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Uwe Schummer: Wenn Menschen und Wettbewerb gefährdet sind, dann ist der Gesetzgeber gefordert

Redebeitrag zum Arbeitsschutzkontrollgesetz

Nach den Aussagen des Redners von der AfD wird eines nicht mit der AfD möglich sein: der Schutz vor dem Virus. Wir bekämpfen den Virus mit unseren Schutzgesetzen, und Sie bekämpfen die Schutzgesetze. Deshalb ist es gut, dass wir uns durchsetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir machen heute den dritten Anlauf, um die prekäre Situation der Beschäftigten in der industriellen Schlachterei zu beenden. 2015 die Selbstverpflichtung der großen Unternehmen, aus der Peter Weiß eben zitiert hat, aber auch die Generalunternehmerhaftung, die wir 2017 hier gemeinsam eingeführt haben. Wir sehen aber, dass mit Werkverträgen und Subunternehmen weiterhin faire Arbeit und fairer Wettbewerb in der Großschlachterei unterlaufen werden.

Werkverträge sind ein Instrument, das über 100 Jahre alt ist, ein Instrument für Spezialaufgaben, die nicht zum Kernbereich eines Unternehmens gehören, ein Instrument für Flexibilität innerhalb der Belegschaften. Aber diese Werkverträge werden eben nicht hierfür eingesetzt, sondern als Hebel, um Direktbeschäftigte zu ersetzen. So erodiert das klassische Arbeitsverhältnis, das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und direktbeschäftigtem Arbeitnehmer. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Einige der Subunternehmen verfügen über ein Dutzend weiterer GmbHs, in denen Beschäftigte hin und her geschoben werden, um Verantwortung zu verschleiern. Das Arbeitsschutzkontrollgesetz will eine höhere Kontrolldichte, höhere Strafzahlungen, digitale Zeiterfassung, aber auch Kontrolle und Zusammenfassung der Daten, die notwendig sind, am Arbeitsplatz und in der Unterkunft. So wird es sich auf die Beschäftigungsverhältnisse auswirken. Aber auch das Verbot von Werkverträgen im Kernbereich der Produktion von Großschlachtereien ist ein angemessenes Instrument, weil Werkverträge systematisch missbraucht worden und teilweise auch mit mafiösen Strukturen in den Herkunftsländern der angeworbenen Menschen verbunden sind.

Die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe zeigt, dass Schlachten eine gefahrengeneigte Tätigkeit ist. So liegt die Zahl der Arbeitsunfälle nach deren Angaben in der industriellen Schlachtung um 65 Prozent höher als in allen anderen Branchen. Bei den Werkverträgen steigt dieser erhöhte Durchschnittswert von schweren Arbeitsunfällen auf über 100 Prozent.

Wir wissen, dass die in Rumänien und Bulgarien angeworbenen Arbeitnehmer auf deutsche Verhältnisse – soziale Marktwirtschaft und deutsches Recht – gesetzt haben. Oftmals werden sie jedoch in einem geschlossenen System von Arbeit und Freizeit kontrolliert, mit fingierten Vorauszahlungen, mit Strafzahlungen, wenn sie krank werden, beispielsweise auch mit einem Matratzengeld. Matratzengeld bedeutet: eine Wohnung, 6 Matratzen für 12 Personen, die darauf übernachten, und von jedem der 12 Personen 300 Euro Miete, so Berater der Fairen Mobilität. Das sind unwürdige Verhältnisse, mit denen nicht weiter gearbeitet werden darf. Damit werden wir Schluss machen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In der Pandemie potenziert sich diese gefahrengeneigte Tätigkeit. So konnten wir aufgrund aktueller Studien feststellen, dass an einem Arbeitsplatz mit klimatisierten Verhältnissen, wo runtergekühlt wird, die Infektion durch Aerosole über mehr als 8 Meter weitergegeben werden kann, begünstigt durch das, was in der Schlachtung geschieht: Akkord, schwere Schutzanzüge, permanente Überstunden. Das verschärft in der Pandemie die gefahrengeneigte Situation; deshalb muss hier auch eine besondere Regelung gelten.

Aufgrund der Werkverträge konnten von Tönnies nicht alle Adressen der dort beschäftigten Arbeitnehmer an den Landkreis weitergeleitet werden. Das hatte die sehr konkrete Konsequenz, dass in der Zwischenzeit mehr als 40 Beschäftigte in ihre Herkunftsländer zurückgewandert sind, ohne dass wir wissen, ob sie infiziert waren oder nicht. Es darf nicht passieren, dass eine solche Infektion durch Wanderarbeit in die Herkunftsländer der Arbeiter getragen wird, in marode Gesundheitssysteme. Denn im Sinne eines gemeinsamen Europas haben wir auch eine Verantwortung für die dort lebenden Menschen.

(Beifall der Abg. Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU], Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Union steht zur unternehmerischen Freiheit. Das darf ich auch im Namen meines geschätzten Kollegen Axel Knoerig sagen. Wir von der Union stehen zur unternehmerischen Freiheit. Wir stehen aber auch zur unternehmerischen Verantwortung. Wenn aber Freiheit und Verantwortung auseinanderfallen, wenn Menschen und Wettbewerb gefährdet sind, dann ist der Gesetzgeber gefordert. Das ist soziale Marktwirtschaft, und danach handeln wir.

(Beifall bei der CDU/CSU)