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Wilfried Oellers: Flexibilisierung ist nötig in der Arbeitswelt, muss aber für den Arbeitnehmer und auch den Arbeitgeber gelten

Rede zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute den Gesetzentwurf zur Brückenteilzeit. Mit diesem Gesetzentwurf wird ein Bestandteil unseres Regierungsprogramms aus dem letzten Bundestagswahlkampf, der Einzug in den Koalitionsvertrag gefunden hat, umgesetzt.

Neben der Einführung der Brückenteilzeit sei der Vollständigkeit halber erwähnt, dass dieser Entwurf auch Änderungen bei den Themen „Arbeit auf Abruf“ und „Verlängerung der Arbeitszeit“ nach der bisherigen Möglichkeit, die Arbeitszeit zu verringern, beinhaltet.

Die Menschen haben heutzutage den Wunsch, ihre Arbeitszeit flexibler zu gestalten, um privates, familiäres Leben mit dem Arbeitsleben besser vereinbaren zu können. Es gibt Menschen, die ihre Arbeitszeit dafür reduzieren wollen, es gibt aber auch andere, die gerade ihre Arbeitszeit wieder erhöhen wollen. Zu diesem Ergebnis kommt auch jüngst eine veröffentlichte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Dieser Gesetzentwurf kommt den Wünschen der Menschen entgegen.

Herr Minister Heil hat bereits die Rahmenbedingungen für Brückenteilzeit erwähnt. Ich darf mich diesen Äußerungen anschließen, vor allen Dingen den positiven Effekten, die er damit in Verbindung bringt; dem stimme ich unbestritten zu.

Ich möchte nur eine Sache betonen – das ist mir im Rahmen der Befristungsthematik und der Diskussion darüber besonders wichtig –: Jeder, der heute diesem Gesetz im Grundsatz – ich sage nicht: in allen Einzelausführungen – Positives abgewinnen kann, der muss natürlich auch die Konsequenz berücksichtigen. Ich schiebe noch mal vorweg, dass ich die Brückenteilzeit als Flexibilisierungsinstrument für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausdrücklich begrüße. Aber die Folge wird sein, dass man im optimalen Fall aus einem unbefristeten Vollzeitarbeitsverhältnis mindestens ein befristetes Teilzeitarbeitsverhältnis macht, durch die Ergänzung der ausfallenden Arbeitszeit durch die Inanspruchnahme der Brückenteilzeit eigentlich sogar zwei befristete Teilzeitarbeitsverhältnisse.

Warum? Arbeitnehmer A möchte gerne seine Arbeitszeit reduzieren, er ist unbefristet beschäftigt, arbeitet 100 Prozent, also Vollzeit, und möchte jetzt heruntergehen auf beispielsweise 50 Prozent. Diese ausgefallene Arbeitszeit muss natürlich ausgeglichen werden. Dafür muss der Arbeitgeber einen anderen Arbeitnehmer – wiederum befristet – in Teilzeit, 50 Prozent, einstellen, der diese ausfallende Tätigkeit aufnimmt. Auf dem derzeitigen Arbeitsmarkt wird es schon eine Herausforderung sein, eine Person zu finden, die einem solchen Angebot zustimmt. Worauf möchte ich hinaus? Wir machen aus einem Vollzeitarbeitsverhältnis zwei befristete Teilzeitarbeitsverhältnisse, und das wird die Statistik, die bei der Befristungsthematik immer zur Diskussion steht, verändern.

Bisher wird das Instrument der befristeten Teilzeit ja an den Pranger gestellt und gesagt, es sei ein schlechtes Instrument –

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es soll ja nicht sachgrundlos befristet werden!)

natürlich habe ich auch lieber 100 Prozent Vollzeitbeschäftigte –, aber das wird es in Zukunft immer häufiger geben. Deswegen bin ich der Auffassung, dass es im Rahmen der Brückenteilzeit außerordentlich wichtig ist, sehr geehrter Herr Minister, dass diese Dinge statistisch separat erfasst werden, damit wir in keine Schieflage in der Diskussion um die Befristungsthematik insgesamt geraten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wie gesagt, das Flexibilisierungsinstrument der Brückenteilzeit wird ein wichtiges und wahrscheinlich auch ein sehr oft in Anspruch genommenes Flexibilisierungsinstrument sein. In diesem Zusammenhang ist es mir aber genauso wichtig, zu betonen: Auf der einen Seite ist das ein Flexibilisierungsinstrument der Arbeitnehmer, auf der anderen Seite muss der Arbeitgeber darauf natürlich auch entsprechend flexibel, unbürokratisch und vor allen Dingen rechtssicher reagieren können. Das ist auch ein Punkt, den das Befristungsrecht insgesamt hergeben muss. Sosehr dem Wunsch nach Flexibilität in der Arbeitszeit nachgegangen werden muss, so selbstverständlich sollte auch das Interesse des Arbeitgebers berücksichtigt werden, dass der Betrieb natürlich auch mit diesem Instrument weiterlaufen muss.

Ich komme zum zweiten großen Aspekt, der diejenigen betrifft, die bisher in Teilzeit sind und nach den bisherigen rechtlichen Möglichkeiten gerne aufstocken wollen. Hier ist es bisher so, dass es im Rahmen der Beweislastumkehr vier Voraussetzungen gibt, von denen zwei beim Arbeitgeber liegen. Hier sollen noch zwei weitere Voraussetzungen dazukommen; Herr Minister Heil hat es angesprochen. Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang, zu betonen, dass selbst der Nachweis des freien Arbeitsplatzes, der natürlich beim Arbeitgeber liegt – das heißt, er muss nachweisen, dass er keinen freien Arbeitsplatz hat –, nicht dazu führt, dass die Organisationshoheit des Arbeitgebers infrage gestellt wird. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, der insbesondere im Kabinettsverfahren eingeführt worden ist und Einfluss in die Beratungen gefunden hat.

Lassen Sie mich abschließend sagen: Flexibilisierung ist nötig in der Arbeitswelt, das ist überhaupt keine Frage. Aber es muss natürlich für beide Seiten gelten: für den Arbeitnehmer und für den Arbeitgeber, um darauf unbürokratisch, rechtssicher reagieren zu können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)