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Fraktionssitzung in Leipzig

„Leipziger Aufruf“ verabschiedet

Vor 30 Jahren haben die Menschen in der DDR mit Zivilcourage und Freiheitswillen die Mauer zum Einsturz gebracht und die SED-Diktatur beendet. Um die besondere Rolle Leipzigs während der Friedlichen Revolution zu würdigen, kam die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu einer Sondersitzung in der Messestadt zusammen. Dabei verabschiedete sie einen „Leipziger Aufruf“, in dem sie nicht nur an die mutigen Bürger erinnerte, sondern auch die weitere Aufarbeitung und Wiedergutmachung des DDR-Unrechts forderte.

Für Aufarbeitung – Gegen Schönfärberei

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus, erinnerte während der Sitzung daran, dass in Leipzig „Weltgeschichte geschrieben“ worden sei. Nun gelte es, den Menschen Respekt und Anerkennung zu zollen, die in den vergangenen 30 Jahren vieles an Veränderungen zu ertragen hatten und ihr Leben neu gestalten mussten.

Friedliche Revolution gehört den Menschen

„Die Friedliche Revolution gehört den Menschen, die sie gemacht haben, und niemandem sonst auf der Welt“, betonte Brinkhaus. Sein Erster Stellvertreter, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, sagte, in Leipzig habe „der Aufstand der Vielen gegen das Unrechtsregime der Wenigen seinen Anfang“ genommen. Man müsse denjenigen Menschen danken, die dieses Unrechtsregime zu Fall gebracht hatten. Dobrindt hielt auch fest: „Es war ein Segen für das deutsche Volk, dass die Union regierte, als die Mauer fiel.“ Denn die Union sei es gewesen, die den Glauben an die Wiedervereinigung immer aufrechterhalten und Zweiflern widerstanden habe: „Wir haben uns jedem Versuch der Festschreibung der Teilung erwehrt.“„Wir alle sind Gewinner der deutschen Einheit“

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer würdigte den Mut des damaligen Kanzlers Helmut Kohl, der „in dem Moment, als die Chance zur Einheit da war, beherzt zugegriffen hat“. Kretschmer wies auch darauf hin, dass nirgendwo auf der Welt in so kurzer Zeit ein so hoher Zuwachs an Lebenserwartung und Lebensqualität zu verzeichnen gewesen sei wie in den neuen Ländern. Deshalb könne man sagen: „Wir alle sind die Gewinner der deutschen Einheit.“

Das Undenkbare möglich machen

In einem zuvor aufgezeichneten Video-Gespräch mit Ralph Brinkhaus berichtete Bundeskanzlerin Angela Merkel über ihre Erinnerungen an die Umbruchzeit vor 30 Jahren – von den ersten Demonstrationen bis zur Wiedervereinigung in Freiheit. Auch Merkel würdigte den Mut und die Kreativität der Menschen in ihrem Widerstand gegen das DDR-Regime. Es habe eine „Mischung aus Angst und Mut“ geherrscht, denn es sei überhaupt nicht klar gewesen, ob die Staatsmacht nicht doch Gewalt anwenden würde. Die schiere Masse der friedfertigen Demonstranten habe den Staatsapparat schließlich zum Erliegen gebracht.  Die Lehre aus der Friedlichen Revolution sei, dass das Undenkbare möglich sei, dass man alles verändern könne.

Gegenseitigen Respekt angemahnt

In der wiedervereinigten Bundesrepublik hätten die ehemaligen DDR-Bürger lernen müssen, „dass Freiheit auch Mühe ist“, betonte Merkel. Freiheit sei nicht nur die „Freiheit von etwas“, sondern auch die „Freiheit zu etwas“.  Der demokratische Staat erwarte von seinen Bürgern Mündigkeit, erwarte, dass sie Verantwortung übernehmen. Heute sei die Freiheit unter Druck, warnte die Kanzlerin und verwies dabei besonders auf die Meinungsfreiheit. Zu dieser gehöre immer, „dass ich den anderen auch respektiere“. Gegenseitiger Respekt sei das Thema, „mit dem wir uns beschäftigen müssen angesichts dessen, was wir erleben“. Insgesamt aber führten die Menschen in Deutschland „eines der besten Leben, das man auf der Welt führen kann“.  Das Video mit der Kanzlerin wurde anstelle der ursprünglich geplanten Rede zum Thema: „Die Mutigen. Der lange Weg zum Aufbruch im Osten“ ausgestrahlt.

Wegen eines wissenschaftlichen Symposiums anlässlich des 70. Geburtstags ihres Ehemanns Joachim Sauer hatte Merkel die Teilnahme an der Sonderfraktionssitzung kurzfristig abgesagt.

Wiedervereinigung war der einzige Weg

In einer Diskussionsrunde über „Opposition und Massenbewegung“ berichteten Zeitzeugen über ihre Erfahrungen mit Flucht und Widerstand. Daran nahmen neben der Fernsehmoderatorin Susanne Daubner, die 1989 über Ungarn in den Westen geflohen war, Uwe Schwabe, der Vorsitzende des Archivs der Bürgerbewegung Leipzig, der Journalist Jürgen Engert und Roland Jahn, der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, teil.

Daubner sagte, ihr sei mit Blick auf die gemeinsame Sprache und die gemeinsame Kultur immer klar gewesen, dass es nur ein vereintes Deutschland geben könne. Über den „Ruf nach Freiheit.Von der friedlichen Revolution bis zur Deutschen Einheit“ debattierten Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und der Theologe Richard Schröder, die 1990 miteinander den Einheitsvertrag ausgehandelt hatten. Beide wehrten sich gegen die Unterstellung, die Verfassung der Bundesrepublik sei den neuen Ländern übergestülpt worden. Man könne auch nicht von einem „Anschluss“ sprechen, betonte Schäuble. Schröder kritisierte, dass die „Nebenwirkungen“ des mutigen Schrittes zur deutschen Einheit als „Fehler“ verstanden würden: Ein solches „Kaufhauskatalogdenken ist geschichtsvergessen“. Schäuble warnte davor, dass sich Deutschland in sein nationales Schneckenhaus zurückziehe: „Wir verdanken die Einheit Europa.“

„Die DDR war eine Diktatur“

Im „Leipziger Aufruf“, den die Unionsabgeordneten zum Abschluss ihrer Sondersitzung verabschiedeten, erinnerten sie an die „Bürgerinnen und Bürger, die über Jahrzehnte hinweg Zivilcourage zeigten und Widerstand in und gegen die Diktatur in der DDR wagten“. Ihnen sei es zu verdanken, dass die Mauer am Ende fiel. Die Unionsfraktion wandte sich aber vor allem gegen jegliche Relativierung des Unrechts, das in der DDR geschah.

„In Zeiten von Verharmlosung, Schönfärberei und Ost-Nostalgie halten wir unmissverständlich fest: Die Deutsche Demokratische Republik war eine Diktatur.“

Die Fraktion erinnerte an Mauer und Schießbefehl, sie gedachte der Toten an der innerdeutschen Grenze: „Die Wunden sind bis heute nicht verheilt.“Deshalb setzt sich die Fraktion dafür ein, „dass Erinnerung, Aufarbeitung und Wiedergutmachung auch nach 30 Jahren nicht an Bedeutung für unsere Gesellschaft verlieren“.  

Zu diesem Zweck fordert sie ein Mahnmal für die Opfer kommunistischer Gewaltherschaft in Deutschland, ein Freiheits- und Einheitsdenkmal auch in Leipzig sowie ein Zentrum für Oppositions- und Widerstandsgeschichte am Ort des Archivs der DDR-Opposition in der ehemaligen Stasi-Zentrale.  

Zeichen der Solidarität

Vor dem eigentlichen Festakt hatten einige Abgeordnete sich bereits auf dem Nikolaikirchhof getroffen, von wo aus sich die Montagsdemontrationen damals in Bewegung setzten. Als Zeichen der Solidarität für damalige Inhaftierte und aktuelle politische Häftlinge setzen sie Blumen in die Fensterkreuze der Nikolaikirche. In einer Gesprächsrunde in der Nordkappelle der Nikolaikirche ließen Bürgerrechtler und Zeitzeugen die Situation vor 30 Jahren Revue passieren. Dabei würdigten sie die Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR.

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