälle gegeben hat mit den Kriterien, die Sie hier anführen. Meinen Sie, es seien keine Härtefälle, wenn Kleinkinder in der Türkei ohne ihre Eltern sind, wenn Kinder im Kriegsgebiet leben, wo Bomben fallen, wo Giftgasanschläge verübt werden? Sie sagen: Mal schauen, was dann passiert. Das ist nämlich das, was Sie eigentlich wollen. Sie haben ja auch gesagt: Wir wollen gar nicht, dass Familien nachkommen, dass dieses Kontingent gar nicht erst ausgeschöpft wird und man keine Kinder aus Kriegsgebieten nachholt.

Deswegen noch einmal meine Frage: Wie wollen Sie nach diesem Gesetz Menschen ohne Kriterien hierherholen? Ist es Ihnen überhaupt ein Anliegen, dass ein Kind aus diesen Kriegsgebieten herauskommt?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Alexander Throm (CDU/CSU):

Schön, Frau Kollegin Baerbock, dass Sie am Schluss überhaupt noch eine Frage gestellt haben. Ich würde Ihnen anraten, dieses Gesetz erst einmal zu lesen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Dort stehen die Kriterien drin, nach denen wir die Härtefälle bemessen wollen. Aber ich weiß nicht, wie Sie es machen wollen, ob Sie das minderjährige Kind generell wichtiger werten wollen als beispielsweise die kranke Mutter.

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen den Familiennachzug für alle wieder einführen!)

Das geht hier, glaube ich, in einem abstrakten Verhältnis nicht. Deswegen machen wir das, was wir in Deutschland bei vielen Gesetzen machen. Wir machen eine fehlerfreie Ermessensentscheidung der Behörden und lassen diesen einen gewissen Spielraum, sehr geehrte Frau Kollegin.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Abschließend: Zur FDP habe ich etwas gesagt. Den Linken und den Grünen – das haben wir gehört – ist das Gesetz zu streng, zu hart. Den extremen Rechten, der AfD, ist es zu menschlich. Genau das ist der Beweis, dass wir in der Großen Koalition genau richtig liegen, dass wir die Mitte, eine gute Balance zwischen Härte und Humanität, getroffen haben. Deswegen werden wir das Gesetz so beschließen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)