Skip to main content

Uwe Schummer: Wir haben mit dem Bundesteilhabegesetz einiges für die Schwerbehindertenvertretungen getan

Änderung des Schwerbehindertenausweises in Teilhabeausweis

Verehrtes Präsidium! Meine Damen! Meine Herren! Natürlich: Sprache prägt. Sprache zeigt immer den Geist, in dem eine Gesellschaft lebt und aus dem heraus sie handelt. Deshalb sind Begriffe so wichtig.

Die UN-Behindertenrechtskonvention, die vor mehr als neun Jahren von uns ratifiziert wurde, hat einen ganz massiven und wichtigen Paradigmenwechsel verursacht, der unsere Politik verändert hat, nämlich von der Defizitbeschreibung behinderter Menschen hin zur Teilhabe. Wir müssen die Potenziale, die in jedem Menschen vorhanden sind, entdecken und sie entwickeln, damit diese Menschen an der Gesellschaft teilhaben können.

Das Bundesteilhabegesetz war darauf eine konkrete Antwort, weil neben der Sprache natürlich auch die Taten entscheidend sind. In diesem Zusammenhang haben wir – wie mehrfach betont wurde, unter anderem von Peter Weiß – das Budget für Arbeit gestartet, das Lohnkostenzuschüsse vorsieht für den Übergang von Werkstätten in Unternehmen, in denen Teilhabe durch Arbeit ermöglicht wird. Vor allem geschieht dies durch Begleitung, durch Assistenz und Coaching sowie entsprechende Krisenintervention, wenn es im Handwerksbetrieb, in welchem Bereich der Wirtschaft auch immer, notwendig ist. Es ist eine sehr persönliche Begleitung, damit jeder Einzelne personenzentriert eine Chance auf Teilhabe auf dem ersten Arbeitsmarkt entwickeln kann.

Des Weiteren ist die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung zu nennen, die wir mit knapp 60 Millionen Euro aus Bundesmitteln finanzieren. Hier beraten auch Beteiligte darüber, wie Teilhabe gefördert werden kann. Die entsprechenden Zuwendungsbescheide werden an die derzeitigen Beratungsstellen verschickt und die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung wird aufgebaut. Das Beispiel von Corinna Rüffer hat die Notwendigkeit gezeigt. Wenn sich verschiedene Institutionen streiten, muss man nicht ein, zwei Jahre auf die Hilfeleistung warten, sondern es wird zügig beraten, begleitet und die Hilfe wie aus einer Hand organisiert. Lange Wartezeiten dürfte es von daher durch die neuen Beratungsstrukturen, die wir schaffen werden, zukünftig nicht mehr geben. Wir müssen dafür sorgen, dass das funktioniert.

Die Idee, den Schwerbehindertenausweis in „Schwer-in-Ordnung-Ausweis“ oder in „Teilhabeausweis“ umzufirmieren, finde ich spannend und sympathisch.

Wir haben mit dem Bundesteilhabegesetz beispielsweise einiges für die Schwerbehindertenvertretungen getan. Wir haben ihnen mehr Freistellungen eingeräumt, also mehr Zeit für ihre Beratungsaktivitäten gegeben, wir haben die Vertrauensleute aufgewertet, und wir haben ihre Rechte bei Kündigungen und entsprechenden Maßnahmen gestärkt.

Wir müssen mit den Schwerbehindertenvertretungen reden, ob sie demnächst „Teilhabebeauftragte“ werden. Ich bin offen für den Diskurs, aber ich denke, man muss die sehr konkrete Sprache auch in andere Bereiche der Inklusion transportieren. Wir müssen mit ihnen sprechen und schauen, wo die Gemeinsamkeiten liegen, wie wir das miteinander bewerkstelligen können.

Die Kleine Anfrage der AfD wirft auch Fragen zu Sprache und Denken auf. Was besonders spannend ist, ist der Bezug der Kleinen Anfrage zur Rede von Höcke. Wenn Höcke in seiner Rede in Dresden davon gesprochen hat, dass ein „Denkmal der Schande“ in Berlin geschaffen wurde, und damit die Naziopfer verhöhnte, wenn er den Kirchen, Gewerkschaften und Sozialverbänden vorwarf, sie betrieben die Auflösung des deutschen Volkes, und wenn Inklusion in dieser Rede als Irrweg bezeichnet wurde, dann muss man feststellen, dass der Weg von ­Höcke zur Kleinen Anfrage hier im Parlament sehr gerade ist und von der AfD offenkundig mitgegangen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Jens Beeck [FDP])

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Schummer, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hilse?

Uwe Schummer (CDU/CSU):

Von wem?

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Von Herrn Hilse.

Uwe Schummer (CDU/CSU):

Ich habe mitbekommen, dass ein führender Abgeordneter der AfD –

(Karsten Hilse [AfD]: Ich habe jede Zwischenfrage zugelassen!)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Moment! Jetzt antwortet er, ob er es zulässt.

Uwe Schummer (CDU/CSU):

– bei der Kanzlerwahl den Stimmzettel auf der Toilette beim Toilettenpapier auslegte und das über Twitter verbreitet hat.

(Karsten Hilse [AfD]: Was hat das mit mir zu tun?)

Eine Fraktion, die solche Typen in ihren Reihen duldet und die bereit ist, solche Methoden zu akzeptieren,

(Karsten Hilse [AfD]: Ja oder nein? Eine Frage zum Thema!)

die ihr eigenes Verhältnis zur parlamentarischen Demokratie nicht geregelt hat, sollte erst mal diese Aufgabe erfüllen. Dann können Sie sich gerne wieder bei uns melden, aber nicht heute.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Jens Beeck [FDP])

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Also, das war ein Nein zu Ihrer Frage. – Kommen Sie trotzdem zum Ende.

Uwe Schummer (CDU/CSU):

Klären Sie Ihr Verhältnis zur parlamentarischen Demokratie, dann werden wir auf dieser Ebene miteinander reden können.

Was Höcke und die Kleine Anfrage verbindet, ist, dass die Bundesvereinigung Lebenshilfe, die von Tom ­Mutters, einem UN-Beauftragten, gegründet wurde, der die überlebenden Opfer der Euthanasie versammelte und dann eine Selbsthilfevereinigung gründete, nach der ­Höcke-Rede eine Unvereinbarkeit zwischen sich und der AfD beschlossen hat. Die Bundesvereinigung Lebenshilfe hat dies – nach Ihrer Kleinen Anfrage – zusammen mit einem Bündnis aus 19 Sozialverbänden entsprechend umgesetzt. Wir hier im Parlament sollten mit diesen Sozialverbänden ein Bündnis der anständigen Demokraten gegen solche Begriffe und Ihre Fraktion schmieden.

(Martin Hebner [AfD]: Reden Sie doch keinen Blödsinn! Hören Sie doch auf!)

Das zu tun, ist etwas, das uns im Sinne der Inklusion und der betroffenen Menschen eine große Freude sein wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)