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Ursula Groden-Kranich: Gleicher Lohn für die gleiche Arbeit ist wichtig

Lohndiskriminierung von Frauen beenden – Equal Pay durchsetzen

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich freue mich, dass bei dieser Debatte ganz viele junge Menschen anwesend sind, weil es auch ihre Zukunft betrifft.

Das Thema Entgelttransparenz begleitet uns seit vielen Jahren und mich selbst, seit ich dem Deutschen Bundestag angehöre. Wir haben im letzten Jahr das Gesetz zur Entgelttransparenz verabschiedet. Das war den Wirtschaftsverbänden, wie erwartet, natürlich alles zu viel, und den Frauenverbänden natürlich viel zu wenig. Die Wahrheit liegt, wie immer, in der Mitte. Im Übrigen ist das Gesetz erst seit letztem Sommer in Kraft, und der individuelle Auskunftsanspruch gilt erst seit Anfang Januar. Also lassen wir dem Gesetz auch ein wenig Zeit, um überhaupt erst einmal dort zu wirken, wofür es vorgesehen ist.

Das Anliegen an sich – gleicher Lohn für gleiche Arbeit – ist ungebrochen wichtig. Die Debatte dreht sich aber – so haben wir es auch gerade wieder gehört – eher im Kreis; denn die im Antrag der Linken vorgebrachten Argumente sind zum großen Teil nichts anderes als alter Wein in neuen Schläuchen. Jede Ungleichheit beim Lohn wird als direkte oder zumindest strukturelle Diskriminierung gesehen. Es werden vor allem mehr Berichtspflichten, Prüfungen und Klagerechte gefordert. Aber Frauen nur als Opfer zu sehen und Unternehmen nur als die Bösen, bringt uns kein bisschen weiter.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie uns genauer hinschauen und klügere Lösungen entwickeln. Die Gründe für das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen sind vielschichtig und größtenteils bekannt: die Berufswahl, die Unternehmensgröße, die Erfahrung, der Stundenumfang, die Position, Flexibilität, aber auch – das gilt auch für den öffentlichen Dienst – die Eingruppierung. Daher gibt es auch einen breiten Konsens, dass viele dieser Ursachen auch viele Ansätze zur Behebung benötigen.

Das neue Entgelttransparenzgesetz kann, selbst wenn wir verschiedene Parameter verschärfen würden, immer nur ein Steinchen im Mosaik „Lohngerechtigkeit“ sein. Viele Maßnahmen setzen leider erst ein, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, auch die aus dem vorliegenden Antrag der Linken: so bei berufstätigen Frauen, die zu spät merken, dass andere Berufe, andere Firmengrößen, andere Karrierewege höhere Einkommen ermöglicht hätten, und bei berufstätigen Müttern, wenn sich ergab, dass der Mann der Hauptverdiener ist, der Vollzeitarbeiter, und generell derjenige ist, der sich ums Geld kümmert –

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum geht es gar nicht!)

eine Haltung, die ich mit großer Sorge auch bei vielen jungen Frauen heute wieder beobachte. Aber das müsste nicht sein.

Mein Petitum ist daher: Wir müssen schon bei den Mädchen anfangen, und zwar ab der Grundschule. Das geht nur über die Eltern, die Lehrerinnen und Lehrer sowie die Erzieherinnen und Erzieher. Die Lohnlücke schließen wir auch, wenn wir Frauen stärken, sich finanziell unabhängig zu machen, wenn wir sie stärken, selbst Karriere zu machen – in Voll- oder in Teilzeit, egal in welchem Beruf –, und wenn wir Frauen ermuntern, selbst für ihr Alter vorzusorgen. Dazu müssen wir aber bei den Mädchen anfangen und bei denen, die Mädchen sozusagen die Welt erklären und sie in ihrer Selbstwahrnehmung und ihrer Selbstwertschätzung prägen.

Wir haben die Familienpolitik mit Elterngeld Plus und Co in den letzten Jahren deutlich verbessert. Nun sind aber auch die Unternehmen gefragt. Familienfreundlichkeit, die verschiedenen Arbeitszeitmodelle müssen ein wichtiges Thema für alle Firmen sein, egal in welcher Größe und Branche, insbesondere dann, wenn sie über Fachkräftemangel klagen. Echte Lohndiskriminierung muss bestraft werden. Dazu haben wir eine Vielzahl von Gesetzen. Vor allem die bereinigte Lohnlücke muss weiter geschlossen werden.

Wenn wir uns mit anderen europäischen Ländern vergleichen – Sie haben Spanien angesprochen –, dann müssen wir genauer hinschauen. Wenn man nämlich die Erwerbstätigkeitsquote einbezieht, steht zum Beispiel Italien sehr schlecht da und Deutschland sehr gut. Man muss es nur berücksichtigen. Es stimmt auch nicht, wie im Antrag der Linken gleich zu Beginn behauptet wird, dass Frauen nicht die gleichen Chancen wie Männer haben. Sie hätten sie, aber sie nehmen sie aus den verschiedensten Gründen leider oftmals nicht wahr.

(Widerspruch bei der LINKEN)

Ich bitte Sie und uns alle, dabei ehrlich zu sein.

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ursula Groden-Kranich (CDU/CSU):

Bitte schön.

Zaklin Nastic (DIE LINKE):

Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Verstehe ich Sie richtig, dass die Frauen und jungen Mädchen im Prinzip selbst schuld sind, dass ihre Lebensumstände so sind, dass sie miserabel bezahlt werden, und nicht die Unternehmen? Es sind nicht die Hungerlöhne daran schuld, sondern die Frauen, weil sie sich nicht anders ausbilden und sich nicht selbst um ihr Leben kümmern? Habe ich Sie richtig verstanden? Sie sprechen von altem Wein in alten Schläuchen, und ich frage Sie: Sind diese Erklärungen nicht genau das?

(Beifall bei der LINKEN)

Ursula Groden-Kranich (CDU/CSU):

Das ist die Einfachheit der Welt, wie sie sich Die Linke gerne zu eigen macht. Nein, es ist eben nicht so, und Sie haben mich extra nicht verstehen wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Jungen Mädchen zu sagen, was sie machen sollen und weshalb sie sich beklagen sollen, ist das eine. Aber wir müssen sie auch stark machen. Dafür werben wir. Wir werben dafür, dass die Chancen tatsächlich gleich sind. Insofern freue ich mich, dass auch junge Frauen hier auf der Tribüne sitzen. Ich werbe dafür, dass wir von diesen derzeit sehr aktuellen Bildern auch ein Stück weit wegkommen. Die Wirklichkeit ist nicht schwarz-weiß. Die Wirklichkeit besteht aus einer Vielzahl von Bildern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Stärke unserer Gesellschaft ist, dass wir diese unterschiedlichen Familienmodelle, diese unterschiedlichen Berufsmodelle leben können. Wir möchten Frauen nicht vorschreiben, welchen Beruf sie ergreifen müssen oder sollen. Aber wir müssen sie stark machen, damit sie wissen, was die Folgen ihrer Entscheidung sind. Das ist unsere Aufgabe, das ist Aufgabe von Politik, und das ist der Spagat zwischen Freiheit und sozialistischer Planwirtschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei der LINKEN – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da wollen Sie die Frage auch nicht verstehen! Das haben Sie bewusst nicht verstanden! – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Man muss einfach die Wahrheit anerkennen!)

Es liegt auch an uns. Die Linken sollten einmal schauen, wie sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen, wer von ihnen gerade junge Frauen in Minijobs anstellt. Wer in Ländern dafür stimmt, dass es Zeitverträge bei gut ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern gibt, der darf sich nicht wundern.

(Marianne Schieder [SPD]: Davon versteht der Freistaat Bayern auch etwas! Da ist die CSU!)

– Das ist in Rheinland-Pfalz, wo die SPD an der Regierung ist, leider seit vielen Jahren der Fall.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich:

Frau Kollegin, lassen Sie noch eine Zwischenfrage von einer Kollegin der Grünen zu?

Ursula Groden-Kranich (CDU/CSU):

Bitte schön.

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. Sie suggerieren immer wieder, dass es darum geht, dass Mädchen, junge Frauen stark gemacht werden, dass sie andere Berufswege gehen usw. Jetzt muss ich aber einmal klar fragen: Ist Ihnen bewusst, dass es nicht darum geht, dass zum Beispiel die Pflegeberufe schlechter bezahlt werden als die MINT-Berufe, sondern darum, dass in der Pflege die Männer besser bezahlt werden als die Frauen und in den MINT-Berufen die Männer auch besser bezahlt werden als die Frauen? Das ist das Problem.

(Nicole Bauer [FDP]: Das stimmt nicht! – Grigorios Aggelidis [FDP]: Das stimmt nicht!)

Ich habe hier gerade die Antwort auf eine Kleine Anfrage vor mir liegen – sie ist noch nicht öffentlich –, die ich gestellt habe und in der zum Beispiel steht, dass Frauen in den Bereichen Information, Kommunikation 25 Prozent weniger verdienen als Männer, im Gesundheits- und Sozialwesen 21 Prozent. Das sind Zahlen der Bundesregierung.

Ich möchte noch einmal nachfragen: Geben Sie mir recht, dass das Problem darin liegt, dass innerhalb der verschiedenen Branchen unterschiedlich bezahlt wird, und nicht darin, welchen Berufsweg junge Frauen und Mädchen vor sich haben?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ursula Groden-Kranich (CDU/CSU):

Wenn Sie bei meiner Rede zugehört hätten, dann hätten Sie gehört, dass es eine Vielfalt von Gründen gibt. Ein Grund ist sicher der, den Sie angesprochen haben. Auch wir sprechen uns gegen Diskriminierung aus. Diskriminierung darf nicht sein. Wir haben unterschiedliche Auffassungen zu dem Thema „Was sind gleiche Berufe?“

(Zuruf der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Ja, Sie schütteln den Kopf. – Das war schon das Thema, weil immer wieder das Beispiel von der Altenpflegerin und dem Schmutzwäschefahrer kam.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Altenpfleger!)

Das war immer ein Thema. Wir haben immer darüber diskutiert, dass beim Tariflohn gewöhnlich keine Unterschiede sind.

Ich habe das Thema Eingruppierung angesprochen, das für diese Branchen wichtig ist und woran wir arbeiten können. Aber ich wehre mich dagegen, dass wir so tun, als seien die Frauen grundsätzlich schlechter bezahlt und die Männer grundsätzlich besser bezahlt. So ist es zum Glück in unserer Gesellschaft nicht. Ich werbe dafür – auch die Grünen sind in Rheinland-Pfalz in der Landesregierung vertreten –, dass wir beispielsweise dort Veränderungen vornehmen; denn Zeitverträge treffen bei der Erziehung und bei Lehrkräften ganz besonders Frauen. Ich würde mich freuen, wenn Sie in Rheinland-Pfalz an unserer Seite stünden und mit uns dafür kämpfen würden, dass Zeitverträge nicht nur für 10 Monate bestehen, sondern, wenn sie schon bestehen, für 12 Monate. Dann haben wir auch für Frauen etwas getan. Machen wir Frauen und Mädchen Mut, ihren eigenen Weg zu gehen, und sind wir vor allen Dingen Vorbilder als Eltern und als Arbeitgeberinnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Grigorios Aggelidis [FDP])