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Alexander Throm: "Deutschland hat offenkundig ein Vollzugsdefizit"

Rede zum Asyl- und Aufenthaltsrecht

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Koalition macht einen großen Schritt zur besseren Steuerung der Migration nach Deutschland, der gewünschten Migration von Fachkräften, aber auch zur Beendigung illegalen Aufenthalts hier in Deutschland. Ja, Abschiebung ist der unschöne Teil unseres Flüchtlingssystems, aber er gehört dazu. Wer die Akzeptanz in der Bevölkerung für den umfassenden Flüchtlingsschutz aufrechterhalten will, der muss auch dafür sorgen, dass Asylbewerber, die rechtskräftig abgelehnt sind, das Land tatsächlich verlassen und nicht nur in der Theorie; das gehört zum Verantwortungsbewusstsein angesichts einer solchen Entscheidung hier im Bundestag.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Linken und Grünen, Sie werfen der AfD oft eine plumpe Stimmungsmache vor – zu Recht; das haben wir heute wieder hören müssen. Aber Sie machen dasselbe heute hier mit Ihren Wortäußerungen, nur mit anderen Vorzeichen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Sie zeichnen hier ein Zerrbild unseres Umgangs mit Flüchtlingen in Deutschland, das mit der Realität wirklich nichts zu tun hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben hier in Deutschland offenkundig ein Vollzugsdefizit. Bei über 50 Prozent aller geplanten Abschiebungen im letzten Jahr ist es beim Versuch geblieben. Deshalb stellen wir hier heute als Koalitionsfraktionen auch Anträge, die das gute Gesetz der Regierung noch etwas verbessern werden. Erstmals soll es ein bundesweites Betretens- und Durchsuchungsrecht geben.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Herr Kollege Throm, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Baerbock?

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nein! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Alexander Throm (CDU/CSU):

Gerne. – Tut mir leid, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble:

Nein. So ist es in Ordnung. Parlament heißt Diskussion.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt hat das Wort zu einer Zwischenfrage die Kollegin Baerbock.

Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr Throm, dass Sie die Frage zulassen, damit man sich austauschen kann. – Da wir ja viel über das Verfahren gesprochen haben und weniger über den Inhalt des Gesetzes und hier ja auch immer in den Raum gestellt wurde, dass Gesetze nicht angewandt würden, auch in Ländern mit grüner Regierungsbeteiligung, würde ich Ihnen gerne zum Inhalt des Gesetzes eine Frage stellen. Es geht hier um Menschen, von denen Sie sagen: Die müssen abgeschoben werden. – Viele Abschiebungen finden nicht statt, weil wir eine Rechtsordnung haben, die besagt: Die Menschen müssen vollziehbar ausreisepflichtig sein. Es geht bei dieser Debatte nicht um diejenigen, die einfach so abgeschoben werden können. Da gibt es unterschiedliche Probleme in unterschiedlichen Bundesländern, warum das nicht zum Tragen kommt.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Frage!)

Sie machen jetzt ein Gesetz für all diejenigen – das wurde ja im vorherigen Wortbeitrag noch einmal deutlich –, die nicht ausreisen, unabhängig davon, ob sie überhaupt vollziehbar ausreisepflichtig sind.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Stimmt doch gar nicht!)

Auf alle findet dieses Gesetz gleichermaßen Anwendung. In diesem Gesetz steht ja auch drin, dass die Menschen, die geduldet sind und keine Papiere beschaffen können, nicht mehr arbeiten können, zum Beispiel Afghanen, die in Mecklenburg-Vorpommern in der Gastronomie arbeiten. Sie konterkarieren damit ja das Fachkräfteeinwanderungsgesetz.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Wie viel Redezeit soll sie noch bekommen, Herr Präsident?)

Ich frage Sie: Wollen Sie wirklich, dass in Zukunft Menschen, die hier zehn Jahre gelebt haben, die hier berufstätig sind, die Kinder haben, durch dieses Geordnete-Rückkehr-Gesetz nicht mehr arbeiten können und damit die Teilhabe dieser Menschen

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Herr Präsident!)

und vor allen Dingen ihrer Kinder am gesellschaftlichen Leben nicht mehr möglich ist?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Alexander Throm (CDU/CSU):

Sehr geehrte Frau Kollegin Baerbock, für Sie war die Beratungszeit offensichtlich wirklich zu kurz; denn Sie haben das Gesetz nicht gelesen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der AfD und der FDP)

Wenn Sie es gelesen hätten, dann wüssten Sie, dass es nicht nur um die Menschen geht, die eine sogenannte Duldung haben

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber auch! Auch!)

und für die die Duldung bei ungeklärter Identität greifen soll,

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Aber eben auch, Herr Kollege!)

sondern auch um die Menschen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, derer wir aber am Abschiebetag nicht habhaft werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Bei den Menschen mit ungeklärter Identität ist die Ausreisepflicht gegeben. Momentan sind das etwa 184 000 Menschen in Deutschland; davon liegen bei etwa 40 Prozent keine Passpapiere vor. Vor diesem Hintergrund ist es doch nur logisch und richtig, wenn wir von ihnen alles Zumutbare fordern, damit sie sich bei der Passpapierbeschaffung beteiligen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der AfD und der FDP)

Wer das nicht tut, der hat in der Tat mit Konsequenzen zu rechnen, etwa in der Form, dass er keine Arbeitserlaubnis mehr erhält.

(Zuruf der Abg. Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Diese Menschengruppe muss erkennen – hören Sie bitte zu; ich habe Ihnen auch zugehört –, dass für sie hier in Deutschland keine Perspektive gegeben ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Da ich gerade bei Ihrer Frage bin, will ich noch sagen: Ich habe davon gesprochen, dass auch die Linken und die Grünen eine plumpe Stimmungsmache betreiben. Ich habe nach Ihrem Auftritt gestern Abend im Fernsehen heute mal geschaut, was die Grünen auf ihrer Homepage veröffentlichen. Da steht:

… die Möglichkeiten, Menschen in Ausreisegewahrsam zu nehmen, werden noch weiter ausgeweitet …

– so weit richtig und gut –

einer richterlichen Anordnung bedarf es nicht mehr.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Falsch!)

Grob falsch, grobe Unkenntnis. Mein früherer Juraprofessor hat immer gesagt: Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Das hätte Ihnen, liebe Kolleginnen der Grünen, auch einmal genutzt.

Im Übrigen: Wir haben beim Ausreisegewahrsam eine richterliche Anordnung. Wir sind das einzige Land in Europa, das dies noch unter einen Richtervorbehalt stellt und nicht von den Verwaltungen entscheiden lässt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja! Genau!)

Ein weiterer Punkt – ich habe es gesagt –: Eines Großteils der Menschen werden wir am Abschiebetag nicht habhaft. Wir haben diesen Montag eine Anhörung durchgeführt. Ich hoffe, Sie haben bei dieser Anhörung auch gut zugehört, insbesondere dem Leiter der Berliner Ausländerbehörde, Herrn Mazanke. Der hat nämlich gesagt, dass wir ganz dringend ein Betretens- und Durchsuchungsrecht und eine klare bundesgesetzliche Regelung brauchen. Er hat das insbesondere damit begründet, dass es hier um die Eigensicherung der Polizeibeamten geht, dass es um ihren eigenen Schutz an Leib und Leben geht, wenn sie mit Widerstand bei einer Abschiebemaßnahme rechnen müssen.

(Dr. Eva Högl [SPD]: So ist es!)

Deswegen kommen wir dieser Aufforderung der Praxis mit unserem Änderungsantrag heute auch nach. Und ich will den Innenminister in den Ländern sehen, der diese Regelung zum Ausreisegewahrsam und zum Betretensrecht nicht anwenden lässt und seiner Bevölkerung erklären muss, dass er Abschiebungen nicht effektiv durchführt und vor allem seine Polizeibeamten nicht ordentlich schützt. Insofern haben wir, glaube ich, heute ein gutes Maßnahmenpaket, um der Rechtsgeltung wirklich zur Durchsetzung zu verhelfen.

Ich möchte mich zum Abschluss noch einmal ausdrücklich bei den Ministerien und vor allem auch bei den Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion für die gute und konstruktive Zusammenarbeit bei den Beratungen bedanken. Herzlichen Dank! Ich bitte um Zustimmung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)