Skip to main content

Wilfried Oellers: "Es gibt unter Arbeitnehmern den Wunsch mehr als 40 Stunden zu arbeiten. "

40 Stunden sind genug – Gesetzliche wöchentliche Höchstarbeitszeit reduzieren

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was das Leben der Menschen und die Arbeitszeit betrifft, so versucht der Gesetzgeber, das Arbeitsleben in einer gewissen Flexibilität zu regeln. Auf der einen Seite haben die Mitarbeiter oft den Wunsch, ihre Arbeitszeit flexibel zu gestalten. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch den Wunsch bzw. das Begehren des Arbeitgebers nach einer bestimmten Flexibilität,

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben ja viele Möglichkeiten!)

gleichzeitig aber auch nach geordneten Betriebsabläufen. Beides gilt es hier in Einklang zu bringen.

Bevor man gesetzgeberisch tätig wird, ist es eigentlich am besten, wenn sich diejenigen darüber unterhalten, die tatsächlich dafür zuständig sind, nämlich die Arbeitsvertragsparteien und die Tarifparteien, die hier auch gewisse Gestaltungsmöglichkeiten haben. Man muss sagen: In den allermeisten Fällen klappt das in Deutschland sehr gut, und es gelingt sehr gut.

Die Gestaltung hat allerdings auch eine gewisse Grenze, und zwar dort, wo man an die Grenze der Machbarkeit kommt. Da muss man dann zunächst einmal den Unternehmer fragen, inwieweit es möglich ist, auf Flexibilisierungswünsche der Mitarbeiter einzugehen. Auch hier sind die Interessen der geordneten Betriebsabläufe zu beachten.

Das Arbeitsrecht sieht aktuell entsprechende Möglichkeiten und Grenzen vor. Ich darf an dieser Stelle das Arbeitszeitgesetz, das Teilzeit- und Befristungsgesetz, aber auch das Mindestlohngesetz nennen. Die Vorschläge, die Sie unterbreiten, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Linken, fördern das gerade Gesagte sicherlich nicht. Vielmehr schränken Sie die notwendige Freiheit der Unternehmer ein und

(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)

ebenso die gewünschten Freiheiten der Arbeitnehmer; im Einzelnen komme ich gleich dazu.

Der erste Punkt, den Sie fordern, ist, die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 auf 40 Stunden zu reduzieren. Dabei übersehen Sie allerdings, dass es auch unter Arbeitnehmern den Wunsch gibt – Sie werden es nicht glauben –, mehr als die 40 Stunden, die von Ihnen angesetzt worden sind, zu arbeiten. Warum? Weil sie sich aufgrund ihrer Mehrarbeit etwas leisten möchten.

Sie sprechen von einer Umverteilung der Arbeit. Herzlich willkommen in der Planwirtschaft! Es sollte Ihnen doch wohl bekannt sein, dass es bisher noch nie funktioniert hat, Wohlstand und Prosperität so voranzubringen.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Sie begreifen es einfach nicht! Das ist das Schlimme, dass Sie es einfach nicht begreifen!)

Auch den Menschen ist damit nicht gedient. Hier können wir uns die eigene Geschichte anschauen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD und der FDP – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Sie sind unverschämt!)

Wir müssen auch betrachten, dass wir zurzeit einen Fachkräftemangel zu verzeichnen haben. Die Unternehmen leiden sehr darunter. Wenn Sie dann noch sagen: „Wir wollen die Arbeitszeiten reduzieren“, ist das sicherlich nicht im Interesse der Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft. Und wenn das dazu führt, dass Steuereinnahmen nicht mehr in dem Umfang sprudeln wie bisher, dann ist das sicherlich auch nicht im Interesse aller. Die Auswirkungen brauche ich hier nicht näher zu schildern.

In Ihrer Begründung sprechen Sie aber nicht nur von einer Umverteilung der Arbeit allgemein, sondern auch von einer Umverteilung unbezahlter Arbeit. In Deutschland ist nach dem geltenden Arbeitsrecht jede Arbeitsstunde zu vergüten.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Und sie muss dokumentiert werden!)

Fällt eine Überstunde an, ist diese entweder zu vergüten oder in Freizeit auszugleichen. Geschieht das nicht, dann ist das bereits jetzt rechtswidrig. Der Rechtsweg steht jedem offen. Jeder kann diesen einschlagen, um zu seinem Recht zu kommen.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung der Kollegin Krellmann?

Wilfried Oellers (CDU/CSU):

Gerne.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Frau Krellmann, bitte.

Jutta Krellmann (DIE LINKE):

Vielen Dank. – Erstens, Herr Oellers: Ich bin im Westen geboren. Sie müssen mir nicht ständig irgendetwas vorwerfen, was nicht dort passiert ist, wo ich gelebt und gearbeitet habe. Zweitens. Die Information, dass von 1,7 Milliarden Überstunden die Hälfte nicht bezahlt ist, haben wir uns nicht ausgedacht, sondern sie stammt aus einer Antwort der Bundesregierung.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist es!)

Sie sind Jurist, soviel ich weiß. Ich frage Sie: Was machen Sie als Jurist, um die Arbeitgeber darüber zu informieren, dass man so etwas eigentlich nicht tun darf? Die Hälfte der Überstunden wird nicht bezahlt. Das ist doch nicht vom Himmel gekommen! Das ist eine richtige Sauerei. Das ist Betrug an den Beschäftigten. Was tun Sie dagegen?

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Danke schön, Frau Krellmann. – Herr Oellers, Sie haben jetzt das Wort.

Wilfried Oellers (CDU/CSU):

Punkt eins. Sie haben Ihre Herkunft angesprochen. Ich denke, man darf dennoch auf die Erfahrungen, die wir in unserer Geschichte gemacht haben, hinweisen.

(Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Das war meine Rede! Sie reden mit mir!)

Punkt zwei. Ich habe gerade schon etwas zum Thema Überstunden gesagt. Wenn Überstunden nicht durch Freizeit ausgeglichen werden oder nicht bezahlt werden, dann ist das rechtswidrig. Damit habe ich meine Position dazu genannt. Ich habe auch schon ausgeführt, was das deutsche Recht dazu vorsieht. Es liegt allerdings auch bei den jeweiligen Betroffenen – das muss man ehrlicherweise dazusagen –, ihr Recht einzufordern. Wenn sie die Überstunden dokumentiert und nachgewiesen haben, dann glaube ich nicht, dass sie vor einem deutschen Arbeitsgericht kein Recht bekommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir können noch ein paar Kontrollen mehr machen!)

Wenn man im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes über Veränderungen der Arbeitszeit nachdenkt, dann sollte man, anstatt eine Einschränkung der Höchstarbeitszeit in den Blick zu nehmen, eher darüber nachdenken, welche Möglichkeiten man hat, um im Rahmen der Eckpunkte, die wir haben, Flexibilisierungen zu ermöglichen, damit die Menschen ihr Leben entsprechend gestalten können.

Sie sprechen weiter die Dokumentation von Arbeitszeit an. Ich denke, dass es hierzu ausreichende Regelungen im Gesetz gibt. Das werden Sie wieder bestreiten; aber ich verweise auf § 16 Absatz 2 Arbeitszeitgesetz und auf § 17 Mindestlohngesetz, in denen ausreichende Dokumentationspflichten berücksichtigt worden sind.

Da ich gerade § 17 Mindestlohngesetz angesprochen habe: Hier ist es sicherlich wichtig und richtig, darüber nachzudenken, ob die Höhe der Lohngrenze, bis zu der entsprechende Dokumentationen erfolgen müssen – seinerzeit ist ein Bruttogehalt in Höhe von knapp 3 000 Euro festgelegt worden –, angemessen ist. Ich denke, dass man damals etwas über das Ziel hinausgeschossen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Dann sprechen Sie das Rückkehrrecht in Vollzeit an. Angemerkt haben Sie auch, dass wir in unserem Sondierungspapier dazu schon einiges vereinbart haben, und zwar unter bestimmten Voraussetzungen. Ich will jetzt nicht näher erläutern, was in unserem Sondierungspapier steht; aber ich will auf Folgendes hinweisen, was im Rahmen der Thematik Rückkehrrecht in Vollzeit zu berücksichtigen ist. Wenn man ein Rückkehrrecht in Vollzeit bzw. ein Recht auf Teilzeit festschreibt, dann muss man gleichzeitig auch zur Kenntnis nehmen, dass der Wunsch nach einem Recht auf Teilzeit für eine bestimmte Dauer gleichbedeutend ist mit der Entstehung von neuen befristeten Arbeitsverhältnissen; denn die Arbeitsleistung muss ja irgendwie erbracht werden. Darum braucht man für diese Übergangszeit Mitarbeiter. Wenn Sie auf der einen Seite solche Möglichkeiten einfordern, auf der anderen Seite die Möglichkeit einer Befristung aber an den Pranger stellen, dann ist diese Argumentation nicht ganz schlüssig.

Vor dem Hintergrund, dass man den Arbeitnehmern auch bei der Elternzeit Flexibilisierungen eingeräumt hat, ist es, denke ich, mehr als recht, darauf hinzuweisen, dass man an die Befristungstatbestände nicht weiter ­herangehen und insbesondere die sachgrundlose Befristung als einziges unbürokratisches – das betone ich – Flexibilisierungsinstrument beibehalten sollte.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt genügend Befristungsgründe!)

Letzter Punkt. Sie fordern eine Mindeststundenzahl von 22 Stunden pro Woche. Hier muss man fragen: Wo kommen wir denn hin, wenn wir den Leuten vorschreiben, wie lange sie mindestens zu arbeiten haben? Es gibt gute Gründe für Menschen, nur eine geringe Stundenzahl arbeiten zu wollen. Familiäre Gründe können hier eine Rolle spielen. Diesen Wunsch können wir den Leuten nicht verwehren. Bei dieser Forderung sind wir wieder mitten in der Planwirtschaft angekommen.

Wir müssen den Menschen ihre Freiheiten lassen, und das gelingt mit Ihrem Antrag ganz bestimmt nicht.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)