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Alexander Hoffmann: Bei § 219a reden wir über Lebensschutz

Rede zur geforderten Aufhebung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich heute durchaus darauf eingestellt, dass wir eine emotionale Debatte führen. Aber ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich bin schon durchaus irritiert, wie unsachlich und, Entschuldigung, auch falsch da an mancher Stelle argumentiert wird und wie zum Teil Äpfel mit Birnen verglichen werden. Da verweist die Kollegin Högl nach Irland

(Dr. Eva Högl [SPD]: Ja!)

und sagt: Super! Daran sollten wir uns orientieren. – Ich darf darauf hinweisen, dass wir eine Rechtslage wie die in Irland zum Glück schon lange nicht mehr haben. Bei uns gibt es schon lange § 218 StGB. In Irland waren bis dato Schwangerschaftsabbrüche unzulässig und strafbar, selbst wenn Schwangerschaften aus Vergewaltigungen stammten – und Sie vergleichen das hier!

Die Kollegin Schauws spricht dann von drei Tagen, die eine Frau warten muss, bis sie einen Beratungstermin hat. Da muss ich ganz ehrlich sagen: Sie bringen es komplett durcheinander. Wir reden von drei Tagen zwischen Beratung und ärztlichem Eingriff. Wenn man sich dann die schriftlichen Begründungen der Gesetzentwürfe anschaut, dann stellt man fest, dass es allerlei Falschbehauptungen gibt. Ich möchte einfach mal die Gelegenheit nutzen, das geradezurücken. Da heißt es dann: § 219a ist eine Norm aus der Nazizeit. – Dieser Begriff wird immer gern verwendet, um eine Regelung in Misskredit zu bringen. Tatsächlich stammt diese Norm aus dem Jahr 1933, aber noch verankert in der Weimarer Reichsverfassung. Im Übrigen wurde sie immer wieder durch legitim gewählte Gesetzgeber reformiert, und deswegen hat die Vorschrift nach wie vor ihre Daseinsberechtigung.

Der Kollege Fechner sagte: Wir haben einen unerträglichen Zustand der Rechtsunsicherheit.

(Dr. Eva Högl [SPD]: Ja, haben wir!)

Ärzte wissen gar nicht, was sie machen sollen und machen sich dann strafbar. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, da sollten wir uns schon mal ehrlich in die Augen schauen, gerade wenn wir über den Fall in Gießen reden. Da reden wir über eine Allgemeinmedizinerin, die ganz genau gewusst hat – und auch heute weiß –, was sie darf

(Dr. Eva Högl [SPD]: Ja!)

und was sie nicht darf, und sie macht es trotzdem anders. Da ist Rechtssicherheit vorhanden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Die Regelung des § 219a ist klipp und klar. Sie ist im Übrigen kaum praktisch relevant, weil sie so klipp und klar ist. Ich habe mal nachgeguckt: Im Land Bayern gab es von 2000 bis 2017 eine einzige Anklage wegen Verstoßes gegen § 219a.

(Zuruf der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])

Es trägt auch nicht, zu sagen: Die Norm steht Schwangerschaftsabbrüchen im Wege.

(Zuruf der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Ich darf mal an die traurige Zahl erinnern, dass wir in Deutschland jährlich immer noch über 100 000 Schwangerschaftsabbrüche haben.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Hoffmann, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Kubicki?

Alexander Hoffmann (CDU/CSU):

Ja, sehr gern sogar.

Wolfgang Kubicki (FDP):

Werter Herr Kollege, ich habe eigentlich zwei Fragen, die ich konzentriert stellen will. Die erste Frage: Wie lange, glauben Sie, braucht die CDU/CSU-Fraktion, um sich über eine Reform des § 219a sinnvollerweise Gedanken zu machen?

(Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Sie haben nicht zugehört!)

– Ich will jetzt auf die Zwischenrufe von der Seite nicht reagieren – das machen wir bilateral –; aber: Ich war an den Fernsehschirmen so wie viele andere interessierte Leute auch.

Zweite Frage, die ich stellen will – so kompliziert ist der Tatbestand des § 219a eigentlich gar nicht –: Warum darf ein Arzt einen anderen Arzt über eine Beratungsstelle informieren, straflos, aber seine Patientinnen nicht?

(Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU)

Alexander Hoffmann (CDU/CSU):

Kollege Kubicki, danke für die Fragen. – Bei der Frage eins ist es so: Sie gehen automatisch von einem Reformbedarf aus. Da will ich mal vorwegschicken: Das ist die neue Rolle der FDP. Sie zeigen die ganze Zeit mit dem liberalen Zeigefinger auf das, was alles verändert werden muss. – Bei der Gelegenheit will ich einfach mal darauf hinweisen, dass Sie vor einem Jahr die historische Chance gehabt hätten,

(Zurufe von der FDP: Och!)

sich an der Regierung zu beteiligen und die Dinge in diesem Land zu gestalten. Ich erlaube mir den Hinweis: Diese Chance haben Sie verpasst.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Stephan Thomae [FDP])

Ein zweiter Punkt ist mir wichtig. Sie stellen in den Raum: Reformbedarf – ja. Vor Ihnen steht jemand, der sagt: Reformbedarf – nein. Denn bei § 219a, liebe Kolleginnen und Kollegen, reden wir über Lebensschutz. Das kommt hier in der Debatte überhaupt nicht vor. Es wird einfach vom Tisch gewischt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der AfD – Zurufe von der FDP)

Deswegen möchte ich um Verständnis werben, wenn wir als Volkspartei versuchen, dieses ganz breite Spektrum abzubilden. Da sind dann auch Leute wie ich dabei, die sagen: § 219a ist vom Konstrukt sehr gut.

Jetzt zu Ihrer zweiten Frage. Die Idee ist, dass derjenige, der berät, unabhängig sein soll. Bei diesem wichtigen Thema Lebensschutz

(Stephan Thomae [FDP]: Beratung soll bleiben!)

wollen wir Unabhängigkeit dadurch sicherstellen, dass der, der berät, nicht derjenige sein darf, der am Ende des Tages Geld verdient.

(Dr. Eva Högl [SPD]: Das will niemand ändern!)

Genau deswegen kommt es am Schluss zu der Konstellation, die Sie geschildert haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dann wird in der Debatte teilweise argumentiert: § 219a schränkt das Recht auf freie Arztwahl ein. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, an keiner Stelle! Jeder kann sich seinen Arzt selbst aussuchen.

(Dr. Eva Högl [SPD]: Nein!)

Im Übrigen: Gehen wir doch mal in die Lebenswirklichkeit! Bei jedem planbaren Eingriff ist es heute so, dass man sich die Ärzte nach Empfehlung, sei es durch einen Allgemeinarzt oder andere Informationen, oder nach Gesprächen aussucht.

Im Übrigen – das ist wichtig –: Der Vergleich hinkt deswegen, weil wir hier nicht über einen ärztlichen Eingriff wie jeden anderen ärztlichen Eingriff reden; es ist ein ärztlicher Eingriff gegen ungeborenes Leben, und deswegen gelten dort andere Regelungen.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

Genau aus diesem Grund hat das Bundesverfassungsgericht die staatliche Schutzpflicht gegenüber dem ungeborenen Leben manifestiert. Das ist eine grundrechtliche Institution.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Aber straffrei in den ersten drei Monaten!)

Das Bundesverfassungsgericht sagt: Ein Schwangerschaftsabbruch darf nichts Normales sein; er darf nicht kommerzialisiert werden. – Das ist fast O-Ton. Deswegen bitte ich Sie um Verständnis für meine Haltung.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)