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Alexander Hoffmann: Es gibt viele gute Ansätze

Redebeitrag zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiuungsverfahrens

Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man im Internet den Begriff „Insolvenzverfahren“ in eine Suchmaschine eingibt, dann kriegt man eine ganze Menge Treffer. Viele Treffer enthalten sachliche Informationen, wie ein solches Verfahren abläuft und mit was man rechnen muss, aber es gibt auch Treffer, die nichts anderes als Werbung sind. Da werben Kanzleien, Rechtsanwälte und andere Institutionen zum Beispiel damit, dass man im EU-Ausland besonders schnell ein Insolvenzverfahren durchlaufen kann – vielleicht schon in 24 Monaten –, und es wird damit geworben, dass man in anderen europäischen Ländern auch von Verbindlichkeiten aus unerlaubter Handlung befreit werden kann.

Letztendlich stellt man fest, dass wir in der Europäischen Union, was das Insolvenzrecht angeht, schon so etwas wie einen Flickerlteppich mit unterschiedlichen Regelungen haben. Ich will Ihnen sagen: Ich halte das für gefährlich. Denn nicht immer muss das, was im Internet beworben wird, letztendlich auch für den Schuldner die bessere Variante sein.

Es werden zum Beispiel Überlegungen angestellt, dass man doch den Wohnsitz nach Irland oder nach England verlagern könnte und dann laufe alles viel einfacher. Nicht jedoch kommt die Information vor, dass die Verfahrenskosten dort ganz schnell mal 40 000 Euro betragen können. Es entsteht eine Art Insolvenztourismus, und dieser Insolvenztourismus birgt vor allem die Gefahr, dass nicht mehr das beste Verfahren für den Schuldner und den Gläubiger angewandt wird, sondern vielleicht das Verfahren, das am Schluss nur noch die Interessen des Schuldners berücksichtigt.

Ich möchte hier auch zu einem Aspekt kommen, der mir in der einen oder anderen Rede an dieser Stelle zu kurz gekommen ist. Wir als Rechtsstaat haben die Aufgabe, eine Abwägung zwischen den Interessen des Schuldners – natürlich – und den Interessen des Gläubigers zu treffen. Gerade durch Corona haben wir viele Gläubiger im Land, die eine Wohnung vermietet und durchaus langfristig ein Interesse daran haben, nicht immer an Mieterinnen und Mieter zu geraten, die die Miete nicht bezahlen können, ohne dass ich das unterstellen will. Deswegen glaube ich, dass wir in der weiteren Debatte gut beraten sind, diese beiden Interessen immer wieder gegeneinander abzuwägen.

Zurück zu meinem Flickerlteppich: Man kann schon mal resümierend sagen, dass der Entwurf, der heute vorliegt, nicht nur ein richtiger Schritt in Sachen Richtlinienumsetzung ist, sondern auch ein richtiger Schritt auf dem Weg, die verschiedenen Rahmenbedingungen anzugleichen.

Die Inhalte sind schon skizziert worden, und ich will vor allem auf einen Punkt eingehen, der bislang noch nicht geschildert worden ist, gerade weil es heißt: Das alles ist jetzt plötzlich ein Spaziergang. – Aus einer anderen Ecke ist gekommen: Das ist ja wieder typisch EU, und der, der Geld bekommt, schaut mit dem Ofenrohr ins Gebirge.

Es ist so, dass damit auch verschiedene Verschärfungen einhergehen. Vorhin ist angeklungen – die Ministerin hat es gesagt –, dass Schenkungen und Lottogewinne in der Wohlverhaltensphase eben nicht mehr frei sind. Das gab es vorher nicht. Die Sperrzeit für eine erneute Insolvenzbeantragung ist auf elf Jahre hochgesetzt worden, und wer neue unangemessene Verbindlichkeiten in der Wohlverhaltensphase eingeht, der bekommt eben keine Restschuldbefreiung.

Ich glaube, dass man diese Elemente aufgrund der Ausgewogenheit durchaus darstellen sollte.

Am Ende: Es gibt viele gute Ansätze, aber wenn ich auf den Flickerlteppich gucke, dann glaube ich schon, dass wir diesen Gesetzentwurf vielleicht auch zum Anlass nehmen sollten, zu überlegen, wo wir gerade, was diesen Flickerlteppich angeht, das eine oder andere vielleicht noch weiter angleichen können, um auch die Schuldnerinnen und Schuldner davor zu bewahren, dass sie unter Umständen einer Illusion hinterherlaufen und zur Bewältigung des Insolvenzverfahrens leichtfertig ins Ausland gehen.

Ein letzter Punkt – das hat die Kollegin von der FDP richtigerweise schon angesprochen –: Es fällt ein Aspekt weg, den wir nicht unberücksichtigt lassen sollten. Was machen wir eigentlich mit dem Schuldner, der wirklich Überobligatorisches leistet und sagt: „Ich bin in die Falle getappt; ich will diese Zeit hinter mir lassen; ich will meine Gläubiger so viel wie möglich befriedigen, aber irgendwann muss ich auch mal die Chance haben, wieder ein normales Leben zu führen“? Was können wir dem eigentlich im Vergleich zu demjenigen anbieten, der sich zurücklehnt und sagt: „Ist doch alles gesetzlich geregelt; ich warte jetzt die drei Jahre ab“? Ich überspitze jetzt mal.

Deswegen kann ich dieser Idee sehr viel abgewinnen, und ich hoffe, dass wir die parlamentarische Debatte auch dazu nutzen, uns hierüber Gedanken zu machen.

Ich freue mich auf die weiteren Beratungen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.