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Fritz Güntzler: Internationale Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmensteuerrechts wiederherstellen

Redebeitrag zum Jahressteuergesetzes 2020

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer und Zuschauer! Wir beraten heute das Jahressteuergesetz 2020. Ich bin froh, dass wir es wieder Jahressteuergesetz nennen. Ich erinnere mich an Zeiten, als wir ein Anpassungsgesetz Kroatien und ein Zollkodex-Anpassungsgesetz gemacht haben, um zu kaschieren, dass wir ein Jahressteuergesetz machen. Jetzt schreiben wir es. Und was ist ein Jahressteuergesetz? Das ist ein Sammelgesetz – die Kolleginnen und Kollegen haben schon darauf hingewiesen –, und fast alle Steuergesetze sind irgendwie betroffen: Wir regeln Dinge im Einkommensteuergesetz, im Umsatzsteuergesetz, im Grundsteuergesetz, im Grunderwerbsteuergesetz, in der Abgabenordnung, im Investmentsteuergesetz – viele wissen gar nicht, dass es so etwas gibt.

(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Viele wollen es auch gar nicht wissen! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben einen umfassenden Katalog, den wir abarbeiten müssen. Es gibt viele technische Dinge, die wir dort regeln, auch Klarstellungen; wir reagieren auf Urteile des Bundesfinanzhofs.

Das Jahressteuergesetz ist – das muss man konstatieren – kein großes Reformpaket; dafür ist das Jahressteuergesetz auch nicht gemacht. Von daher kann ich hier in der Kürze der Zeit nicht auf alles eingehen. Ich möchte zwei, drei Punkte heraussuchen.

Es geht zum einen um die Verbesserung beim Investitionsabzugsbetrag. Wir wollen in dieser besonderen Situation Investitionsanreize schaffen. Von daher ist es richtig, dass wir die Abschreibungsmöglichkeiten von 40 Prozent der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten für kleine Unternehmen auf 50 Prozent erhöhen; nur kleine Unternehmen haben die Möglichkeit, diesen Investitionsabzugsbetrag geltend zu machen. Wir als Union sehen kritisch, dass die Voraussetzungen dafür verändert werden, weil Unternehmen, die derzeit drin sind, in Zukunft wahrscheinlich herausfallen würden. Von daher werden wir mit dem Koalitionspartner darüber noch einmal reden. Ich erinnere daran, dass wir damals, in der Finanzkrise 2009/2010, die derzeitigen Kriterien erhöht haben. Ich glaube, das wäre eigentlich der richtigere Weg, als jetzt ein einheitliches Kriterium zu schaffen, wodurch viele Unternehmen herausfallen werden. Wir wollen ja Investitionsanreize setzen und nicht Investitionen verhindern. Von daher sollten wir meines Erachtens darüber noch einmal gemeinsam diskutieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir diskutieren über Vermietung von Wohnungen. Das macht Sinn in dem Punkt, dass Werbungskosten nur da geltend gemacht werden können, wo auch ein gewisser Prozentsatz der ortsüblichen Miete genommen wird. Wir schaffen da aber gleichzeitig ein gewisses Bürokratiemonster – das muss man schon sagen –, indem wir in gewissen Zeiten eine Totalüberschussprognose des Steuerpflichtigen über 30 Jahre verlangen. Auch darüber sollten wir vielleicht noch einmal diskutieren.

Wir werden dann das Digitalpaket der Europäischen Union umsetzen. Dabei geht es um umsatzsteuerliche Änderungen im Bereich von E‑Commerce und Versandhandel. Da haben wir die erste Stufe schon umgesetzt. Jetzt geht es um weitere administrative Erleichterungen, sodass ein Unternehmen, das im Versandhandel tätig ist, nur ein Land hat, wo es seine versteuerbaren Umsätze anmelden muss. Das ist zwar wenig spannend; aber damit regeln wir das, was wir in nationales Recht umsetzen müssen.

Spannender ist eigentlich das, was nicht im Jahressteuergesetz steht, und darüber werden wir noch diskutieren müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Der Bundesrat ist da ja schon sehr aktiv geworden. Wir haben gesehen, dass der Finanzausschuss des Bundesrates einen Vorschlag von Hessen und Nordrhein-Westfalen mehrheitlich beschlossen hat. Es wird spannend, zu sehen, wie der Bundesrat dann am Freitagmorgen darüber befindet. Da geht es um die ATAD-Umsetzung. Das ist die Antisteuervermeidungsrichtlinie der EU, die wir schon bis zum 31. Dezember des letzten Jahres hätten umsetzen müssen. Dazu gibt es einen Referentenentwurf des Ministers Scholz, der aber irgendwie überall ruht.

(Cansel Kiziltepe [SPD]: Im Wirtschaftsministerium!)

Das Vertragsverletzungsverfahren der EU ist mittlerweile in Vorbereitung. Also, ich glaube, in der EU-Ratspräsidentschaft tun wir uns damit keinen Gefallen. Von daher, Herr Minister, wäre es schön, wenn Sie über den Referentenentwurf hinauskämen und uns endlich mal den Gesetzentwurf vorlegten, oder wir machen es so, wie der Bundesrat vorgeschlagen hat, nämlich über das Jahressteuergesetz. Ich glaube, es wäre eine gute Regelung, wenn wir das hier machen könnten.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ich spreche den Wirtschaftsminister mal an!)

Der Bundesrat hat klugerweise eben nicht das gemacht, was der Minister vorhat. Das Problem ist ja, dass der Herr Minister meint, mehr regeln zu müssen, als in dieser Richtlinie geregelt wird. Es ist bei Weitem keine Eins-zu-eins-Umsetzung, es ist noch restriktiver. Die Unternehmen sollen noch mehr gegängelt werden. Von daher glaube ich: Wenn man keine Eins-zu-eins-Umsetzung macht, werden wir hier eine Regelung schaffen müssen.

Ich finde klug, dass der Bundesrat auch gesagt hat, dass wir beim Außensteuergesetz eine Niedrigbesteuerungsgrenze von nur noch 15 Prozent haben sollten, nicht von 25 Prozent. Sie müssen wissen: Das Außensteuergesetz regelt, dass man Gewinne, die man ins Ausland verlagert, doch in Deutschland besteuern muss, wenn man in einem sogenannten Niedrigsteuerland ist. Aber bei 25 Prozent Niedrigbesteuerungsgrenze sind mittlerweile fast alle EU-Länder Niedrigsteuerländer. Das kann so nicht sein. Von daher brauchen wir hier dringend eine Änderung. Die 15 Prozent sind, glaube ich, eine richtige Höhe.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Darauf, was uns als Union natürlich auch fehlt, hat mein Fraktionsvorsitzender in der Haushaltsrede hingewiesen: Wir brauchen, glaube ich, auch eine Modernisierung des deutschen Unternehmensteuerrechts. Ich wundere mich, dass da aus dem Bundesfinanzministerium gar nichts kommt.

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Das wundert uns nicht! – Markus Herbrand [FDP]: Sie warten auf Ihre Vorschläge!)

Herr Minister Scholz hat immer von Standortverbesserungen gesprochen, die er schaffen will, und von einem Optionsmodell fabuliert. Aber bis jetzt sehen wir nichts. Von daher, glaube ich, Herr Minister Scholz, sind Sie hier gefordert, etwas zu tun.

Wir beide waren damals zusammen bei dem Forum „10 Jahre Hamburger Forum für Unternehmensteuerrecht“ an der Bucerius Law School in Hamburg. Dort haben Sie eine schöne Rede gehalten. Da haben Sie gesagt – ich darf mal zitieren –:

Wir beobachten die wirtschaftliche Entwicklung sehr genau, um darüber hinaus auch mit steuerlichen Maßnahmen reagieren zu können, wenn es notwendig ist.

Und jetzt kommt es:

Notwendig wird das jedoch erst im Falle eines deutlichen und gravierenden Einbruchs der konjunkturellen Entwicklung.

Das ist richtig; aber die haben wir doch nun, Herr Minister. Von daher wäre es doch jetzt angezeigt, dass Sie endlich reagieren, damit wir die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmensteuerrechts wiederherstellen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Von daher bitten wir Sie, entsprechende Dinge nicht nur anzukündigen, sondern auch umzusetzen. Es wäre, glaube ich, eine gute Gelegenheit, dies beim Jahressteuergesetz zu tun. Von daher freue ich mich auf die Beratungen.

(Dr. Florian Toncar [FDP]: Weitere Gespräche!)

Herr Lothar Binding kündigt ja schon an, dass wir – da sind wir schon im Diskurs – das alles beraten werden. Ich hoffe, dass wir dann im Ergebnis ein noch viel besseres Jahressteuergesetz beschließen werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jan Korte [DIE LINKE]: So richtig dicke seid ihr nicht mehr miteinander, ne? Reicht das noch bis September nächsten Jahres? – Gegenruf der Abg. Marianne Schieder [SPD]: Ja, ja, keine Sorge! – Jan Korte [DIE LINKE]: Ich frage nur! Wenn es hält, bereitet mir das Sorge! Aber gut!)