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Alexander Hoffmann: Artikel 18 muss Ultima Ratio sein

Rede zur Erweiterung der Verwirkungsregelung des Artikel 18 des Grundgesetzes

Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir uns Gedanken machen und die Frage stellen: Gibt es in unserem Land extremistische religiöse Bewegungen, die die verfassungsgemäße Ordnung im Land gefährden?

Kollege Brandner, Sie haben gesagt, Sie heben keine Religion heraus. Wenn man aber Ihre Redebeiträge in diesem Haus in der Vergangenheit anschaut, wenn man Ihr Wahlprogramm liest, dann weiß man, dass es Ihnen ganz konkret um den Islam geht. Sie gehen sogar so weit, zu sagen: Wir bekennen uns zur Religionsfreiheit, aber nicht zur Freiheit des Islam.

Ich will etwas Persönliches vorwegschicken: Ich bin ein Befürworter der Tatsache, dass wir bestimmte Gemeinden, zum Beispiel auch muslimische, vom Verfassungsschutz beobachten lassen. Ich gehöre zu denjenigen, die der Auffassung sind, dass es wichtig ist, dass wir auf der Unabhängigkeit von Imamen bestehen. Ich glaube auch, dass es durchaus richtig ist, dass wir in diesem Schutzgefüge Rechtsstaat immer wieder prüfen und sagen: Gibt es dort eine Regelungslücke?

Jetzt schreiben Sie in Ihrem Gesetzentwurf: Jawohl, in Artikel 18 Grundgesetz gibt es eine Regelungslücke. Für die Zuhörer ganz kurz erklärt: Artikel 18 Grundgesetz will erzielen, dass der Missbrauch von Grundrechten nie zur Gefährdung der verfassungsgemäßen Ordnung in unserem Land führen darf. Dazu sieht Artikel 18 Grundgesetz die Möglichkeit der Verwirkung, also das schärfste Schwert, vor. Diese muss, weil es ein scharfes Schwert ist, vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochen werden.

Auch die praktische Relevanz des Artikels ist schon angesprochen worden. Nun kann man darauf hinweisen, dass es bislang nur vier Fälle gegeben hat, in denen ein entsprechender Antrag gestellt worden ist. Aber viel interessanter ist: Alle vier Fälle – letztmalig 1992 zwei Fälle im Kontext des Brandanschlages in Mölln – sind zurückgewiesen worden. Das zeigt, wie hoch das Anforderungsprofil für die Anwendung dieses Artikels ist, und deshalb stellt sich die Frage: Ist die Änderung der Norm verfassungsrechtlich überhaupt umsetzbar? Denn die Anforderungen an eine Änderung des Artikels 18 sind mindestens genauso hoch.

Artikel 18 muss Ultima Ratio sein. Das, was ich dort ändere, muss immer geeignet, erforderlich und angemessen sein. Ich glaube, es fehlt schon an der Geeignetheit – das klingt auch im Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes an –; denn ein Blick in Artikel 18 Grundgesetz zeigt, dass die schwachen Grundrechte, also jene, bei denen im Gesetzestext eine Schranke aufgeführt ist, eher von der Möglichkeit der Verwirkung betroffen sind. Die Religionsfreiheit ist nicht betroffen; denn sie ist gemäß dem Grundgesetz schrankenlos gewährt.

Ein weiterer Punkt ist wichtig. Alle in Artikel 18 Grundgesetz genannten Grundrechte betreffen die äußere Sphäre. Das heißt, das Gebrauchmachen dieser Grundrechte tritt nach außen in Erscheinung. Das ist aber bei der Religionsausübung nicht immer so. In diesem Bereich gibt es nämlich sowohl die äußere Sphäre – wenn ich mich nach außen merklich zu einer Religion bekenne –, es gibt aber auch die innere Sphäre, die innere Freiheit, eine Religion zu haben oder sie eben nicht zu haben. Das ist ein signifikanter Unterschied.

(Stephan Brandner [AfD]: Absatz 1 oder Absatz 2? Sie vermischen doch alles, Herr Kollege!)

Wir haben es mit einem Gesetzentwurf zu tun, der das System AfD ganz gut beschreibt. Sie setzen auf ein Thema, das die Menschen an den Stammtischen bewegt,

(Abg. Stephan Brandner [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

und dann gaukeln Sie eine Lösung vor, obwohl Sie genau wissen, dass sie nicht umsetzbar ist. Deswegen werden wir Ihrem Vorschlag nicht folgen können.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)