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Wilfried Oellers: Wir haben eine Befristungsquote, die lediglich zwischen 7 und 8 Prozent liegt

Rede zur sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Ferschl, Gratulation zur ersten Rede! – Sie hört gerade nicht zu. – Allerdings muss ich sagen: Bei dem, was sie gesagt hat, weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll, um das alles richtigzustellen.

(Zuruf von der LINKEN: Dann lassen Sie es doch einfach!)

Deswegen versuche ich, mich auf meine vorgesehenen Ausführungen zu beschränken und darf als Korrektur gleich anmerken:

(Zuruf des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE])

Das Schreckgespenst, das Sie hier von Befristungen gemalt haben, entspricht mitnichten den Tatsachen. Bevor ich jetzt mit Zahlen komme, schicke ich vorweg, dass wir von Unionsseite auch lieber unbefristete Beschäftigungsverhältnisse sehen wollen und dass wir sicherstellen wollen, dass mit den Befristungen kein Missbrauch getrieben wird. Das steht komplett außer Frage.

Schauen wir uns die Zahlen einmal genau an. Wenn wir von allen Beschäftigungsverhältnissen ausgehen, haben wir eine Befristungsquote, die lediglich zwischen 7 und 8 Prozent liegt. Das heißt, wir reden hier nicht davon, dass die überwiegende Zahl von Arbeitsverhältnissen befristet ist; vielmehr liegt die Zahl weit unter der Hälfte. Sie haben es eben anders dargestellt.

Von diesen – ich sage jetzt mal – ungefähr 8 Prozent betreffen über 50 Prozent den öffentlichen Dienst und somit etwas unter 50 Prozent die Privatwirtschaft. Das Schreckgespenst Richtung Privatwirtschaft aufzubauen, passt also auch schon nicht.

Zur Kenntnis muss man auch nehmen, dass zum öffentlichen Dienst auch der Bereich der Wissenschaft gehört, in dem ebenfalls ein Großteil befristeter Arbeitsverhältnisse zu finden ist. Wir sind in der letzten Legislaturperiode mit unserem Wissenschaftszeitvertragsgesetz schon tätig geworden, um in diesem Bereich bessere Regeln einzuführen.

(Zuruf des Abg. Pascal Meiser [DIE LINKE])

Wir können also feststellen, dass wir, wenn wir von den Zahlen ausgehen, eigentlich eine konstante – wenn nicht sogar eher fallende – Tendenz bei den befristeten Beschäftigungsverhältnissen haben.

In diesem Zusammenhang darf man auch nicht verschweigen, dass die Übernahmequote mit über 40 Prozent recht beachtlich ist. Hier kommt den Befristungen eine Funktion zu, die man nicht außer Acht lassen darf: die Brückenfunktion von Arbeitslosigkeit hin zum ersten Arbeitsmarkt.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Gute Brückenfunktion!)

Das bestätigt selbst das IAB. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen; denn das ist eine neutrale Stelle.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Darüber hinaus ist festzuhalten: Wir brauchen in unserem Wirtschaftsleben das Flexibilisierungsinstrument der Befristungen, auch wenn Sie das in Abrede stellen.

(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Ja, die Wirtschaft!)

Es geht dabei nicht nur um Auftragsspitzen, die wir abdecken, sondern auch um andere Themenfelder. Wenn man sich einmal anschaut, dass wir den Arbeitnehmern einerseits Flexibilisierung durch Elternzeit, durch das Recht auf Teilzeit, das wir einführen wollen, ermöglichen,

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht alles mit Befristungen mit sachlichem Grund!)

stellt man fest, dass dadurch andererseits neue Notwendigkeiten entstehen, befristete Arbeitsverhältnisse zu begründen. Das muss man auf jeden Fall zur Kenntnis nehmen.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, geht doch alles!)

Wenn die Befristung auf der einen Seite Flexibilisierungsinstrumente schafft, kann man sie auf der anderen Seite nicht komplett abschaffen. Es ist wichtig, dass man mit der sachgrundlosen Befristung ein Flexibilisierungsinstrument hat, das einfach unbürokratisch ist.

(Beifall bei der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man kann es doch begründen!)

Ich betone: unbürokratisch. Als Arbeitgeber kann man für einen bestimmten Zeitraum in dem Wissen, einmal nichts dokumentieren zu müssen, Ruhe haben.

In diesem Zusammenhang ist es richtig und wichtig, dass wir dieses Instrument erhalten – sicherlich mit gewissen Korrekturen, etwa beim Thema der Kettenbefristungen, so wie wir es vereinbart haben, wenn wir es denn umsetzen können. Ich denke, dass alle diese Argumente das Schreckgespenst der Befristungen etwas abmildern können.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Herr Oellers, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung einer Kollegin von der Linken?

Wilfried Oellers (CDU/CSU):

Gerne.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Bitte sehr.

Jutta Krellmann (DIE LINKE):

Herr Oellers, wir beide haben ja schon öfter über sachgrundlose Befristungen gestritten. Wenn ich Sie jetzt höre, muss ich natürlich gleich wieder etwas dazu sagen.

(Heiterkeit)

Meine Kollegin hat von jüngeren Menschen in einem befristeten Arbeitsverhältnis gesprochen. Bei jüngeren Menschen ist es ganz einfach so: Die haben den höchsten Anteil an Befristungen und die meisten sachgrundlosen Befristungen. Es ist richtig, dass es bei Arbeitnehmern unter 30 Jahren etwa 24 Prozent sind. Sie reden von Durchschnittszahlen. Es gibt eine Kaskade: Je älter man ist, desto größere Chancen hat man auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Aber junge Leute haben diese Chancen nicht; das entspricht der Wahrheit.

Ein zweiter Punkt. Wie können Sie die Möglichkeit der Flexibilisierung, Elternzeit und Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit als Begründung dafür nehmen, dass man Befristungen doch braucht? Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern, dass es in Betrieben früher einmal so etwas wie Springer gegeben hat. Diese Kräfte hat man vorgehalten, um genau so etwas zu ermöglichen. Zu sagen, dass das nur mit befristeten Beschäftigungsverhältnissen geht, ist einfach nicht richtig. Man muss anfangen, darüber nachzudenken, was man machen kann. Da findet man Lösungen, die aber nicht in Befristungen liegen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wilfried Oellers (CDU/CSU):

Frau Kollegin Krellmann, was Ihr letztes Argument angeht, dass man Elternzeit oder Teilzeit nicht als Begründung für befristete Arbeitsverhältnisse heranziehen darf, muss ich Ihnen ganz deutlich widersprechen. Was erwarten Sie denn bitte schön von den Arbeitgebern? Wenn jemand kommt und sagt: „Ich möchte mein Recht auf Teilzeit, ich möchte Elternzeit in Anspruch nehmen“, und ich als Arbeitgeber sehe, wie lange dieser Arbeitnehmer ausfällt, dann ist doch klar, dass ich als Arbeitgeber jemanden einstellen möchte, der während genau dieser Zeit arbeitet.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das muss doch nicht sachgrundlos gemacht werden!)

Es sind nicht alle Unternehmen so groß, dass sie das mit Springern auffangen oder entsprechendes Personal vorhalten können; das muss man einmal ganz deutlich sagen.

Sie geben mir mit Ihren Ausführungen aber die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass es in der Tat auch andere Beispiele gibt. Sie kennen vielleicht schon das Beispiel aus meinem Wahlkreis. Ich bringe es gerne noch einmal zur Kenntnis. Der Landrat des Kreises Heinsberg hatte vier Beschäftigte in seiner Kreisverwaltung, die alle befristet beschäftigt waren. Allerdings waren das alles Befristungen mit Sachgrund, weil es sich um Schwangerschaftsvertretungen handelte. Irgendwann hat der Landrat dann gesagt: Wir haben diese Verträge so oft verlängert. Jetzt müssen wir den Leuten doch auch die Möglichkeit geben, eine Festanstellung zu bekommen. Ich sehe, dass ich hier im Haus offensichtlich den Bedarf habe. – Das hat er gemacht. Die erste Kritik aus dem Kreistag kam von der Opposition. Ich muss jetzt dazusagen, dass die CDU nicht in der Opposition ist. Es war auch Ihre Fraktion, die behauptet hat, dass dadurch der Personalhaushalt aufgebläht würde. Man kann es Ihnen offensichtlich an der Stelle nicht recht machen. Das muss man auch einmal ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben die jüngeren Beschäftigten angesprochen. Dazu muss ich sagen: Wenn man sich die Alterskurve anschaut, dann gebe ich Ihnen recht, dass der Anteil der jüngeren Arbeitnehmer unter den befristet Beschäftigten sehr hoch ist. Im Moment liegt die Quote bei ungefähr 23 Prozent. Vor einigen Jahren lag sie noch bei 28 Prozent. Die Kurve flacht aber in den anderen Altersstufen, die in diesen Diagrammen angegeben sind, drastisch ab, sodass wir bei Altersstufen, die weit in Richtung des Rentenalters gehen, zu einem Wert kommen, der bei 2 bis 3 Prozent liegt. Bei einer solchen Zahl sehe ich in der Tat keinen Missbrauch. Ich denke, dass damit Argumente gebracht sind, die Ihre Vorwürfe entkräften.

Wir brauchen diese Flexibilisierungsinstrumente – wenn man den Arbeitnehmern diese berechtigten Instrumente an die Hand geben will –, um personalbedingte Engpässe bei Elternzeit, bei Pflegefällen abfedern zu können. Das ist überhaupt keine Frage. Aber dann muss man auch mit gleichem Maß messen und Flexibilisierungsinstrumente ermöglichen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)