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Gitta Connemann: "Der Masterplan für ein gesundes Leben steht fest"

Rede zu Gesunde Ernährung - Für ein gutes Leben

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Das Schicksal in unserer Hand“, so titelte „Der Spiegel“ zum Jahresbeginn, also in der Zeit der guten Vorsätze. Sage und schreibe 81 Prozent aller Deutschen schwören Silvester allem Ungesunden ab: Zigaretten, zu viel Alkohol, zu wenig Sport. Sie sind bester Absicht, gesünder zu leben. Diese Vorsätze halten – einen Tag, eine Woche? Für den Rest des Jahres gilt: Stress, wenig Sport, viele Kalorien. Diese Mischung macht dick. Und wer ist schuld? Die Gene, die Industrie, der Terminkalender und natürlich die Politik.

Und nun „Der Spiegel“ – ich zitiere –:

Den größten Anteil an seinem … Schicksal hat jeder selbst in der Hand.

Keine bequeme Botschaft zum Jahresbeginn, aber wissenschaftlich belegt. Unsere Gesundheit wird nur zu 20 Prozent allein durch Gene bestimmt. Auf diese können wir keinen Einfluss nehmen, auf den großen Rest schon.

Das Schlüsselwort heißt Epigenetik. Die Forschung belegt, was wir allzu gerne verdrängen: Mit Ernährung, Lebensstil, Umweltfaktoren können wir Mechanismen beeinflussen, die unsere Gene ein- und ausschalten, und zwar ein Leben lang. So bestimmen wir übrigens auch selbst, ob wir gesund sind oder an Übergewicht, Diabetes oder Herzinfarkt erkranken.

Meine Damen und Herren, wir haben unser Schicksal in der Hand, jeden Tag: beim Einkauf, in der Kantine, bei der Entscheidung, zu joggen oder eine Zigarette anzuzünden. Damit beeinflussen wir übrigens das Leben unserer Kinder. In den ersten 1 000 Tagen werden Weichen für das spätere Leben gestellt. Fehlernährung, Alkohol in der Schwangerschaft gefährden das Kind.

Die Ernährung ist ein zentraler Schlüssel. Die Auswahl ist gigantisch. Aus rund 170 000 Lebensmitteln können Verbraucher heute ihren Speiseplan zusammenstellen, und zwar bezahlbar. Heute Abend wird die Internationale Grüne Woche in Berlin eröffnet. Sie ist ein Schaufenster, was unsere Landwirte, Gärtner, Fischer, Bäcker, Fleischer, Hersteller und Händler jeden Tag leisten. Für unsere Fraktion, die CDU/CSU, sage ich an dieser Stelle: Respekt und Dank für diese Leistungen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber Vielfalt bedeutet auch Herausforderung. Was ist die richtige Wahl für mich? Wie viel von was? Die Ernährung hat jede Leichtigkeit verloren. Wir erleben Fanatismus, Verunsicherung, Gleichgültigkeit. Jeder zweite Erwachsene ist übergewichtig. Gleichzeitig nehmen Mangel- und Fehlernährungen zu, vor allem im Alter. Dadurch steigen Risiken für Diabetes, Schlaganfall oder Muskelschwund. Der persönliche Leidensdruck ist groß, die Kosten explodieren, die Gesundheitszeitbombe tickt. Wir alle sind gefordert, meine Damen und Herren: jeder Einzelne von uns, die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Politik.

Es gibt mehrere Optionen oder auch Denkschulen. Ernährung per Gesetz wäre die eine. Der Staat lenkt die Bürger bei der Entscheidung, was sie essen, durch Verbote, Strafsteuern, Ampeln. Mal alle Bedenken zur Seite geschoben – von der Bevormundung des Verbrauchers bis zu Fragen der unternehmerischen Freiheit –: Was soll besteuert werden, was verboten? Baguette ja, Vollkornbrot nein. Zucker ja, Süßstoff nein. Die entscheidende Frage ist doch am Ende: Was ist eigentlich gesund?

Ich verstehe jeden Verbraucher, der sich hier einfachere Antworten wünscht, vielleicht auch durch eine Ampel. Es wäre so schön. Mir selbst geht es ja nicht anders. Aber Fakt ist: Diabetes kann nicht wegbesteuert werden. Durch Ampeln lassen sich komplexe Sachverhalte und Inhalte nicht darstellen; denn Ernährung ist komplex.

Die erste Nachricht: Essen ist keine Krankheit. Die zweite Nachricht: Jeder Mensch hat andere Bedarfe. Kinder brauchen anderes als Ältere, Frauen weniger als Männer. Es gibt keine grundsätzlich guten oder schlechten Lebensmittel. Und es gibt leider keine Patentrezepte. Abnehmen unterliegt nicht den Gesetzen der Politik, sondern am Ende nur der Physik. Wer zu viel isst, nimmt zu, egal ob Kartoffelstampf, Schokolade oder Dinkelnudeln. So bestätigt es die Wissenschaft. Der Energiebilanz ist es am Ende egal, woher die Kalorien kommen. Aber Achtung: nur der. Dem Körper und der Gesundheit ist es ganz und gar nicht egal. Diese brauchen eine ausgewogene Mischung aller Nährstoffe.

Leichter gesagt als getan. Trotz unzähliger Fernsehsendungen und Ratgeber sind viele Verbraucher heute zutiefst verunsichert, manche auch schlecht informiert. Schon heute kann sich jeder die Zutaten auf der Verpackung ansehen. Aber Hand aufs Herz: Wie oft lesen Sie diese? Bewusster essen, mehr Bewegung und Schlaf – das klingt verstaubt. Aber wer so lebt, wird gesund älter.

Wie können wir das als Politik unterstützen? Veränderte Rezepturen können helfen. Deshalb hatten sich CDU/CSU und SPD auch in der letzten Wahlperiode gemeinsam für eine Reduktionsstrategie eingesetzt – in Kooperation mit Wirtschaft und Handel; denn es geht nur mit ihnen, nicht ohne sie. Innovationen brauchen Zeit. Der Bäcker, der Fleischer können dies nicht so leicht schultern wie ein Lebensmittelkonzern. Staatliche Rezepte führen zur Verdrängung der kleinen Betriebe, aber nicht zu mehr Gesundheit.

Mehr Gesundheit geht nur mit Bildung, Information, Aufklärung, und zwar schon für die Kleinsten: in der Kita, in der Schule. Wir setzen deshalb auf Verhaltensprävention. Deswegen wissen wir: Wir brauchen dringend Ernährungsbildung. Ernährungsbildung muss zukünftig in die Kitas und Schulen gehören wie die Küchen und Fachkräfte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wir brauchen gesunde Angebote – dazu gehören übrigens Wasserspender in jeder Schule; sie sollten eine Selbstverständlichkeit sein –, verbindliche Qualitätsstandards bei der Gemeinschaftsverpflegung in Kindergärten, Schulen, Kantinen und Alten- und Pflegeheimen; denn dort essen inzwischen die meisten Menschen. Wir brauchen ein offeneres Auge, zum Beispiel bei Älteren, indem ihr Ernährungsstatus – sie haben häufig mit Mangel- und Fehlernährung zu tun – durch ein regelmäßiges Ernährungsscreening erfasst wird.

Bestehende Kennzeichnungslücken müssen wir schließen. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass Lebensmittel mit tierischen Produkten entsprechend gekennzeichnet werden; denn es ist wichtig, dass der Verbraucher weiß, woher diese tierischen Produkte kommen.

Wir müssen das Stillen fördern, wir brauchen Ernährungsberatung in der Schwangerschaft, und wir brauchen mehr Bewegung, von der Kita bis zum Altenheim. Wir brauchen mehr Schlaf, wir brauchen keinen Stress.

Meine Damen und Herren, am Ende ist es ein Gesamtpaket. Ich glaube, jeder von Ihnen weiß, was er am Ende zu tun hätte, aber tut es dann doch nicht. Deshalb möchte ich Sie ermutigen. Jeder hat die Wahl; der Masterplan für ein gesundes Leben steht fest. Wir haben das Schicksal in unserer Hand. Gehen Sie achtsam damit um.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)