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Florian Hahn: ch fordere deshalb mehr Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht und seiner Entscheidung

Rede zu Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als das EZB-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor gut drei Wochen verkündet wurde, war von „Ohrfeigen“ und von einer „Klatsche“ die Rede. Aber ist die Entscheidung die ganze Aufregung wert? Worum geht es eigentlich?

Das höchste nationale Gericht eines EU-Mitgliedstaates, das Bundesverfassungsgericht, hat, verkürzt gesagt, von einer unabhängigen europäischen Behörde, der EZB, verlangt, dass sie die Verhältnismäßigkeit ihres Handelns überprüft und darlegt. Zudem sieht das Bundesverfassungsgericht den EuGH in der Pflicht, dies europarechtlich zu überprüfen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierfür sehr viel Kritik einstecken müssen; sogar von einem Fehlurteil wird geredet.

Aber wo genau liegt eigentlich das Problem? Ich sehe es nicht; denn es ist gängige Praxis, dass Behörden die Gründe für ihr Handeln offenlegen müssen. Das gilt auch für unabhängige Einrichtungen. Genauso ist es üblich, dass dieses Handeln von Gerichten überprüft wird. Beides sind Ausflüsse des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips. Diese beiden schützenswerten Prinzipien hält das Bundesverfassungsgericht durch sein Urteil hoch, und dafür verdient das Gericht keine Schelte, sondern Lob.

(Beifall des Abg. Philipp Amthor [CDU/CSU])

Die Kritik am Urteil entzündet sich an mehreren Stellen. Auf einige möchte ich eingehen.

Erstens wird kritisiert, dass das Bundesverfassungsgericht nur bei einer offensichtlichen Kompetenzüberschreitung hätte einschreiten dürfen und dass der vorliegende Fall dafür zu komplex sei. Dass der EuGH in seiner Prüfung die tatsächlichen Auswirkungen des Anleiheprogramms PSPP auf die Wirtschaftspolitik außer Acht gelassen hat, war aber offensichtlich. Die hohen Hürden, die sich das Bundesverfassungsgericht für die sogenannte Ultra-vires-Kontrolle selbst auferlegt hat, waren also durchaus erfüllt.

Deswegen überzeugt mich auch ein zweiter Aspekt der Kritiker nicht, nämlich dass das Bundesverfassungsgericht aufgrund seiner Bedenken den Fall nochmals dem EuGH hätte vorlegen müssen; denn es war offensichtlich, dass der EuGH diese Verhältnismäßigkeitskontrolle nicht vornehmen wollte. Daran hätte aller Wahrscheinlichkeit nach auch eine zweite Vorlage nichts geändert.

Drittens wird vorgebracht, dass das Urteil eine Steilvorlage für Autokraten in Osteuropa sei, die sich künftig unter Berufung auf das deutsche Verfassungsgericht dem europäischen Recht entziehen werden. Diesen Vorwurf finde ich besonders schwierig und auch nicht redlich; denn die Gefahr des Missbrauchs lässt das Urteil nicht automatisch falsch werden. Das Bundesverfassungsgericht hat unmissverständlich klargestellt, dass es sich bei dem Urteil um einen absoluten Ausnahmefall handelt. Zudem geht es nicht darum, der EZB ein bestimmtes Ergebnis der Verhältnismäßigkeitsprüfung abzuverlangen. Es geht lediglich darum, die Ergebnisse der Prüfung der EZB – und ich bin davon überzeugt, dass die stattgefunden hat – besser zu verstehen und nachvollziehen zu können. Diesen Wunsch teile ich ausdrücklich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, selbstverständlich müssen auch Fragen zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts möglich und Kritik daran erlaubt sein. Das gehört zum Diskurs in einem freiheitlichen Rechtsstaat. Dabei sollten wir aber Maß und Mitte halten, um den guten Ruf dieses Verfassungsorgans nicht zu beschädigen. Ich fordere deshalb mehr Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht und seiner Entscheidung, die für uns alle im Bundestag verbindlich ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Jetzt zurück zu den falschen Freunden des Bundesverfassungsgerichts, und zwar zu denen, die hier ganz rechts im Bundestag sitzen. Teile Ihrer Partei will der Verfassungsschutz beobachten lassen, und Sie spielen sich mit Ihrem Antrag als Hüter des Grundgesetzes auf. Ihr Antrag ist rein spekulativ. Das Urteil sagt nämlich nichts über aktuelle coronabedingte Hilfsmaßnahmen der EZB aus. Es kann also auch nicht, wie Sie das gerne hätten, als Beleg dafür herangezogen werden, dass die neuen PEPP-Anleihekäufe beendet werden müssten; das haben meine Vorredner schon sehr umfänglich ausgeführt.

Die AfD will mit ihrem Antrag von der grottenschlechten Vorstellung ihrer eigenen Chaostruppe und von dem massiven Krieg, der zwischen gemäßigten und rechtsradikalen Flügelkräften entbrannt ist, ablenken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Da kommt Ihr alter Feind Europa als Sündenbock gerade recht.

Schauen wir doch mal genau hin, was bei Ihnen im Moment los ist. Der Flügelfrontmann Höcke

(Zuruf von der AfD: Zur Sache!)

will nach Sozialistenmanier die Marktwirtschaft und der Kollege Komning aus Mecklenburg-Vorpommern nach Autokratenmanier die parlamentarische Demokratie abschaffen.

(Enrico Komning [AfD]: Blödsinn!)

Die AfD-Landtagsfraktion in Bayern zerlegt sich gerade selbst. Die bayerische Fraktionsvorsitzende Ebner-Steiner bleibt, obwohl sie in ihrer Fraktion keine Mehrheit mehr hat.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Zum Thema!)

– Sie wollen das nicht hören. Es ist mir schon klar, dass Sie der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen wollen, aber Sie müssen es sich anhören.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Obwohl sie keine Mehrheit hat, bleibt die Flügelfrau Ebner-Steiner Fraktionsvorsitzende. Der rechtsextreme Kalbitz, der sich gerne bei der Heimattreuen Deutschen Jugend herumgetrieben hat, wird aus der Partei rausgeschmissen, bleibt aber Fraktionsvorsitzender der AfD in Brandenburg.

(Zuruf von der AfD: Zum Thema!)

Es ist doch ganz offensichtlich: Die AfD wird die braunen Geister, die sie rief, nicht mehr los.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Das mussten schon Lucke und Petry einsehen. Deshalb kann ich nur vielen in der AfD und Ihren Wählern zurufen: Tun Sie es ihnen nach! Verlassen Sie wie Petry und Lucke die AfD, und lassen Sie die Nazis in dieser Partei alleine!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

In Bayern scheint das schon gut zu funktionieren; denn dort hat sich die Zustimmung für die AfD laut BayernTrend-Umfrage von gestern halbiert. Sie liegt nur noch bei 5 Prozent. Die Richtung stimmt hier.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)